Das Bild könnte friedlicher nicht sein. Eingerahmt von grossen, Schatten spendenden Bäumen schlängelt sich der Jordan an der Taufstelle Yardenit vorbei. Pilger sitzen auf künstlich angelegten Steinterrassen, singen christliche Lieder.
Andere Gläubige tasten sich, gehüllt in unförmige weisse Kittel, vorsichtig in das dunkelblaue Wasser vor. Metallgitter im Fluss dienen als Halt. Im Jordan wartet ein Priester auf die erwachsenen Täuflinge, spricht mit ihnen einige Worte aus der Bibel, ehe er sie drei Mal kurz unter Wasser drückt. Pitschnass und mit triefendem Gewand waten sie danach wieder an Land. Manch einer wagt zuvor noch einige Schwimmzüge in dem träge dahinfliessenden Wasser.
Doch die Idylle trügt. Eigentlich würden die Pilger, von denen jedes Jahr Tausende in das zu Israel gehörende Yardenit strömen, auf dem Trockenen stehen. Denn aus eigener Kraft schafft es kein einziger Tropfen Wasser aus dem nur wenige hundert Meter entfernten See Genezareth bis hierher. Dafür ist dessen Wasserstand zu niedrig. Pumpen am eigentlichen Ausfluss des Sees sorgen dafür, dass Wasser in das Flussbett gelangt und die Taufstelle Anziehungspunkt für Pilger und Touristen bleibt.

Dass der See Genezareth den Jordan nicht mehr wie früher speist und der einst mächtige Fluss auf seinem 200 Kilometer langen Weg zum Toten Meer stellenweise zu einem brackigen Rinnsal verkommt, liegt am Menschen. Die Anrainerstaaten wie Israel, Jordanien und Syrien zweigen riesige Wassermengen als Trinkwasser für die eigene Bevölkerung und die Landwirtschaft ab. "Ein Drittel des Wasserverbrauchs von Israel und den Palästinensergebieten stammt allein aus dem See Genezareth und dem Jordan", sagt Gideon Brombeg, Israel-Direktor der Umweltorganisation Friends of the Earth Middle East, die bei ihrer grenzüberschreitenden Arbeit unter anderem von Studiosus unterstützt wird.
Verschärft wird die Situation noch durch eine anhaltende Dürre. In den vergangenen fünf Jahren ist die Niederschlagsmenge in der Region um 50 Prozent zurückgegangen. Eine Folge des Klimawandels, wie Brombergs Kollegin Mira Edelmann betont.

Die exzessive Wasserentnahme und die Trockenheit gefährden nicht nur den Jordan. Auch der Tourismus droht in Mitleidenschaft gezogen zu werden. Noch besuchen Tausende von Pilgern und Studienreisenden jedes Jahr die verschiedenen – historisch nicht verbürgten – Jesus-Taufstellen aus israelischer wie jordanischer Seite des Flusses. Fällt dieser trocken, dürfte er einiges an Anziehungskraft einbüssen.

Was für den Jordan gilt, gilt auch fürs Tote Meer. Seit Jahren kommt nur noch ein Bruchteil der ursprünglichen Wassermenge dort an. Auch die Verdunstung durch die Erderwärmung nimmt zu. So sinkt der Wasserspeigel pro Jahr um einen Meter.
Im israelischen En Boqoq, wo die Touristen einst direkt vom Hotel ins Tote Meer steigen konnten, ist jetzt oft ein mehrminütiger Fussmarsch nötig, um ans Ufer zu gelangen. Würde der Südteil des Binnenmeeres, an dem En Boqeq liegt, nicht über Kanäle mit Wasser aus dem gröseren Nordteil versorgt, wäre den Hotels schon längst die Geschäftsgrundlage entzogen.
Ein Umdenken bei der WAssernutzung ist dringend geboten, mahnt Mira Edelmann beim Besuch der Taufstelle Bethania auf der jordanischen Seite des Jordans, nur wenige Kilometer oberhalb des Toten Meeres. Dabie sehen aber anscheinend nicht alle so einen dringenden Handlungsbedarf wie die Umweltaktivistein.
Als Edelmann direkt an der Taufstelle auf die prekäre Situation des Jordans hinweist, fordert der Leiter der Anlage ein Ende der Diskussion. Dies sei kein Oret für ökologische Debatten, so der man. Dies sei ein Ort des Glaubens. Angesichts des schwindenden Wassers stellt sich nur die Frage, wie lange noch.

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Mehr Verlierer als Gewinner: Der Klimawandel verändert die Touristenströme weltweit
Die Tourismusorte an der deutschen Nord- und Ostseeküste dürfen sich über den Klimawandel freuen. Sie gehören zu den Gewinnern der Erderwärmung. Davon geht jedenfalls die Deutsche Bank in einer umfangreichen Untersuchung über die Folen des Klimawandels für den Tourismus aus.

Höhere Temperaturen, weniger Niederschläge und eine veränderte Sommersaison werden die Attraktivität der Region deutlich erhöhen und mehr Besucher anlocken, so die Analysten in ihrer Studie aus dem vergangenen Jahr.

In anderen Ecken der Welt dürfte es aufgrund der steigenden Temperaturen mit dem Tourismus bergab gehen: Dazu zählen die östlichen und südlichen Anrainerstaaten des Mittelmeeres. Häufigere Hitzelwellen im Sommer minderten laut Deutsch Bank deren Attraktivität.

Ausserhalb Europas würden die meisten Länder unter den Folgen des Klimawandels leiden, so das Fazit der Studie. Einziger kleiner Trost: Die Tourismusindustrie bleibt weltweit gesehen eine Wachstumsbranche.
Der Beitrag erschien in fvw, dem Magazin für Touristik und Business Travel, Nr. 26 vom 18.12.2009. Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung.