Tunesien hat, nach einer sehr erfolgreichen Saison 1994 im vergangenen Jahr ei­nen leichten Rückgang der Touristenankünfte zu verzeichnen. Knapp vier Millio­nen TouristInnen, darunter etwa 800’000 Deutsche, verbrachten Ferien im klein­sten Maghrebstaat, für die Verantwortlichen ein insgesamt zufriedenstellendes Resultat. Zu berücksichtigen sind bei diesen Zahlen allerdings zwei Dinge: Zum einen pro­fitiert Tunesien ohne Zweifel von den unsicheren Verhältnissen in Algerien. Zum andern haben immer mehr OsteuropäerInnen ‑ darunter sehr viele Menschen aus dem Gebiet der ehemaligen DDR ‑ Tunesien als Feriendestination entdeckt. Da­durch verstärkt sich das Image von Tunesien als Billigdestination, was im Prinzip den Anstrengungen der Verantwortlichen im tunesischen Tourismus zuwiderläuft. Dennoch gibt sich der Tourismusminister optimistisch. Und auch die privaten In­vestoren scheinen an eine rosige Zukunft im tunesischen Tourismus zu glauben. Gegenwärtig wird südlich von Hammamet eine weitere «Station intégrée » mit 25’000 Betten aus dem Boden gestampft, und in der Nähe der nach französischem Vorbild errichteten Retortenstadt Port EI Kantaoui ist ein Riesenkomplex mit insgesamt 35’000 Betten geplant. Gleich wie Tabarka im Norden des Landes werden diese Zentren alle über einen Golfplatz und andere, luxuriöse Freizeitanla­gen verfügen. Die offizielle Strategie, vom ausschliesslichen Badetourismus wegzukommen, das touristische Angebot zu diversifizieren und dadurch nicht zuletzt auch die Saison zu verlängern, ist sinnvoll. Der Erfolg von Port EI Kantaoui, das nach offiziellen Angaben über eine gute Auslastung während des ganzen Jahres verfügt, bestätigt die Verantwortlichen, die Diversifikation voranzutreiben. Die Lösung sehen sie in einer Förderung des Saharatourismus, des Kulturtourismus und vor allem des Golftourismus. In allen Tourismusregionen des Landes sind mittlerweile exklusive Golfplätze geschaffen worden, mit deren Hilfe man kaufkräftige TouristInnen an­zulocken hofft. Sogar in der Oase Tozeur, in der vor kurzem ein Fünfsternhotel seine Tore geöffnet hat, soll ein Golfplatz sowie ein Spielcasino gebaut werden. Ob diese Rechnung in Zukunft aufgehen wird, ist alles andere als sicher. Wegen des enormen Wasserbedarfs sind Golfplätze in einer solchen Klirnazone bekannt­lich äusserst problematisch. Und die ersten Erfahrungen mit der touristischen Er­schliessung der Sahara stimmen eher skeptisch‑ Der Auslastungsgrad der neu ge­bauten Hotels ist bis jetzt sehr niedrig, und der Flughafen von Tozeur nur sehr schlecht frequentiert. Dies gilt, mit Nuancen, auch für das neue Tourismuszentrum Tabarka im Norden des Landes. Die Verantwortlichen sehen darin allerdings nur Anfangsschwierigkeiten, die in den nächsten Jahren gemeistert werden können. Was schliesslich die Förderung des Kulturtourismus betrifft, so scheinen zumin­dest private Investoren davon zum Teil recht eigenartige Ideen zu haben. So wird in der Oase Tozeur eine künstliche Medina 1001 Nacht gebaut, wo die Touristlnnen nach Lust und Laune shoppen und Handwerkern zusehen können.
Jeune Afrique 6.‑12.7.95, 7.‑13.12.95/Beat Stauffer, Journalist