Touristen fordern von der Reisebranche mehr Engagement gegen Kindersextourismus
"Reisende wollen, dass sich die Tourismusbranche gegen Kindersextourismus engagiert", sagt Cordula Sanwald, Kommunikationsbeauftragte der Stiftung Kinderschutz Schweiz. Das zeigt die erste Schweizer Umfrage zur Einstellung der Schweizer Bevölkerung zu "Kindersextourismus". Die Resultate lösen bei der Stiftung und ihrer Fachstelle ECPAT Switzerland gemischte Gefühle aus.
"Die Resultate bestätigen, dass wir mit unserer Präventionsarbeit auf dem richtigen Weg sind und stützen das Engagement derer, die sich innerhalb der Tourismusbranche gegen die kommerzielle sexuelle Ausbeutung von Kindern einsetzen", sagt Cordula Sanwald, Kommunikationsbeauftragte der Stiftung Kinderschutz Schweiz. So zeige die Umfrage, dass Reisende bereits erfreulich auf das Thema sensibilisiert seien und ein klares Bekenntnis der Reise- und Tourismusbranche gegen dieses Verbrechen an Kindern in Feriendestinationen einfordern. "Über 80 Prozent der Befragten erachten es als sehr wichtig, dass sich Schweizer Reiseveranstalter in diesem Bereich engagieren."
Die von der Fachstelle ECPAT Switzerland in Zusammenarbeit mit Studentinnen der Höheren Fachschule für Tourismus Graubünden Anfang 2009 durchgeführte Befragung zeigt erstmals die Einstellung von Reisenden aus der Schweiz zum Thema "Kindersextourismus" auf."„Wir sind sehr froh, nicht mehr nur auf Umfragen aus den Nachbarländern zurückgreifen zu müssen, um darlegen zu können, dass sich ein solches Engagement für die Privatwirtschaft auch lohnt", erläutert Sanwald. Innert sechs Wochen beteiligten sich gut 1’800 Personen via Online- oder Papierfragebögen im Alter zwischen 15 und 79 Jahren. "Die Umfrage ist nicht repräsentativ, aber sie zeigt Tendenzen auf. Und sie ist ein gutes Instrument, um die Wirkung unserer Arbeit abzufragen und allfällige Anpassungen vorzunehmen", so Mirjam Bousehba, wissenschaftliche Mitarbeiterin von Kinderschutz Schweiz.
Solche Anpassungen sieht die Fachstelle vor allem bei der weiteren Informationsarbeit. "Es sind noch zu viele Klischees und Fehlinformationen in den Köpfen der Leute", erklärt Cordula Sanwald und nennt zwei Beispiele: Die kommerzielle sexuelle Ausbeutung von Minderjährigen im Tourismus ist kein Kavaliersdelikt und sie wird nicht primär von pädophilen Tätern begangen. Es handelt sich um eine Sexualstraftat, die im Kontext von sexueller Gewalt, Kinderprostitution, Kinderhandel und Kinderpornografie steht. Die Mehrheit der Täter sind Gelegenheitstäter. Zwanzig Prozent der Befragten gehen davon aus, dass es gesellschaftlich geduldete Gründe gibt, Kindersextourismus zu rechtfertigen. 30 Prozent sind der Annahme, die Tätermotivation sei meist eine pädophile Neigung. "Hier müssen wir noch Aufklärungsarbeit leisten", kommentiert Sanwald. Denn: Wer sich bewusst mache, dass es um Sexualstraftäter gehe, die in der Anonymität eines fremden Landes einfach nur einen Kick suchten und dabei Kinder zu Opfer machten, werde hoffentlich eher dagegen angehen.
Kindesschutz im Tourismus – ein Multi-Stakeholder-Unterfangen
Immerhin: Mehr als die Hälfte der Befragten wiesen Kindersextourismus als moralisch nicht vertretbar zurück und eine Mehrheit sprach sich für mehr Informations- und Präventionsarbeit aus. 20 Prozent würden sogar einen Aufpreis dafür bezahlen, wenn der Einsatz gegen Kindersextourismus garantiert wäre. Die Befragten wünschen sich vor allem von den Schweizer Reiseveranstaltern ein Mehr an Engagement.
