Das Projekt Uravu wurde 1996 ins Leben gerufen, um der Bevölkerung im abgelegenen Dorf Thrikaipetta im südindischen Bundesstaat Kerala ein besseres Leben zu ermöglichen, die ländliche Entwicklung zu fördern und umweltfreundliche Techniken und Geschäfte rund um den Bambus zu entwickeln. Das abgelegene Dorf ist heute für seine Expertise im Bereich Bambus bekannt und wird weltweit als Bambusdorf identifiziert. Im Zentrum standen von Beginn weg die enge Partizipation der Gemeindemitglieder sowie die Zusammenarbeit mit Regierung und Unternehmen.
«Uravu Bamboo Grove» ist das Tourismusprojekt in der Reihe der kleinen Unternehmen und Kollektive, die in Thrikaipetta arbeiten. Ein enthusiastisches Team internationaler und lokaler ExpertInnen in Architektur, Design, Ingenieurwesen, Wasser- und Energiemanagement, Tourismus und Kunsthandwerk begleitet das Projekt. Im Dorf ist es gut verankert. Die BewohnerInnen bestimmen über die Entwicklung mit und profitieren davon.

Wir arbeiten im Uravu-Tourismusprojekt

Im Mai 2018 wurde Uravu Bamboo Grove mit dem CIPRA Solidaritätspreis ausgezeichnet. Die Jury beeindruckte die Einbindung der lokalen Bevölkerung, das innovative Design und die Umweltgerechtigkeit des Projekts. Der Tourismusbereich verschafft heute mehr als dreissig Familien ein Einkommen. Fünf Prozent der Einnahmen gehen an einen Dorfentwicklungs-Fonds, der für kulturelle Aktivitäten und Ausbildung verwendet wird. MitarbeiterInnen stellen sich vor und berichten über ihre Arbeit.

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Partizipation und Empowerment in der Agenda 2030

Die Agenda 2030 will «niemanden zurücklassen» und «diejenigen zuerst erreichen, die am weitesten zurückliegen».

In der Einleitung der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung (UN Res 70/1) bekräftigt die UN-Generalversammlung: «Wir verpflichten uns, auf dieser grossen gemeinsamen Reise, die wir heute antreten, niemanden zurückzulassen. Im Bewusstsein der grundlegenden Bedeutung der Würde des Menschen ist es unser Wunsch, dass alle Ziele und Zielvorgaben für alle Nationen und Völker und  für alle Teile der Gesellschaft erfüllt werden, und wir werden uns bemühen, diejenigen zuerst zu erreichen, die am weitesten zurückliegen.»

Damit betont die Agenda den universalen Respekt für Gleichheit und Nicht-Diskriminierung und untermauert ihn mit dem Ziel 10 zur Verringerung von Ungleichheiten.

TEILHABE AN ENTWICKLUNG FÖRDERN

Ziel 10: Ungleichheit innerhalb von und zwischen Staaten verringern

Zu den Unterzielen

10.1: Bis 2030 nach und nach ein über dem nationalen Durchschnitt liegendes Einkommenswachstum der ärmsten 40 Prozent der Bevölkerung erreichen und aufrechterhalten

10.2: Bis 2030 alle Menschen unabhängig von Alter, Geschlecht, Behinderung, Rasse, Ethnizität, Herkunft, Religion oder wirtschaftlichem oder sonstigem Status zu Selbstbestimmung befähigen und ihre soziale, wirtschaftliche und politische Inklusion fördern

10.3: Chancengleichheit gewährleisten und Ungleichheit der Ergebnisse reduzieren, namentlich durch die Abschaffung diskriminierender Gesetze, Politiken und Praktiken und die Förderung geeigneter gesetzgeberischer, politischer und sonstiger Massnahmen in dieser Hinsicht

10.4: Politische Massnahmen beschliessen, insbesondere fiskalische, lohnpolitische und den Sozialschutz betreffende Massnahmen, und schrittweise grössere Gleichheit erzielen

