Auf der Bloggerseite Funkloch bieten der 32-jährige Berliner Steven und sein Team immer neue Geschichten über Reisen und Nachhaltigkeit. Er schreibt: "Ich bin Optimist, Träumer und ich mag ich das Leben auf dieser wunderbaren Erde. Aber ich sehe auch die Schäden, die der Mensch auf unserem Planeten verursacht. Daher habe ich 2012 entschieden mich mit diesem Blog für den Umweltschutz einzusetzen." "Mir sind die Menschen vor Ort immer extrem wichtig, denn ich möchte auf keinen Fall, dass jemand ausgebeutet wird, nur damit ich eine schöne Zeit habe", zitiert die deutsche Kommunikationsplattform für nachhaltige Angebote, Green Pearls, Bloggerin Katharina. Eine weitere Green Pearls Bloggerin, Susi, die ein Eco-Directory mit nachhaltigen Angeboten entwickelt hat, erklärt: "Es gibt immer irgendetwas cooles Grünes in der Gegend, auch in Grossstädten."  

Auf Plattformen wie Greenpearls.com oder Funkloch.me zeigen attraktive Vorbilder über Geschichten und Tipps, wie nachhaltig unterwegs Sein geht. Und Vorbilder sind ein zentraler Baustein, um die Brücke zu schlagen über den weit klaffenden Graben zwischen der Absicht der Bevölkerungsmehrheit, nachhaltig zu reisen, und dem effektiven Reiseverhalten.  

Talquerung in vier Phasen 

fairunterwegs wendet ein Modell an, um zu tatsächlicher Verhaltensänderung anzuregen. In dessen Zentrum steht das Stufenmodell der selbstregulierten Verhaltensänderung von Bamberg (2015, S. 28). Dieses postuliert, dass eine Verhaltensänderung in Phasen geschieht, die beim fair unterwegs Sein etwa so abläuft:  

Prä-Kontemplation / Zielintention: Zunächst hören wir, wie sich unser Bauch mit "fair unterwegs sein" fühlt. Wir überlegen, ob "fair unterwegs sein" zu unseren eigenen Normen passt, ob wir auch negative Gefühle dazu haben, ob wir uns überhaupt für die Nachhaltigkeit unseres Reisens verantwortlich fühlen und ob es mit negativen Konsequenzen verbunden ist, wenn wir nicht fair unterwegs sind. Wir achten darauf, ob fair unterwegs sein eher in ist oder eher out und fragen uns, wie einfach oder schwer es grundsätzlich ist, fair unterwegs zu sein.  

In dieser Phase sind wir besonders empfänglich für Informationen über die Schäden des konventionellen Tourismus und über positive wie negative Beispiele und deren Verortung (das ist echt nachhaltig, das ist bloss Greenwashing und das widerspricht den globalen Entwicklungszielen, dem Pariser Klimaziel, den Menschenrechten).  

Kontemplation/Verhaltensintention: Jetzt gehen wir der Frage nach, wie schwer es für mich persönlich ist, fair unterwegs zu sein. Habe ich Angst, es eh nicht hinzukriegen oder traue ich mir zu, anders zu reisen.  

In dieser Phase sind Beispiele von nachhaltiger reisenden Bloggerinnen und Bloggern jeden Alters hilfreich. Aber auch das Herunterbrechen der Nachhaltigkeit auf Reisen in kleine, vorstellbare und machbare Schritte, so dass die Schwelle zum Anfangen gesenkt wird. 

Präparation/Implementierungsintention: Hier wird es konkret. Wir überlegen uns, was wir genau unternehmen müssen, um auf unserer nächsten Reise fair unterwegs zu sein, wo wir möglicherweise auf Hindernisse treffen und wie wir damit umgehen. Ob wir dranbleiben und unsere Pläne umsetzen, hängt davon ab, ob wir glauben, es zu schaffen und mit dem fair unterwegs sein auch tatsächlich eine positive Wirkung erzielen.  

In dieser Phase hilft ein engmaschiges Coaching mit Tools, welche die Umsetzung erleichtern: zum Beispiel eine Karte, auf der nachhaltige Unterkünfte und Freizeitangebote zu finden sind, oder Links auf nützliche Webseiten für Fahrradfahrende oder für das vereinfachte Buchen von Zugreisen.  

