Die Idee ist einfach und einleuchtend: Ägyptische Hoteliers zahlen 2 US Dollar pro Übernachtung und Gast in ihrem Haus in einen Fonds. Der Fonds dient zur Errichtung von sozialen Einrichtungen, Schulen, Gesundheitszentren, Kehrichtentsorgung etc., die der ägyptischen Bevölkerung zugute kommen und jeweils unter Einbezug der Dorfverwaltung und religiösen Oberheit umgesetzt werden. "Mit den Geldern des Fonds können innert der nächsten vier Jahre die Trinkwasserprobleme des Landes gelöst werden", errechnet der Initiator des
Projektes "Tourism against Misery" und Präsident der Hoteliervereinigung Luxor und Assuan, Moustafa El Gendy, der sich bereits seit vielen Jahren in karitativen Projekten engagiert. Mit einer speziell gegründeten Vereinigung wirbt der Hotelier bei seinen ägyptischen Kollegen für die Idee. Die Hoteliers müssen sich verpflichten, die Abgabe ihrer Marge zu entnehmen und weder auf die Kundschaft noch auf die Angestellten abzuwälzen. Dafür erhalten sie das Label
"Tourism against Misery", das sie für ihr soziales Engagement auszeichnet. Die Zertifizierung wird von einer unabhängigen Kontrollstelle überprüft, die das Label wieder entziehen kann und die den Fonds verwaltet. Auch die TouristInnen können sich engagieren, indem sie eine "Charte du voyageur", eine Selbstverpflichtung unterzeichnen, die sie zu ethischem Verhalten unterwegs und zur Nutzung der mit dem Label ausgezeichneten Beherbergungsstrukturen anhält. Nebst dem guten Gewissen können die Hoteliers von ihrer Teilnahme also auch einen gewissen PR-Effekt erwarten. Nicht nur Hotels sondern sämtliche Unternehmen der Tourismusbranche, die in
Ägypten Geld verdienen, sind aufgefordert, in das Projekt einzusteigen, das insgesamt das Image der ägyptischen Tourismusindustrie aufbessern soll, hiess es an der offiziellen Vorstellung von "Tourism against Misery" anfangs März in Paris. Moustafa El Gendy hofft, die Initiative werde auch von anderen Ländern wie Südafrika, Indien oder Brasilien aufgenommen, die mit ähnlichen
Problemen wie Ägypten zu kämpfen haben. Auftrieb erhielt die Realisierung des seit längerem ausgeheckten Vorhabens durch das Massaker an TouristInnnen vom vergangenen November in Luxor. Da fand El Gendys Überlegung plötzlich Resonanz: genährt werde nämlich der Terrorismus, der sich die Reisenden zur Zielscheibe nehme, durch die Armut, deshalb müsse sich die Tourismusindustrie ganz direkt in der Bekämfung der Armut engagieren, weil da der Staat versagt habe. Der Segen aus dem Tourismus verteilt sich offenbar schlecht im Land – eine bittere Erkenntnis für die Verfechter der Entwicklungsperspektive Tourismus! Dass der ägpytische Staat in seiner Funktionsweise Probleme hat, ist unbestritten. Für Entwicklungsaufgaben fehlt der Regierung aber vielleicht einfach auch das Geld, das die grossen Hotels im Rahmen der attraktiven Investitionsanreize – Steuerfreiheit bis zu zehn Jahren, Recht auf freien Rücktransfer der Gewinne, zollfreie Einfuhr von Importgütern etc. – dem Staat eben nicht bezahlen müssen. Oder das Geld – über 10 Millionen US Dollar -, das die staatliche ägyptische Fremdenverkehrswerbung zur Zeit im Ausland aufwendet, um den Tourismus wieder in Schwung zu bringen – und den Hoteliers ihre Betten wieder zu füllen. So scheint die löbliche Idee, dass Hoteliers aus ihren Margen in Entwicklungsvorhaben investieren, nur folgerichtig.

TTG Europa/ITB Daily, 8.3.98; Travel World – The Arab Travel Magazine, Vol.9/N°2 ITB Berlin ’98; Dossier zur Pressekonferenz "Tourism against Misery", Paris, 5.3.98; Schweizer Touristik 18.2.98; Recherchen des AkT&E/cp