Wirksame Massnahmen zur Beendigung von Menschenrechtsverletzungen im Tourismus fordert die britische Kampagnenorganisation Tourism Concern in dem kürzlich erschienenen Bericht "Putting Tourism to Rights." Anhand wichtiger Artikel der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und weiterer Erklärungen der Vereinten Nationen deckt der Bericht Verletzungen von Menschenrechten auf, die als direkte Folge des Tourismus auftreten. Dazu gehören Zwangsvertreibungen, um den Weg für touristische Entwicklung zu ebnen – z.B. zur Ausweisung eines Wildreservats in Ghana, zum Bau eines Flughafens in Indonesien oder zur Umwandlung von Agrarflächen in Golfplätze auf den Philippinen. Besonders gefährdet sind indigene Bevölkerungsgruppen oder traditionell lebende Fischer, deren Landrechte oft nicht durch Grundbucheinträge oder Ähnliches abgesichert sind.

Das Menschenrecht auf Wasser wird durch den Tourismus immer wieder verletzt, wenn Hotelanlagen oder andere touristische Projekte den Einheimischen buchstäblich das Wasser abgraben oder diese überlebenswichtige Ressource verschmutzen, wie z.B. in Gambia, Zypern oder Südindien. Auch die Ausbeutung von Angehörigen indigener Völker und ihrer Kulturen als Touristenattraktionen stellen Verletzungen der Menschenrechte dar. Tourism Concern berichtet unter Berufung auf vertrauliche Quellen, wie in Thailand burmesische Kayan-Flüchtlinge vom Volk der Karen von thailändischen Geschäftemachern buchstäblich vermarktet werden. Die Touristen zahlten Eintrittsgelder, um ihre Dörfer zu besuchen. Ihre Ausreise als Flüchtlinge in Drittstaaten werde verzögert oder verhindert.

Die Bezahlung und die Arbeitsbedingungen für Angestellte im Tourismus können so schlecht sein, dass sie Menschenrechtsverletzungen darstellen. Dies gilt nicht selten für die Arbeit der Träger, die auf Bergtouren im Himalaya, in den Anden oder am Kilimandscharo das Gepäck der Touristen schleppen. Diese Arbeit ist in vielen Fällen gesundheitsgefährdend. Die gravierendsten Menschenrechtsverletzungen im Tourismus geschehen durch die sexuelle Ausbeutung von Frauen und Kindern.

Empfehlungen an Reiseveranstalter und Tourismusverbände
Im Tourismus wurden bislang erst wenige sektorweite Handlungskonzepte für gesellschaftliche Unternehmensverantwortung erstellt und Branchenverbände wehren sich nach wie vor gegen eine Regulierung. Leider ist es durch Selbstregulierung bisher nicht gelungen, Menschenrechtsverletzungen durch Unternehmen zu beenden. Dabei hebt der Bericht einfache Schritte hervor, die die Tourismuswirtschaft unternehmen könnte, um den positiven Nutzen des Tourismus für die einheimische Bevölkerung zu erhöhen, Umweltschäden zu begrenzen und gute Arbeitsbedingungen für ihre Mitarbeiter sicherzustellen.

Die Menschenrechte zu respektieren und zu wahren liegt in der zentralen Verantwortung von Unternehmen. Die Vereinten Nationen haben vier Kernpunkte definiert, die Unternehmen im Rahmen ihres Menschenrechtsengagements erfüllen sollen. Dazu gehört, dass Reiseveranstalter erstens ein Handlungskonzept zu Menschenrechtsfragen haben sollten. Zweitens werden sie aufgefordert, die Auswirkungen ihrer Unternehmensaktivitäten in Bezug auf die Menschenrechte zu analysieren und drittens die Erkenntnisse in die Unternehmenskultur und in ihre Managementsysteme einfliessen zu lassen. Darüber hinaus muss viertens erfasst und dargelegt werden, wie erfolgreich sie dabei sind. Tourism Concern fordert Reiseveranstalter und ihre Verbände auf, entsprechende Konzepte zu entwickeln, um diese vier Punkte umzusetzen.