Als Gründe gaben sie vor allem die Mitverantwortung der Reiseveranstalter für das Verhalten ihrer Kundschaft sowie den Schutz der Feriendestination und den Wunsch an, die Reiseveranstalter sollten den Ferienländern "wieder etwas zurückgeben." Kritisch betrachtet die Fachstelle ECPAT Switzerland besonders erstere Aussage. "Wir freuen uns, dass die Reisenden dieses Engagement so klar einfordern, warnen aber davor, Verantwortungen zuzuweisen, die nicht wahrgenommen werden können", sagt Cordula Sanwald. Der Kampf gegen Kindersextourismus sei ein Multi-Stakeholder-Unterfangen, zu dem Partner aus der Tourismusindustrie ebenso ihren Beitrag leisten müssten wie Regierungen, Behörden, die Strafverfolgung, NGOs und auch die Zivilgesellschaft. "Nur, wenn sich jeder Akteur seiner eigenen Verantwortung bewusst ist und entsprechend handelt, werden wir diese Verbrechen eindämmen."
Reise- und Tourismusbrache in der Pflicht
Die Fachstelle ECPAT Switzerland der Stiftung Kinderschutz Schweiz bewertet die Resultate primär als Ansporn und Motivation für die eigene Präventionsarbeit und die der Tourismusbranche. Seit 2003 wird der Verhaltenskodex (Code of Conduct) zum Schutz der Kinder vor sexueller Ausbeutung im Tourismus in der Schweiz implementiert. Dieser zielt auf Schulungen der Mitarbeitenden, Sensibilisierung von Reisenden und die enge Zusammenarbeit mit den Destinationen. "Wir haben viel erreicht, aber nicht genug", so Sanwald. Wenn sich 60 Prozent der Befragten an ihre Reiseleitung, den Reiseveranstalter oder die Reiseleitung vor Ort wenden würden, falls sie den Verdacht hätten, in ihrem Ferienumfeld spiele sich die sexuelle Ausbeutung eines Kindes ab und nur 14 Prozent selbstständig das Online-Meldeformular des Fedpol dafür nutzten, so heisse das zweierlei, machte Sanwald klar: Mitarbeitende müssen gut geschult sein und wissen, was in einem solchen Fall zu tun sei, um den Service, der von ihnen erwartet wird, bieten zu können. Parallel gelte es, die niederschwellige Anlaufstelle des Fedpol bekannter zu machen, um die Eigenverantwortung der Reisenden zu stärken. "Unsere Aufgabe als Fachstelle ist es unter anderem, neue Mitstreitende im Kampf gegen Kindersextourismus zu gewinnen und die Aktiven darin zu unterstützen, den Massnahmenkatalog des Code of Conduct konsequent umsetzen zu können."
Kindersextourismus ist längst kein Randphänomen mehr. Die ILO spricht von 1,8 Millionen Kindern, die jährlich weltweit von kommerzieller sexueller Ausbeutung betroffen sind. Die Langzeitschäden sind für die Kinder enorm. Die Täter kommen meist noch immer ungeschoren davon. Der "Code of Conduct" hat sich innert nur zehn Jahren weltweit als Präventionsinstrument etabliert, um Kindersextourismus vorzubeugen. Auch die United Nations World Tourism Organisation (UNWTO), der United Nations Children’s Fund (UNICEF), die Organisation for Security an Cooperation in Europe (OSCE) sowie die Europäische Union (EU) und das Schweizer Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) anerkennen den Code of Conduct als federführend im Kampf gegen dieses Verbrechen.
Für aktuelle Informationen in Deutsch steht Ihnen zur Verfügung:
Cordula Sanwald, Stiftung Kinderschutz Schweiz; Tel.: 0041 (0)76 585 69 49, cordula.sanwald@kinderschutz.ch, www.kinderschutz.ch
Zusatzinformation: Die vollständigen Umfrageergebnisse können Sie bei der Stiftung Kinderschutz Schweiz als pdf bei cordula.sanwald@kinderschutz.ch anfordern.