In 18 der 49 am wenigsten entwickelten Länder der Welt ist der Tourismus heute der wichtigste oder zweitwichtigste Devisenbringer, halten neue Berichte der Welttourismusorganisation (WTO) und der UN-Welthandels- und Entwicklungskonferenz (UNCTAD) fest. Zwar haben die „Least Developed Countries“ (LDC), die Länder mit dem niedrigsten Pro-Kopf-Einkommen und Entwicklungsniveau (bezüglich Ernährung, Gesundheit und Bildung), nur einen Anteil von 0,8 Prozent am Welttourismus, jedoch verdoppelten sich ihre Einnahmen aus dem Tourismus in nur sechs Jahren auf 2,2 Milliarden US Dollar (1998). Dank dem Tourismus haben sich Kap Verde, die Malediven, Samoa und Vanuatu der Schwelle zur Überwindung des LDC-Status gennähert. Der Tourismus stand denn auch erstmals auf der Tagesordnung der UNO-Konferenz der LDC vom Mai 2001 in Brüssel, wo über 6’500 hochrangige Delegierte aus Regierungen, internationalen Institutionen und Nichtregierungsorganisationen ein umfangreiches Aktionsprogramm für die nächste Dekade verabschiedeten. Mit Entwicklungshilfe, Schuldenerlass, Massnahmen im internationalen Handel und der Förderung von Investitionen sollen die Lebensbedingungen der über 600 Millionen Menschen in den ärmsten Ländern der Welt nun endlich entscheidend verbessert werden. Der Tourismus wird im Aktionsprogramm als besondere Chance der LDC hervorgehoben, ihre Beteiligung an der globalen Wirtschaft zu verbessern. Die Staaten werden aufgefordert, diesen Sektor in ihren nationalen Wirtschaftsstrategien stärker zu berücksichtigen und ein für die Tourismusentwicklung und Investitionen in diesem Bereich förderliches Klima zu schaffen. Die Entwicklungspartner sind ihrerseits aufgefordert, die LDC in ihren Bemühungen um Investitionen und die internationale Wettbewerbsfähigkeit zu unterstützen.
Keinen Widerhall im Aktionsprogramm fanden die warnenden Stimmen, die offenbar auf der Konferenz den Beitrag des Tourismus zur Entwicklung durchaus auch kritisch hinterfragten und neue, griffigere Elemente in die seit bald Jahrzehnten praktisch gleich lautenden Empfehlungen an die Entwicklungländer hätten einbringen können. Allein die Ermahnung der WTO, die an solcher Stelle zu erfolgen pflegt, nach einer umsichtigen Planung für einen „nachhaltigen“ Tourismus hätte schon eine schüchterne Neuerung bedeutet. Völlig ungehört verhallte der auf der Konferenz vorgebrachte Einwand des tansanischen Wirtschaftsministers Iddi Simba, dass viele der ärmsten Länder bereits erheblich in den Tourismus investiert hätten und es vielmehr nun ein Gleichgewicht herzustellen gelte zwischen dem, was in den Gastländern verbleibe, und dem, was in die Herkunftsländer der Touristen zurückfliesse.
In der Tat hält der UNCTAD-Experte David Diaz Benavides im neuesten Bericht der OECD zur Nachhaltigkeit des Internationalen Tourismus fest, dass in kleineren Entwicklungsländern zwischen 40 bis 50 Prozent der Deviseneinnahmen gleich wieder ausgegeben werden für den Betrieb des Tourismus und die Erhaltung seiner Attraktivität. Zumal die Anbieter aus Entwik-klungländern meist über begrenzte Vermarktungskanäle verfügten und von Zwischenhändlern abhängig seien, kämen oft nur gerade noch 25 Prozent dessen, was Reisende für ein Arrangement bezahlt hätten, dem Gastland zugute, errechnet Benavides weiter. Und er klagt ganz direkt die grossen Tourismuskonzerne an, unfairen Wettbewerb zu betreiben, ihre internationale Marktstellung zu nutzen, um Anbieter gegeneinander auszuspielen und die Kosten zu drücken. Je nach Ausmass dieser unfairen Praktiken der führenden Reiseveranstalter würden heute einige Tourismusdestinationen vermutlich die Touristen gar subventionieren, folgert Benavides im OECD-Bericht.
Wie würde wohl ein Aktionsprogramm zu Gunsten der LDC aussehen, für das die Verantwortlichen aus Regierungen und Organisationen die Analysen ihrer eigenen Experten ernst nehmen und ihre Vorschläge beherzigen? /plus

Quellen: Programme of Action for the Least Developed Countries for the Decade 2001-2010, Brussels 20.5.2001 auf: www.un.org/events/ldc3/conference/index.html; Presseerklärung der WTO: Tourism Development Urgend for Poorest Nations, Brussels 17.5.2001, sowie Berichte des vorbereitenden Experten-Treffens von WTO und UNCTAD in Gran Canaria vom März 2001 auf: www.world-tourism.org; OECD: The Sustainability of International Tourism in Developing Countries by David Diaz Benavides, UNCTAD, Berlin 6./7.3.2001; Tourism Watch 6/2001 auf: www.tourism-watch.org;