10.5: Die Regulierung und Überwachung der globalen Finanzmärkte und -institutionen verbessern und die Anwendung der einschlägigen Vorschriften verstärken

10.6: Eine bessere Vertretung und verstärkte Mitsprache der Entwicklungsländer bei der Entscheidungsfindung in den globalen internationalen Wirtschafts- und Finanzinstitutionen sicherstellen, um die Wirksamkeit, Glaubwürdigkeit, Rechenschaftslegung und Legitimation dieser Institutionen zu erhöhen

10.7: Eine geordnete, sichere, reguläre und verantwortungsvolle Migration und Mobilität von Menschen erleichtern, unter anderem durch die Anwendung einer planvollen und gut gesteuerten Migrationspolitik

10.a: Den Grundsatz der besonderen und differenzierten Behandlung der Entwicklungsländer, insbesondere der am wenigsten entwickelten Länder, im Einklang mit den Übereinkünften der Welthandelsorganisation anwenden

10.b: Öffentliche Entwicklungshilfe und Finanzströme einschliesslich ausländischer Direktinvestitionen in die Staaten fördern, in denen der Bedarf am grössten ist, insbesondere in die am wenigsten entwickelten Länder, die afrikanischen Länder, die kleinen Inselentwicklungsländer und die Binnenentwicklungsländer, im Einklang mit ihren jeweiligen nationalen Plänen und Programmen

10.c: Bis 2030 die Transaktionskosten für Heimatüberweisungen von Migranten auf weniger als 3 Prozent senken und Überweisungskorridore mit Kosten von über 5 Prozent beseitigen

Was kann der Tourismus beitragen?

InvestorInnen und Tourismusunternehmen tragen mit einer auf Nachhaltigkeit ausgerichteten Destinationsentwicklung dazu bei, lokale Systeme zu stärken. Dies heisst nicht nur, den Infrastrukturausbau zu fördern, sondern auch die Qualifizierung der Unternehmen, der Ausbildungsinstitutionen vor Ort und der ArbeitnehmerInnen.

Kriterien:

  • Lokale Wertschöpfung fördern
  • Lokale Infrastruktur stärken
  • Community Development vorantreiben
  • Menschenwürdige Arbeit schaffen
  • Commitment, Reglemente und Regulierungen gegen Steuervermeidung

Zum Beispiel: TourCert

TourCert, die gemeinnützige Gesellschaft für Zertifizierung im Tourismus, vergibt das TourCert-Siegel für CSR in Tourismusunternehmen. CSR bedeutet Corporate Social Responsibility und beschreibt die Verantwortung der Unternehmen für ihre Auswirkungen auf die Gesellschaft. Dafür hat TourCert strenge Kriterien entwickelt, basierend auf internationalen Qualitäts- und Umweltmanagementstandards. Mit der TourCert-Zertifizierung werden Management-, Berichts-, und Leistungsanforderungen im Bereich CSR an die Unternehmen gestellt, deren Einhaltung regelmässig von unabhängigen GutachterInnen überprüft wird. Der TourCert-Kriterienkatalog für Reiseveranstalter ist offiziell vom Globalen Rat für Nachhaltige Entwicklung (GSTC) anerkannt.

ZUR KONFLIKTPRÄVENTION BEITRAGEN

Ziel 16:  Friedliche und inklusive Gesellschaften für eine nachhaltige Entwicklung fördern, allen Menschen Zugang zur Justiz ermöglichen und leistungsfähige, rechenschaftspflichtige und inklusive Institutionen auf allen Ebenen aufbauen

Zu den Unterzielen

16.1: Alle Formen der Gewalt und die gewaltbedingte Sterblichkeit überall deutlich verringern

16.2: Missbrauch und Ausbeutung von Kindern, den Kinderhandel, Folter und alle Formen von Gewalt gegen Kinder beenden