Reiseveranstalter müssen Verantwortung für Menschenrechtsverletzungen übernehmen, die entlang der touristischen Wertschöpfungskette vorkommen, und sie müssen dagegen angehen. Das gilt auch in Fällen, in denen Reiseveranstalter Dritte beschäftigen, die als Mittler die Verträge mit ihren Zulieferern managen. Die Veranstalter sind angehalten, existierende Verhaltenskodizes (z.B. den "Code" zum Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung) umzusetzen, um die negativen Auswirkungen des Tourismus zu verringern und den Nutzen für die einheimische Bevölkerung zu maximieren. Dazu gehören auch Richtlinien, die für spezielle Marktsegmente entwickelt wurden.

Bei Vertragsabschlüssen mit Hotels sollten Veranstalter sich alle verfügbaren Umwelt- und Sozialverträglichkeitsprüfungen zu Nutze machen. Durch Prüfung der Arbeitsbedingungen lässt sich sicherstellen, dass die Rechte der Beschäftigten gewahrt werden. Dazu gehören gesicherte angemessene Löhne, schriftliche Arbeitsverträge, das Recht auf bezahlten Urlaub, Massnahmen zur Arbeitssicherheit, Fortbildungsmöglichkeiten sowie die Organisationsfreiheit.

Veranstalter sollten sich versichern, dass es an den von ihnen gewählten Standorten keine laufenden rechtlichen Auseinandersetzungen um das Eigentum an Grund und Boden gibt. Wichtig wäre zudem, ihren eigenen Mitarbeitern die vollständigen Informationen über die ethischen Aspekte ihrer Unternehmenspolitik zukommen zu lassen. Diese Informationen sollten auch in ihren Katalogen und auf ihren Internetseiten publiziert werden. Schliesslich müssen Reiseveranstalter auch ihre Verantwortung in Bezug auf den Klimawandel anerkennen. Dazu müssen sie mit Regierungen und der Bevölkerung in den Zielgebieten zusammenarbeiten, um sinnvolle Massnahmen zu ergreifen, durch die sich die Auswirkungen des Klimawandels auf Mensch und Umwelt verringern lassen.

Regierungen bleiben in der Pflicht
"Die Tourismuswirtschaft wird sich ihrer gesellschaftlichen und Umweltverantwortung langsam bewusst. Doch es gibt noch immer eine grosse Kluft zwischen Handlungsabsichten und der tatsächlichen Praxis. Positive Massnahmen, die ein Tourismusunternehmen in einem Bereich ergreift, können nicht schlechte Praktiken oder Menschenrechtsverletzungen an anderer Stelle kompensieren", sagt Tricia Barnett, Direktorin von Tourism Concern.

Regierungen kümmern sich allzu oft mehr um das Recht auf wirtschaftliche Entwicklung als um die Rechte einzelner Menschen, insbesondere wenn die fraglichen Personen arm und machtlos sind. Mehr als 60 Jahre nach der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte müssen Regierungen nun erkennen, dass die Menschenrechte ins Zentrum eines jeden wirklich nachhaltigen Ansatzes zur Tourismusentwicklung gerückt werden müssen, heisst es bei Tourism Concern. In Fällen, in denen die Wirtschaft weiterhin nicht in der Lage sei, sich selbst ausreichend zu regulieren, und weiter Menschenrechte verletzt, müssen Regierungen bereit sein zu regulieren.

Putting Tourism to Rights. A challenge to human rights abuses in the tourism industry. Von Tricia Barnett Jenny Eriksson, Rachel Noble und Polly Pattullo, Tourism Concern (Hg.), London, 2009. ISBN 0952856727. 52 Seiten.

Weitere Informationen: www.tourismconcern.org.uk, rachel@tourismconcern.org.uk