Mit einer Kohlenstoffarmen Tourismuswirtschaft

Der Beitrag des Tourismus zum BIP soll von 16 Prozent im 2016 auf 20 Prozent steigen, so sieht es der Tourismusentwicklungsplan 2017-2021 von Fidschi vor. Wenn alles nach Plan läuft, wird in dieser Zeit nicht nur die direkte und indirekte Beschäftigung im Tourismus um fast 20’000 auf 127’000 Arbeitsplätze steigen. Gefördert werden sollen insbesondere auch die Infrastruktur für die emissionsintensiven internationalen Flugankünfte und den Kreuzfahrttourismus. Derweil müssen in Fidschi die ufernahen Dörfer, die dem Ansteigen des Meeresspiegels und den extremen Wetterphänomenen mit Dämmen nicht mehr trotzen können, umgesiedelt werden, um zu überleben. Die betroffenen BewohnerInnen, Jugend-, Berufs- und Frauengruppen wollen mitreden und haben sich Partizipation am Planungsprozess erkämpft. Für die Tourismusentwicklung könnte daraus gelernt werden.

Während die Regierung Fidschis mit Unterstützung internationaler Geberinstitutionen die «green economy» fördert und die Tourismuswirtschaft auf den Inseln als gutes Beispiel für ökologische Nachhaltigkeit gilt, wird der Klimastress immer grösser. Das Beispiel Fidschi zeigt, dass jedes Engagement für mehr Nachhaltigkeit wertvoll ist für die Lebensqualität der BewohnerInnen und für die Attraktivität des Tourismus. Gleichzeitig macht es deutlich, was schrumpfen muss, um wirklich nachhaltig zu sein: Der gigantische Fussabdruck, wo immer wir ihn hinterlassen.

Beim Klimaschutz sind alle gefragt: Die internationale Gemeinschaft für klimaverträgliche Regelungen, die Staaten für eine nachhaltigkeitstaugliche Gesetzgebung und Steuerung, die Tourismuswirtschaft, die Kostenwahrheit anstrebt und attraktive nachhaltige Angebote schafft und auf den Markt bringt, und die Reisenden, die sorgfältig umgehen mit ihrem CO2-Budget.

Der Tourismussektor kann vom Problem zu einem Teil der Lösung werden

Die Klimaerwärmung ist ein grosses Risiko für die Tourismusindustrie. Und das Risiko ist dort am grössten, wo das Tourismuswachstum zur Entwicklung beitragen soll. Der Tourismus verursacht 8% der weltweiten Treibhausgasemissionen. Mit dem prognostizierten Wachstum werden es 2050 16% sein. Dabei beträgt der Anteil der CO2-Emissionen durch den Flugverkehr heute 40%. Das unterminiert die aktuellen Ambitionen des Tourismussektors, zu nachhaltiger Entwicklung beizutragen. Grund also, energiearme Transportarten im ganzen Angebot zu fördern.

Wenn das ganze Dorf umziehen muss

Kelepi Saukitoga erzählt, wie das Wasser um sein Haus ihm bis zum Haus steht. Sein Dorf, Narikoso, wo er Bürgermeister ist, muss in eine höhere Lage umgesiedelt werden. Dämme vermögen die BewohnerInnen nicht mehr zu schützen, Kulturland ging in den letzten Jahren Meter um Meter verloren. Die DorfbewohnerInnen vermögen zu scherzen, aber sie sind auch wütend. Narikoso ist nicht das erst Dorf, das wegen der Folgen des Klimawandels fernab vom Meer neu aufgebaut werden muss, weitere etwa 40 Umsiedlungen stehen bevor.

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Verhandlungsspielraum

Das «Doughnut-Modell der Nachhaltigen Entwicklung» (Raworth 2012) zeigt: Zwischen den planetaren Grenzen und den sozialen und ökonomischen Anforderungen für das menschliche Wohlbefinden gibt es auch für die Tourismuswirtschaft Spielraum, um Strategien nachhaltiger Entwicklung auszuhandeln, zu planen und umzusetzen.

Mit der Agenda 2030 gegen den Klimastress

«Wir sind entschlossen, den Planeten vor Schädigung zu schützen, unter anderem durch nachhaltigen Konsum und nachhaltige Produktion, die nachhaltige Bewirtschaftung seiner natürlichen Ressourcen und umgehende Massnahmen gegen den Klimawandel, damit die Erde die Bedürfnisse der heutigen und der kommenden Generationen decken kann.» So bekräftigt es die UN-Generalversammlung in der Resolution 70/1 vom 25. September 2015 «Transformation unserer Welt: die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung».