16.3: Die Rechtsstaatlichkeit auf nationaler und internationaler Ebene fördern und den gleichberechtigten Zugang aller zur Justiz gewährleisten

16.4: Bis 2030 illegale Finanz- und Waffenströme deutlich verringern, die Wiedererlangung und Rückgabe gestohlener Vermögenswerte verstärken und alle Formen der organisierten Kriminalität bekämpfen

16.5: Korruption und Bestechung in allen ihren Formen erheblich reduzieren

16.6: Leistungsfähige, rechenschaftspflichtige und transparente Institutionen auf allen Ebenen aufbauen

16.7: Dafür sorgen, dass die Entscheidungsfindung auf allen Ebenen bedarfsorientiert, inklusiv, partizipatorisch und repräsentativ ist

16.8: Die Teilhabe der Entwicklungsländer an den globalen Lenkungsinstitutionen erweitern und verstärken

Was kann der Tourismus beitragen?

In Konflikt- oder Post-Konflikt-Situationen haben Unternehmen eine besondere menschenrechtliche Sorgfaltspflicht. Mit ihren Investitionen und Marktinterventionen und der Wahl der Geschäftspartner beeinflussen sie politische und gesellschaftliche Entwicklungen. Im schlimmsten Fall verschärfen sie mit ihren Aktivitäten Konfliktlinien, im besten werden sie zu Akteuren der Konflikttransformation.

Eine weitere Herausforderung besteht darin, in einem gewaltbestimmten Umfeld die Menschen- und Kinderrechte in der eigenen unternehmerischen Tätigkeit zu achten.

In fragilen Staaten, in denen die Bevölkerung unter Gewalt Korruption und politischer Willkür leidet, aber der Zugang zu Sicherheit und Rechtsstaatlichkeit nicht gewährleistet ist, müssen Unternehmen mit eigenen gut zugänglichen Beschwerdemechanismen Abhilfe schaffen.

Vor jeder touristischen Geschäftstätigkeit in einem Konflikt- oder Post-Konflikt Gebiet bedarf es einer sorgfältigen Analyse sowohl des Konflikts wie der aktuellen Situation.

Die Orientierungshilfe für Produkt- und Kommunikationsverantwortliche «Tourismus in fragilen Kontexten» des «Roundtable Human Rights in Tourism» liefert eine Zusammenstellung der wichtigen Fragen für den Destinationscheck.

Zum Beispiel: Foren der Bereisten

Seit 1998 veranstaltet Studiosus sogenannte «Foren der Bereisten» in Orten bzw. Regionen, die entweder touristisch bereits stark erschlossen sind oder erst am Anfang der touristischen Entwicklung stehen. Im gemeinsamen Gespräch mit den Bewohnern vor Ort sollen Möglichkeiten zur Verbesserung der touristischen Situation und zur Gestaltung eines nachhaltigen Tourismus gefunden werden. Der Dialog mit den Menschen in den Zielgebieten hilft Studiosus, seine Vorstellung eines sozial verantwortlichen und umweltschonenden Tourismus zu verwirklichen und dabei die Interessen und Rechte «der gastgebenden Bevölkerung» zu wahren. Zu den Foren lädt Studiosus alle relevanten Stakeholder ein. Je nach Thema können dies zum Beispiel Hoteliers, Vertreterinnen von Tourismus- und Naturschutzbehörden, Gemeindevertreter, Geistliche, Lehrerinnen, Fischer und Händlerinnen sein. Gerade in fragilen Kontexten können so Konflikte noch vor einer Eskalierung erkannt und gelöst werden.

