
Tourismus – alles was Recht ist! Für einen Menschenrechtsansatz im Tourismus – auch in der Schweiz
Basel, 28.02.2011, akte/ Jeder Mensch hat das Recht auf uneingeschränkte Verwirklichung seiner fundamentalen Menschenrechte, die ein Leben in Würde ermöglichen. Mit den Menschenrechtserklärungen und -abkommen der Vereinten Nationen hat sich die internationale Gemeinschaft einen Rahmen vorgegeben, der auf nationalstaatlicher Ebene und in internationalen Kooperationen umzusetzen ist.
Mehr als 60 Jahre nach der Annahme der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte ist es höchste Zeit, die Menschenrechte auch als zentrale Rahmenbedingungen für eine nachhaltige Entwicklung des Tourismus anzuerkennen.
Tourismus gehört zu den bedeutendsten Wirtschaftszweigen und Arbeitgebern der Welt und kann zweifellos zur Einhaltung und Umsetzung der Menschenrechte beitragen. Millionen von Reisenden verwirklichen Jahr für Jahr im Tourismus ihr Recht auf Erholung. Die grundlegenden Rechte der Einheimischen in den Tourismusgebieten auf ein Leben in Würde und auf Entwicklung hingegen sind keineswegs gewährleistet. Der Tourismus prosperiert auffällig häufig dort, wo die Menschenrechte missachtet werden. Im Namen der Tourismusentwicklung werden Menschen diskriminiert, in ihrer Meinungsäusserung eingeschränkt und an ihrer gerechten Beteiligung an Entscheiden zum Tourismus und an dessen Erträgen gehindert. Bauern- und Fischerfamilien werden enteignet, indigene Gemeinschaften von ihrem Land vertrieben, Tourismusangestellte, Frauen und Kinder ausgebeutet.
Die neue Studie "Alles was Recht ist" zeigt anhand zahlreicher Beispiele auf, wo und wie im Tourismus Menschenrechte verletzt werden – bürgerliche und politische, vor allem aber auch wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte. Kann man da noch hin oder nicht? Das war bislang angesichts von Menschenrechtsverletzungen vornehmlich die Frage, die sich Reisende oder auch einzelne Unternehmen stellten. Der Menschenrechtsansatz im Tourismus geht darüber hinaus, indem er die Frage aufwirft: Was müssen die Beteiligten im Tourismus dazu beitragen, dass die Menschenrechte gewahrt werden?
Nach internationalem Recht ist es Aufgabe des Staates, die Menschenrechte und Freiheiten der BürgerInnen zu achten, wirksam zu schützen und zu gewährleisten. Doch auch die Unternehmen, insbesondere global agierende Konzerne oder Investoren im Tourismus, stehen in der Pflicht, die völkerrechtlich verbindlichen Menschenrechtsvereinbarungen zu respektieren. Ihre Sorgfaltspflicht ("due diligence"), wie sie vom Sonderbeauftragten für Menschenrechte und Unternehmen im UN-Menschenrechtsrat, John Ruggie, umrissen wurde, ist insbesondere auch für ihre Geschäftstätigkeit in Ländern gefordert, wo Regierungen zur Förderung des Tourismus Land, Wasser und weitere kostbare Ressourcen ausverkaufen, ohne die elementaren Rechte der Einheimischen auf Entwicklung zu achten. Unter Berufung auf die Menschenrechtsabkommen müssen Betroffene ihre Rechte wahrnehmen können und Zugang zu Rechtsmitteln haben, um an einschlägiger Stelle Beschwerde- und Gerichtsverfahren einzuleiten. Damit dies effektiv gewährleistet ist, müssen die Regierungen in den Zielgebieten, aber auch in den Ländern, wo global agierende Konzerne und Investorengruppen ihren Firmensitz haben, geeignete Regelungen erlassen. Die Achtung der grundlegenden Menschenrechte wie etwa der Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) für alle Beschäftigten in der Wertschöpfungskette des Tourismus sowie des Rechts auf Entwicklung für die Einheimischen in den Zielgebieten ist integraler Bestandteil der Unternehmensverantwortung und nicht Gegenstand von freiwilligen Initiativen von Unternehmen zur Einführung von Corporate Social Responsibility (CSR) im Tourismus.
Auch für die Reisenden gilt: Menschenrechte sind Bürgerrechte, aber auch Bürgerpflichten. Mit der gezielten Wahl von Ferienangeboten, die faire Arbeitsbedingungen für die Angestellten, umfassenden Schutz der Umwelt sowie Mitsprache und gerechte Mitbeteiligung der breiten Bevölkerung in der Tourismusdestination sicherstellen, kann jede und jeder Reisende selbst dazu beitragen, dass die Menschenrechte im Tourismus besser respektiert werden.
