Tourismuspolitik auf den Balearen: Umweltmassnahmen im Aufwind
Ende September 1999 verabschiedete das im Juni gewählte Parlament der Balearen ein neues Gesetz mit Sofortmassnahmen zur Verschärfung des Baurechts auf den Inseln, das nun trotz heftigem Protest von Seiten des bei den Wahlen im Juni unterlegenen „Partido Popular“ rechtskräftig geworden ist. Weiter will die neue Mehrheit aus Sozialisten, Nationalisten und Grünen im Parlament das noch vor den Wahlen verabschiedete Raumordnungsgesetz gründlich revidieren. Bis dahin sehen die neuen Sofortmassnahmen einen Baustopp in vielen Landwirtschaftsgebieten vor, zudem einen verstärkten Schutz der Naturreservate sowie die Erweiterung der Küstenschutzzone, in der keine festen Gebäude errichtet werden dürfen, auf 500 Meter für Mallorca, Menorca und Ibiza sowie auf 100 Meter für Formentera. Damit zieht die Regierung nicht nur den Unmut aus Tourismus- und Immobilienkreisen auf sich, sondern auch vieler stolzer Eigentümer jüngst erworbener „Fincas“, den Landhäusern auf den Balearen. „Der Immobilienkauf wird zum Monopoly“, lamentiert die deutschsprachige Zeitung „Palma Kurier“ vom 24. September. Zwar seien die Massnahmen gegen die Zersiedelung der Landschaft auf den Balearen notwendig, doch gerieten die Grundstückseigentümer, viele von ihnen Deutsche, in grosse Rechtsunsicherheit bezüglich ihrer als Bauplätze erworbenen Besitze. Mehr noch, der neue Tourismusminister der Balearen, Celesti Alomar, macht auch ernst mit der Umsetzung des bereits 1991 verabschiedeten Modernisierungsgesetzes: Mehr als 100 Hotel- und Appartementanlagen, die bisher keine oder nur einige der Auflagen im Bereich der Sicherheit und sanitären Reformen erfüllt haben, sind von der Schliessung bedroht. Auch die Anlagen, die ohne Genehmigung an Urlaubsgäste vermietet haben, erhalten jetzt zusätzlich zu happigen Bussgeldforderungen den blauen Brief mit der Aufforderung zur sofortigen Schliessung. Die Umweltorganisation „Grup Balear d’Ornitologia i Defensa de la Naturalesa“ (GOB), die sich seit Jahren für die Erhaltung der kostbaren natürlichen Ressourcen auf den Balearen einsetzt und sich besonders auch für eine Trendwende in der Tourismuspolitik stark macht, begrüsst die Massnahmen der neuen Regierung, befürchtet jedoch, dass auch sie nicht ausreichen, um den Touristenboom zu bremsen.
„Unser grösstes Problem, die vordringlichste Aufgabe der neuen Regierung, ist, die Zahl der BesucherInnen zu begrenzen“, sagt Miquel Camps, der Verantwortliche von GOB Menorca. Ihren Schätzungen gemäss verbrachten im laufenden Jahr über eine Million Gäste Urlaub auf Menorca, der kleinen Schwester von Mallorca, die insgesamt rund 65’000 EinwohnerInnen zählt. Der Ansturm sei höchst besorgniserregend für die Insel, die 1993 zum UNESCO-Biosphärenreservat ernannt worden ist und sich seither in vielen Belangen um eine sanfte Entwicklung bemüht. Weil fast alle Gäste ein Mietauto beanspruchen, weise Menorca mittlerweile die alarmierende Dichte von 800 Autos auf 1’000 EinwohnerInnen auf. Zur wirksamen Beschränkung der Besucherzahlen sei ein ganzes Paket von Massnahmen erforderlich, vom Ausbaustopp des Flughafens über Raumordnungs- und Verkehrsplanung bis hin zur Ökosteuer für TouristInnen. Etwas überrascht zeigt sich Miquel Camps von der Nachricht, dass bereits international die Einführung einer Ökosteuer im Tourismus auf Menorca angekündigt worden ist. Das Vorhaben sei erst andiskutiert worden. Auf jeden Fall sei er derselben Meinung wie GOB in Palma de Mallorca, dass eine Ökosteuer im Tourismus klar zweckbestimmt der Erhaltung der Umwelt zukommen und einer breiten sozialen Kontrolle, auch durch universitäre Fachkreise und nichtstaatliche Organisationen, unterstehen müsse. Es wäre keinesfalls akzeptierbar, wenn eine neue Abgabe etwa für Infrastrukturmassnahmen zum Ausbau des Tourismus verwendet werden würde. Im Unterschied zu Mallorca hätten sich allerdings in Menorca Tourismusverantwortliche, insbesondere die Geschäftsleitung der Hoteliervereinigung sowie das Fremdenverkehrsbüro, dem Vorhaben einer Ökosteuer gegenüber sehr aufgeschlossen gezeigt, wie die lokalen Medien im August 1999 in Erfahrung bringen konnten. Als Biosphärenreservat könnte doch Menorca nun die Gelegenheit nutzen, als Pilotregion eine Umweltabgabe im Tourismus einzuführen. Dazu müsste aber, so Miquel Camps weiter, die neue Regierung jetzt konkrete Vorschläge vorlegen, wie die Steuer zu erheben und einzusetzen sei. /plus
Quellen: Diario de Mallorca 17.10.1999; Diario de Menorca 29.9.1999; Palma Kurier 24.9.1999; Pressemeldungen von GOB Mallorca auf http://gob.balears.net vom 29.9., 27.9., 18.9., 16.8.1999; Interview mit Miquel Camps von GOB Menorca vom 29.9.1999; Basler Zeitung vom 28.9.,10.9.1999;
Meldung auf http://ens.lycos.com/ens/aug99/1999L-08-19-01.html; akte-KUNA 2/99; und eigene Recherchen.