DER REALITÄT BEGEGNEN

Ziel 13: Umgehend Massnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels und seiner Auswirkungen ergreifen

Zu den Unterzielen

13.1: Die Widerstandskraft und die Anpassungsfähigkeit gegenüber klimabedingten Gefahren und Naturkatastrophen in allen Ländern stärken

13.3: Die Aufklärung und Sensibilisierung sowie die personellen und institutionellen Kapazitäten im Bereich der Abschwächung des Klimawandels, der Klimaanpassung, der Reduzierung der Klimaauswirkungen sowie der Frühwarnung verbessern

13.a: Die Verpflichtung erfüllen, die von den Vertragsparteien des Rahmenübereinkommens der Vereinten Nationen über Klimaänderungen, die entwickelte Länder sind, übernommen wurde, bis 2020 gemeinsam jährlich 100 Milliarden Dollar aus allen Quellen aufzubringen, um den Bedürfnissen der Entwicklungsländer im Kontext sinnvoller Klimaschutzmassnahmen und einer transparenten Umsetzung zu entsprechen, und den Grünen Klimafonds vollständig zu operationalisieren, indem er schnellstmöglich mit den erforderlichen Finanzmitteln ausgestattet wird

13.b: Mechanismen zum Ausbau effektiver Planungs- und Managementkapazitäten im Bereich des Klimawandels in den am wenigsten entwickelten Ländern und kleinen Inselentwicklungsländern fördern, unter anderem mit gezielter Ausrichtung auf Frauen, junge Menschen sowie lokale und marginalisierte Gemeinwesen

Was kann der Tourismus beitragen?

Tourismusunternehmen können einen substanziellen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten. Einerseits, indem sie global über die Bücher gehen in Bezug auf den Anreise- und Zuliefertransport. Andererseits, indem sie vor Ort energieeffizient und umweltschonend bauen und wirtschaften. Beides ist machbar und bringt Mehrwert und eine Zukunft für die Destinationen und die Tourismuswirtschaft.

Während bei Unterkunft, Verpflegung sowie bei Mobilität und Aktivitäten vor Ort schon einiges gemacht wird, lassen die meisten Tourismusunternehmen beim Flugverkehr, dem grössten Emissionsproblem, die Flügel hängen. Dabei ist jede Massnahme wichtig und willkommen, die das Problem der Vielfliegerei entschärft.

  • Reduzieren: Mit einem Effizienzansatz, d.h. weniger Input an Energie und technologische Innovation, spart die Branche langristig Kosten und schont die Umwelt. Das klimabewusste Tourismusunternehmen setzt auf Fluggesellschaften und Flugzeuge mit der grössten Klimaeffizienz bezüglich Treibstoffverbrauch, Fluggeschwindigkeit und Auslastung.
  • Kompensieren: Unternehmen, die (noch) nicht klimaneutral wirtschaften, binden CO2-Kompensationszahlungen in Zusammenarbeit mit einem seriösen Klimakompensationsanbieter systematisch in ihre Angebote ein.

Diese Massnahmen sind notwendig, werden allerdings angesichts des prognostizierten und angestrebten Wachstums nicht genügen, um die Klimaziele zu erreichen und die Tourismuswirtschaft dynamisch zu erhalten

  • Verändern:
    Innovative Unternehmen bereiten sich in Strategie, Produktgestaltung und Marketing auf eine kohlenstoffarme Tourismuswirtschaft und die CO2-Bepreisung vor.
    Sie unterstützen internationale Regelungen zur Eindämmung der Vielfliegerei und zur einer anderen Transportarten vergleichbaren Bepreisung der tatsächlichen Flugkosten, statt sie zu torpedieren.
    Sie entwickelnd und vermarkten Kurzstreckenangebote, welche mit Bahn oder Bus erreichbar sind. Dafür verstärken sie den Dialog und die Zusammenarbeit mit den entsprechenden Transportanbietern.
  • Kommunizieren und Verkaufen:
    ReiseveranstalterInnen schulen ihre MitarbeiterInnen, damit eine kompetente Information und Beratung der KundInnen über die Nachhaltigkeit und Qualität ihrer Angebote gewährleistet ist.

Zum Beispiel: Auf dem Weg zu einem emissionsfreien Hotel

Das Hotel Victoria in Freiburg, ein Stadthotel mit 65 Zimmern benötigte 2016 270.000 kWh Strom und 430.000 kWh Wärme. Das entspricht 30 kWh Energie pro Gastnacht. Um ein emissionsfreies Hotel zu werden, investierte es in:

  • Wärmedämmung
  • Austausch der Heizungsanlage von Öl zu Holzpellets aus einem lokalen Sägewerk
  • Geothermisches Kühlsystem für die Klimatisierung
  • Installation von erneuerbaren Energiequellen: 30 kWp Photovoltaikzellen auf dem Dach sowie 30 m2 Sonnenkollektoren
  • Mitinhaberschaft an einer Windkraftanlage
  • Einkauf des Stroms, den das Hotel nicht selbst produzieren kann, bei einem lokalen Stromversorger mit 100 % erneuerbarer Energie im Portfolio.

Zur Umwelterklärung 2018

Zum Beispiel: Zusammenarbeit mit Kompensationsanbietern

Mit der Kampagne «Cause We Care» mobilisieren die Stiftung myclimate und Tourismusunternehmen Gelder für den Klimaschutz und für nachhaltiges Wirtschaften. Das Programm funktioniert so: Gäste zahlen einen Mehrpreis auf Produkt und Leistung. Der Leistungsträger verdoppelt den Beitrag. Die so generierten Mittel werden zur Klimakompensation und für lokale Nachhaltigkeitsmassnahmen verwendet. Das Potenzial liegt in der Vernetzung und gemeinsamen Kommunikation der Anbieter und der Partizipation der KundInnen.

