
Tunesien : «Eure Unterstützung ist wie der Regen, der auf die ausgetrocknete Erde fällt.»
Am 23. Oktober wird in Tunesien eine verfassungsgebende Versammlung gewählt. Nach dem Volksaufstand ein erster Schritt zur Demokratisierung des Landes. Wohin der Weg geht, hängt nicht nur von der Zusammensetzung der Versammlung ab. Ebenso wichtig wird es sein, dass die Bevölkerung ihre Vorschläge und Forderungen vor und nach den Wahlen einbringen kann.
Diesem Ziel hat sich RAID (Zusammenschluss für eine alternative internationale Entwicklung) verschrieben. Noch unter der Ben-Ali-Diktatur hat sich die Organisation – damals in der Illegalität – mit den Problemen der Verschuldung des Landes und mit den illegitimen Auslandschulden der Diktatur auseinandergesetzt. Heute führt sie – unterstützt vom Solifonds – im ganzen Land Veranstaltungen durch, um über die wirtschaftlichen Zusammenhänge zu informieren und breit zu mobilisieren.
"Eure Unterstützung hat unseren Mobilisierungen und Aktionen Auftrieb gegeben. Unsere Kampagne ist viel sichtbarer geworden. Wurde früher die Frage der Schuldenstreichung völlig ignoriert, ist sie heute, wenige Monate nach der Revolution, fast populär geworden. Die Forderung nach der Streichung der illegitimen Schulden hat uns ausserdem ermöglicht, eine viel zentralere Frage im revolutionären Prozess aufzuwerfen, jene nach der Souveränität des Volkes." So RAID in einem Bericht an den Solifonds.
Tunesien, das heute vom Export landwirtschaftlicher Produkte (Oliven, Datteln), vom Bergbau (Phosphat, Gas), vom Tourismus und der Verarbeitungsindustrie lebt, ist auf eine Stärkung der eigenen Wirtschaft angewiesen. Wie aber soll dies geschehen, wenn das Land wegen seines Schuldendienstes zu einem Kapitalexporteur geworden ist? RAID hat errechnet, dass seit 1987 netto 3,3 Milliarden Euro abgeflossen sind. Wie soll die Binnenwirtschaft vorwärts kommen, wenn ausländische Investoren dank Freihandelsverträgen steuerlich bevorzugt werden und ihre Gewinne ins Ausland transferieren? Wie sollen bei negativen Handelsbilanzen die dringend benötigten Arbeitsplätze geschaffen werden? Alleine die Schweiz hat in den letzten Jahren im Handel mit Tunesien einen Überschuss von 100 bis 150 Millionen Franken pro Jahr erzielt. Dass es Arbeitsplätze und bessere Lebensbedingungen braucht, stellt auch das Staatssekretariat für Wirtschaft SECO fest (Länderinformation 7.4.2011). Und folgert: "Diese Ziele können jedoch nur durch die marktorientierte Politik der vergangenen Regierung erreicht werden."
Soll die Demokratie in Tunesien eine Chance erhalten, dann ist genau von solch marktliberaler Wirtschaftspolitik Abstand zu nehmen. Zusammen mit sechzig weiteren Organisationen fordert RAID deshalb, dass in der neuen Verfassung festgeschrieben werden soll, dass die Wirtschaft im Dienste der Bevölkerung stehen und nach den Prinzipien der wirtschaftlichen und sozialen Menschenrechte funktionieren muss.