Forderungen und Empfehlungen für eine menschenrechtlich orientierte Tourismusentwicklung im Überblick
Wir fordern alle Akteure im Tourismus – Verantwortliche aus Politik und Behörden ebenso wie aus Unternehmen und ihren Interessenverbänden, aber auch zivilgesellschaftliche Organisationen sowie die Reisenden – auf, ihren nach dem internationalen Menschenrechtsrahmen bestehenden Pflichten nachzukommen und ihren Teil dazu beizutragen, dass die Menschenrechte der Bevölkerung in den Zielgebieten und die der Beschäftigten in der Tourismusbranche vollumfänglich respektiert, geschützt und gewährleistet werden. Angesichts der mobilitätsbedingten Auswirkungen des Tourismus auf den Klimawandel fordern wir alle
Akteure besonders auch auf, aktiv dazu beizutragen, diese Bedrohungen durch geeignete Klimaschutz- und Anpassungsmassnahmen abzuwenden.
- Die Einhaltung der Menschenrechte im Tourismus muss von den Vereinten Nationen als spezifische Aufgabe anerkannt werden. Insbesondere soll die UN-Welttourismusorganisation (UNWTO) verpflichtet werden, regelmässig zur Lage der Menschenrechte im Tourismus an den UN-Menschenrechtsrat zu berichten.
Forderungen an die Vereinten Nationen im Detail (pdf) - Die Schweizer Regierung soll die Regelungslücken bezüglich Menschenrechtsschutz und Unternehmensverantwortung einschliesslich der touristischen Unternehmen und Investoren schliessen, indem sie Haftungs- und Berichterstattungspflichten für Unternehmen einführt und Betroffenen von Menschenrechtsverletzungen durch Schweizer Unternehmen Zugang zu Beschwerdeverfahren und zu Schweizer Gerichten ermöglicht.
Forderungen an die Schweizer Regierung im Detail (pdf) - Regierungen in den Zielgebieten des Tourismus müssen die erforderlichen Gesetze, Bestimmungen und Planungsvorschriften erlassen und ihre Umsetzung überwachen, um sicherzustellen, dass es im Zuge von Tourismusentwicklungen nicht zu Menschenrechtsverletzungen kommt.
Forderungen an die Regierungen in den Zielgebieten im Detail (pdf) - Es liegt in der Verantwortung von Reiseveranstaltern, die Menschenrechte zu achten und eine Unternehmenspolitik einzuführen, die entlang der gesamten Wertschöpfungskette Menschenrechtsverletzungen verhindert.
Forderungen an die Reiseveranstalter im Detail (pdf) - Nationale und internationale Hotellerie- und Tourismusverbände sollen Anreize und Sanktionen schaffen, damit ihre Mitglieder menschenrechtliche Standards erfüllen und weiterentwickeln.
Forderungen an die Hotellerie- und Tourismusverbände im Detail (pdf) - Investoren sollten unabhängige Sozial-, Umwelt- und Menschenrechtsverträglichkeitsprüfungen durchführen, um negative Auswirkungen ihrer Vorhaben auf die Menschenrechte auszuschliessen, und transparent darüber informieren.
Forderungen an die Investoren im Detail (pdf) - Wo Staaten ihrer Schutzpflicht und Unternehmen ihrer Sorgfaltspflicht bezüglich Menschenrechte nicht nachkommen, müssen Nichtregierungsorganisationen die Einhaltung der Menschenrechte einfordern und – in Abstimmung mit Betroffenen von Menschenrechtsverletzungen – Druck auf die Verantwortlichen machen, damit die Menschenrechte auch effektiv umgesetzt werden.
Forderungen an die Nichtregierungsorganisationen im Detail (pdf) - Reisende dürfen sich nicht zu Komplizen von Menschenrechtsverletzungen machen.
Menschenrechte sind Bürgerrechte, aber auch Bürgerpflichten.
Forderungen an die Reisenden im Detail (pdf)
Lesen Sie die alle Forderungen im Gesamtdokument (pdf)
Die Studie "Alles was Recht ist – Menschenrechte und Tourismus" ist als Download erhältlich (aufs Bild links klicken) oder kann als Broschüre auf der Geschäftsstelle des arbeitskreises tourismus & entwicklung bestellt werden (info@akte.ch)