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Zum Beispiel: Beratung für umweltschonende Mobilität

Im Beratungsgespräch und im Online-Vertrieb nutzen immer mehr Reiseanbieter ihre Kompetenz und die technischen Möglichkeiten, um KundInnen über die umweltschädigende Wirkung von Transporten zu informieren und umweltschonende Anreisemöglichkeiten anzubieten. Dazu gehören Alternativen zum Flug (ÖV, Bahn, Bus), Direktflüge, klimaeffiziente Fluggesellschaften und Flugzeuge.

Ein Beispiel für praktikable und überprüfbare Kriterien zur Förderung einer umweltschonenden Mobilität und transparente KundInneninformation bietet der aktualisierte Kriterienkatalog des „forum anders reisen“, dem Unternehmens- und Wirtschaftsverband kleiner und mittelständischer Reiseveranstalter in Deutschland.

Zum Kriterienkatalog

Was KundInnen erwarten (dürfen) und wie AnbieterInnen sie überzeugen, sich bei der Anreise und bei der Fortbewegung in der Destination möglichst emissionsarm fortzubewegen, darauf antwortet der „Essential Guide to Marketing and Communicating Sustainable Tourism” von travindy.

Zum Guide

FRAUEN IN ENTSCHEIDPOSITIONEN AUCH IN TOURISMUSBEHÖRDEN UND -UNTERNEHMEN

Ziel 5: Geschlechtergleichstellung erreichen und alle Frauen und Mädchen zur Selbstbestimmung befähigen

Zu den Unterzielen

5.1: Alle Formen der Diskriminierung von Frauen und Mädchen überall auf der Welt beenden

5.5: Die volle und wirksame Teilhabe von Frauen und ihre Chancengleichheit bei der Übernahme von Führungsrollen auf allen Ebenen der Entscheidungsfindung im politischen, wirtschaftlichen und öffentlichen Leben sicherstellen

Was kann der Tourismus beitragen?

Tourismus bietet Frauen neue Einkommensmöglichkeiten. Aber gleichzeitig zerstört die Klimaerwärmung traditionelle Erwerbsmöglichkeiten, wenn etwa Wetterextreme Böden unbrauchbar machen oder der steigende Meeresspiegel zur Migration zwingt. Ein verantwortliches Tourismusunternehmen erhebt Kennzahlen zur Wirkung seiner Tätigkeiten auf Umwelt und Gesellschaft. Die Erhebung von Kennwerten zur Wirkung von Tätigkeiten auf die Frauen der Mitarbeiterschaft und der Lokalbevölkerung sind dabei wichtig. Dabei gilt es mit den Betroffenen direkt zu sprechen. Nur so lassen sich Massnahmen zur Förderung von Frauen ableiten, die auch tatsächlich etwas verändern. Viele Unternehmen schaffen die zur Begrenzung des Klimawandels nötigen Veränderungen nicht, weil sie zu sehr auf «Business as usual» setzen. Mehr Diversität in den Führungsetagen bringt frischen Wind und Innovationskraft. Bisher sind Frauen in den Führungsetagen und Verwaltungsräten krass untervertreten. Tourismusunternehmen, die gezielt Frauen in ihrer Karriereentwicklung fördern, können hier die Weichen besser stellen. Mehr Frauen in Leitungspositionen vertreten zu haben, führt auch zu einer besseren Vernetzung und Lobby bei internationalen Klimaverhandlungen.

Zum Beispiel: Frauen an den Verhandlungstisch

Alisi Rabukawaqa-Nacewa ist Meeresbiologin. Vor der UN-Klimakonferenz in Bonn 2017 nahm sie an einem Workshop teil, um sich auszutauschen, die Mechanismen internationaler Foren kennenzulernen und sich in Verhandlungstaktik zu üben. Wie kommen Frauen, ihr Wissen und ihre Erfahrungen, ihre Lösungsvorschläge in die internationalen Foren, wo Weichen gestellt werden? Die Frage drängt sich nicht nur ihr auf.

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Klimaschutz und Bewahrung von Biodiversität gehören zusammen

Der Schutz und die nachhaltige Nutzung der Weltmeere und der Landökosysteme und der Schutz des Klimas müssen sich gegenseitig begünstigen. In den Klimadebatten werden sie noch zu häufig auseinanderdividiert.  Versteppung und Wüstenbildung, Verschmutzung und Überfischung der Meere entziehen immer mehr Menschen, vor allem im globalen Süden, die Existenzgrundlage. Intakte Ökosysteme sind eine Voraussetzung, um den Herausforderungen des Klimawandels zu begegnen – und um  Armut und Hunger überall auf der Welt zu beseitigen (Ziel 1 und 2) und allen Menschen ein gesundes Leben zu ermöglichen (Ziel 3). Ferienträume – Lebensräume?