„TourCert ist eine wichtige Qualifizierung für die Nachhaltigkeit“
Basel, 08.04.2011, akte/
Kuoni Schweiz war – zusammen mit dem Studien- und Erlebnisreiseveranstalter Gebeco, einem Mitglied der "World of TUI" – der erste grosse Reiseanbieter, der sich nach dem TourCert verfahren hat prüfen und zertifizieren lassen. Welche Pionierarbeit hat Kuoni dafür leisten müssen?
Es war das erste Mal, dass wir die ganze Organisation nicht nur nach einem bestimmten Aspekt – wie etwa beim Managementsystem ISO 14000 die Umwelt oder beim internationalen Standard SA 8000 die Arbeitsbedingungen – sondern in umfassender Weise bezüglich ihrer Nachhaltigkeit haben durchleuchten lassen. Dabei geht es um soziale Kriterien ebenso wie um die Umwelt, und es wird nicht nur der Konzern selbst, sondern auch die ganze Wertschöpfungskette analysiert. Es war ein ganzes Stück Arbeit, die dafür nötigen Daten zu erheben.
TourCert hat bisher ja nur die Klein- und Kleinstveranstalter des Forums anders reisen zertifiziert. War das Verfahren in der vorliegenden Form überhaupt anwendbar?
In Bezug auf die Datenerhebung sind sowohl TourCert wie wir bisweilen an Grenzen gestossen. TourCert bietet ja das Online-Tool Avanti mit Erhebungslisten an. Das konnten wir beispielsweise beim Kundencheck gut nutzen, aber beim Unterkunftscheck beschlossen wir, auf unser Travelife-Sytem zurückzugreifen, weil der Avanti-Unterkunftscheck für uns nicht anwendbar war. Wir werden nun in einer nächsten Phase mit TourCert zusammen den Prozess analysieren und unsere Erfahrungen einbringen.
Wie habt ihr das Auditing erlebt?
Gewisse Kinderkrankheiten mussten überwunden werden. Wenn wir zum Beispiel eine Umfrage an 700 Leute schicken, muss sie funktionieren, die Leute müssen sich einloggen können usw. Es war für den Zertifizierer, der bisher die kleinen und Kleinstunternehmen von Forum anders reisen begutachtet hat, sicher eine grosse Aufgabe, jetzt mit Kuoni Schweiz erstmals ein Unternehmen mit 1’500 Mitarbeitenden zu zertifizieren. TourCert musste sich einarbeiten, wie das Grossunternehmen Kuoni funktioniert, und wir lernten die Bedürfnisse der kleinen Unternehmen besser kennen. Die Begleitung durch TourCert war aber ausserordentlich gut und konstruktiv.
Wie war die Akzeptanz im Konzern?
Grundsätzlich positiv. Es wurde dort schwierig, wo sich das System nicht 1:1 auf einen grossen Reiseveranstalter übertragen liess. Etwa wenn Gruppenreisen abgefragt werden, wir aber hauptsächlich Intervallreisen anbieten. Dann kamen halt Bemerkungen wie "das ist gar nicht auf uns anwendbar!", oder "das trifft auf uns gar nicht zu!" Alles in allem wurde TourCert aber positiv aufgenommen.
Wie aussagekräftig sind die erhobenen Kennzahlen für das Benchmarking?
Der Vergleich mit kleineren Anbietern ist für uns natürlich nur bedingt aussagekräftig, da wir ein komplett anderes Businessmodell haben. Sie sind aber einmal sehr wichtig für ein Kuoni-internes Benchmarking und eignen sich auch für einen Benchmarking-Vergleich mit anderen Grossveranstaltern. Wir werden das TourCert-Verfahren innerhalb des Konzernes sicher weiter nutzen für einen internen Vergleich. Denkbar wäre es, Tochtergesellschaften wie Manta Reisen oder Frantour zu zertifizieren, oder Kuoni Schweden oder Frankreich. Wir müssen auf Konzernebene noch genau besprechen, wie weit wir das ausrollen wollen.
TUI gibt in seinem Nachhaltigkeitsbericht den Wasserverbrauch pro Tag und Gast an. In eurem TourCert-Report fehlt eine solche Angabe. Wieso?
Zum einen wird diese Zahl im TourCert-Verfahren nicht explizit abgefragt, sondern über den Unterkunftscheck ermittelt. TUI kann diese Zahl einfacher ermitteln, weil sie Besitzerin vieler Hotels ist. Bei denen, die sie unter Vertrag nehmen, ist das auch schwieriger. Wir konnten den Unterkunftscheck nicht mit dem Avanti-Eingabesystem von TourCert machen, sondern haben unser Travelife-System genutzt. Dort sind die Angaben zum Wasserverbrauch noch nicht quantitativ erfasst. Das ist erst für die nächste Weiterentwicklung von Travelife vorgesehen.
Wurde also für Kuoni ein TourCert-Verfahren in einer Lightvariante entwickelt?
Auf keinen Fall! Wir haben uns an die Kriterien von TourCert gehalten. Jede Änderung, die aufgrund unserer Konzernstruktur nötig war, haben wir genau mit dem Zertifizierungsrat abgesprochen und von ihm absegnen lassen.
Travelife, Fair Trade Reisen, TourCert: Kuoni ist auf verschiedenen Ebenen für die Nachhaltigkeit aktiv. Wie ergänzen sich die verschiedenen Ansätze?
Travelife dient dazu, die Hotels auf die Einhaltung unserer Nachhaltigkeitskriterien entlang der Dienstleistungskette zu überprüfen. Fair Trade Reisen zeichnen eine bestimmte Wertschöpfungskette aus, die nach Fairhandels-Kriterien zertifiziert worden ist. TourCert ist das umfassendste System, weil es den ganzen Konzern selbst in den Fokus nimmt, die Managementstruktur am Hauptsitz, die Wertschöpfungskette und einen Grossteil seiner Produkte. Es ist gibt das umfassendste Bild der Nachhaltigkeitsperformance.
Was bringt euch das?
Es ist wichtig für die Glaubwürdigkeit. Wenn wir uns im Markt der Nachhaltigkeit positionieren wollen mit unserem Ananea-Katalog und den Fair Trade Reisen, so unterstreicht die Zertifizierung unsere Glaubwürdigkeit und schafft Transparenz für die Kundschaft. TourCert zeigt, wie die Nachhaltigkeit im Unternehmen verankert ist, weist aber auch auf Schwachpunkte hin. Uns hilft das sehr bei der Qualifizierung unseres Unternehmens für die Nachhaltigkeit und deren weitere Integration in die Kernprozesse.
Ist Kuoni best practice unter den grossen Veranstaltern?
Ich würde sagen ja. Gleichzeitig begrüsse ich es, wenn es zu einem positiven Wettbewerb unter den grossen Veranstaltern kommt.
Was heisst das: Ist Kuoni ein nachhaltiges Unternehmen?
Einen nachhaltigen Tourismus und vor allem Massentourismus wird es wohl nie geben, insofern sind wir auch nicht ein nachhaltiger Reisekonzern. Wir versuchen die negativen Wirkungen des Tourismus zu minimieren und die positiven zu stärken. Tourismus kann nachhaltiger oder weniger nachhaltig sein. Wir sehen uns als eines der Reiseunternehmen, das nachhaltiger als andere wirtschaftet.