Aufrechterhaltung/neuer Habit: Wer einmal fair unterwegs gewesen ist, weiss um die Vorteile davon, aber auch, dass keine Reise perfekt nachhaltig ist. Nun entscheidet sich, ob wir dem fair unterwegs Sein treu bleiben oder ins alte Reiseverhalten zurückfallen. Das hängt davon ab, ob wir mit der Frustration über das, was noch nicht perfekt gelaufen ist, umgehen können und daran glauben, dass wir unser Verhalten stetig nachhaltiger gestalten können.  

In dieser Phase helfen Checks zur Evaluation des Verhaltens auf der letzten Reise, das Lob für das Engagement und alles, was schon gut gemacht wurde und Ermutigungen in Form von Punktesammlungen, Bestätigungen (z. B. "Sie haben schon das intermediate/advanced Level erreicht") sowie die Beispiele anderer, die auch nicht alles perfekt geschafft und trotzdem begeistert fair unterwegs sind.  

Ressourcen als Pfeiler des solidarischen Glücks 

Wichtig sind aber nicht nur die Kommunikationselemente. Auch die Kommunikation selbst, das Wording und der Stil, sind wirkungsvoller, wenn sie die psychischen Ressourcen für solidarisches und suffizientes Verhalten stärken. Das sind gemäss Marcel Hunecke (2013) die Selbstakzeptanz, die Selbstwirksamkeit, die Genussfähigkeit, die Achtsamkeit, der Sinn und die Solidarität. Wer liest, wie Lisa X auf ihrer Reise etwas gegen Littering bewirken konnte (Selbstwirksamkeit und Sinn), hat Lust es ihr gleichzutun. Informationen über Litteringprobleme im Tourismus hingegen, verbunden mit dem Aufruf, aktiv zu werden, legen wir im hektischen Alltag lieber weg. Die Idee, dass eine nachhaltig zertifizierte Lodge die Erlebnisintensität und den Genuss erhöht, zieht mehr als die Vorstellung, heroisch zugunsten von Öko und Fair im Urlaub zu darben. Die Solidarität mit im Tourismus Ausgebeuteten soll das Gefühl der Zugehörigkeit zu einer Community stärken, die sich um das Wohl dieser Welt kümmert. Und schliesslich sind wir alle nicht nachhaltig, sondern einzeln und gemeinsam auf dem Weg dorthin, und stärken mit der Würdigung dieser Tatsache auch die Selbstakzeptanz.   

Wie fairunterwegs zum Fairunterwegssein anregt

Für den Verein fairunterwegs – 1977 gegründet unter dem Namen Arbeitskreis Tourismus und Entwicklung – ist das Anregen und Ermöglichen eines fair unterwegs Seins der zentrale strategische Pfeiler, geradezu die Raison-d’être. Wir nutzen dazu theoretische Grundlagen und empirisches Wissen darüber, wie aus guten Absichten entsprechende Taten werden.  

Zur ersten Phase: fairunterwegs hat mit einem steten Monitoring und einer intensiven Berichterstattung über 40 Jahre lang ein starkes Fundament an Informationen über die Auswirkungen verschiedener Formen des Tourismus geschaffen. Die erste Phase wird mit den vorhandenen und regelmässig aktualisierten Informationen begleitet.  

Für die zweite Phase hat fairunterwegs eine neuen Social Media Strategie entwickelt. Dabei wird es in Zukunft auch wichtig sein, Bloggerinnen und Blogger als InfluencerInnen für die Nachhaltigkeit im Tourismus zu gewinnen. Zudem unterstützt fairunterwegs die Verhaltensintention und die Implementierungsabsicht mit dem fairunterwegs-Coaching: Sechs einfach umsetzbare Schritte, um die nächste Reise mit den eigenen Werten in Einklang zu bringen.  

Die Implementierungsphase unterstützt fairunterwegs mit bislang etwas schwer zu findenden Tipps und Empfehlungen für Unterkünfte, Destinationen und weitere Angebote. Doch wir arbeiten mit Hochdruck daran, dies zu verbessern und ausgewiesen nachhaltige Angebote in einer Karte sowie auf Länderseiten schnell auffindbar zu machen.  

Für die Aufrechterhaltungsphase hat fairunterwegs noch kein Angebot. Doch erste Online-Spiele, die wir für die Kontemplationsphase (Verhaltensintention) entwickelt haben, geben die Richtung vor, wie wir künftig auch für die Erhaltungsphase arbeiten können.   

Zur Autorin: Die fairunterwegs-Mitarbeiterin Nina Sahdeva hat für ihre Abschlussarbeit des Psychologiestudiums ein Modell entwickelt, wie Menschen zu tatsächlicher Verhaltensänderung angeregt werden können.