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PARTNERSCHAFTLICH FINANZIEREN

Ziel 17: Umsetzungsmittel stärken und die Globale Partnerschaft für nachhaltige Entwicklung mit neuem Leben erfüllen

Zu den Unterzielen

Ziel 17 befasst sich mit der Finanzierung und Umsetzung der nachhaltigen Entwicklungsziele und ist in folgende Kapitel aufgegliedert: Finanzierung, Technologie, Kapazitätsaufbau, Multi-Akteur-Partnerschaften sowie Daten, Überwachung und Rechenschaft. Im Folgenden die Abschnitte, die für privatwirtschaftliche Akteure der Tourismuswirtschaft direkt relevant sind:

Multi-Akteur-Partnerschaften

Die Globale Partnerschaft für nachhaltige Entwicklung ausbauen, ergänzt durch Multi-Akteur-Partnerschaften zur Mobilisierung und zum Austausch von Wissen, Fachkenntnissen, Technologie und finanziellen Ressourcen, um die Erreichung der Ziele für nachhaltige Entwicklung in allen Ländern und insbesondere in den Entwicklungsländern zu unterstützen
Die Bildung wirksamer öffentlicher, öffentlich-privater und zivilgesellschaftlicher Partnerschaften aufbauend auf den Erfahrungen und Mittelbeschaffungsstrategien bestehender Partnerschaften unterstützen und fördern.

Umsetzungsmittel und die Globale Partnerschaft

67. Privatwirtschaftliche Aktivitäten, Investitionen und Innovation sind wichtige Motoren der Produktivität, eines inklusiven Wirtschaftswachstums und der Schaffung von Arbeitsplätzen. Wir anerkennen die Vielfalt des Privatsektors, von Kleinstunternehmen über Genossenschaften bis zu multinationalen Unternehmen. Wir fordern alle Unternehmen auf, ihre Kreativität und Innovationsstärke zugunsten der Lösung der Herausforderungen im Bereich der nachhaltigen Entwicklung einzusetzen. Wir werden einen dynamischen und gut funktionierenden Unternehmenssektor fördern und dabei die Arbeitsrechte schützen und die Einhaltung der Umwelt- und Gesundheitsstandards im Einklang mit den einschlägigen internationalen Normen und Übereinkünften und anderen in dieser Hinsicht laufenden Initiativen gewährleisten, wie etwa den Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte und den Arbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation, dem Übereinkommen über die Rechte des Kindes und den wichtigen multilateralen Umweltübereinkünften, für diejenigen, die Vertragsparteien dieser Übereinkünfte sind.

(UNO-Resolution 70/1 «Transformation unserer Welt: die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung»)

Was kann der Tourismus beitragen?

Tourismusunternehmen, die zur Realisierung der globalen Entwicklungsziele beitragen wollen, bringen nicht nur das eigene Unternehmen auf Kurs; sie machen auch finanzielle und personelle Ressourcen frei für  Zusammenarbeit

  • mit den für die Umsetzung zuständigen Behörden der UN – etwa der UNESCO für den Erhalt des Weltnatur- und Kulturerbes oder der Umweltschutzorganisation UNEP der Vereinten Nationen beim Global Sustainable Tourism Council
  • mit den Regierungen etwa bei der Umsetzung von Nachhaltigkeitszielen im Rahmen von Tourismus-Masterplänen, wie zum Beispiel in Burma.
  • auf Augenhöhe mit Lokalbehörden, lokalen KMU und Organisationen der Zivilbevölkerung etwa im Rahmen einer Destination Management Organisation (DMO), mit der die Stärken der Einzelnen zum Wohle aller und zur nachhaltigen Entwicklung verbunden werden können.
  • in Fachgremien wie dem Roundtable Human Rights in Tourism zur Erarbeitung von praxisnahen Leitlinien und hilfreichen Tools.

Zum Beispiel: Von Flores zu den «neuen Balis»

Swisscontact setzte in Indonesien seit 2010 das Projekt WISATA des Schweizerischen Staatssekretariats für Wirtschaft SECO um. Das Ziel war, zuerst eine, später vier Tourismusdestinationen weiterzuentwickeln, und damit die Basis für mehr Arbeitsplätze und bessere Einkommensmöglichkeiten zu schaffen. Ruedi Nuetzi hat das Projekt seit Anfang geleitet und im Sommer 2018 abgeschlossen.

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