tw-Themenheft Innovationen im Tourismus: Nischenprodukte und Nischenkompetenz
Basel, 28.06.2010, akte/ Die aktuelle Ausgabe der Zeitschrift Tourismuswissenschaft geht der Frage der Innovation im Tourismus nach: neue Produkte und Dienstleistungen, neue Prozesse und Verfahren, neue soziale Ansätze oder Innovationen im Marketing oder der Vernetzung. Welche Kompetenzen brauchen die Führungskräfte um innovativ zu sein? Wo stossen sie auf Hindernisse und wie können solche überwunden werden? Nachfolgend drei Highlights aus der durchwegs lesenswerten Ausgabe.
Sportgrossanlässe und ihre Innovationswirkung
Passend zur aktuellen WM in Südafrika kommen die Untersuchungsergebnisse zur Innovationskraft von Sport-Mega-Events von Hansruedi Müller und Yvonne Müller des Forschungsinstituts für Freizeit und Tourismus (FIF) der Universität Bern. Das FIF hatte die UEFA Euro08 mit verschiedenen Fragestellungen zur Nachhaltigkeit begleitet. Die Auswertung erschien im April 2010. Eine der Fragestellung war, welche Art von Innovation ein Sportgrossanlass auslöst und wie und wie lange diese Innovation wirkt. Die Verfasser kommen zum Schluss, dass Sportgrossanlässe durchaus Innovationsprozesse auslösen können, dass diese aber oft nur von kurzer Dauer sind. Sie empfehlen konkurrenzunabhängige Innovationen und Kooperationen, langfristig angelegte Innovationen, die sich auf die Kernkompetenz des Unternehmens abstützen sowie die Nutzung von Sportgrossanlässe als Experimentierfelder für Prozesse, die bei Erfolg weitergeführt und bei Misserfolg ohne grosses Aufsehen rückgängig gemacht werden können.
Voluntourismus: Noch viel Forschungsbedarf
Spannend ist die Fallstudie von Dorothea Müller und Tobias Reeh, beide wissenschaftliche Mitarbeitende der Georg-August-Universität Göttingen, zum Freiwilligen-Tourismus in Namibia. Sie haben drei als Freiwilligentourismus ausgeschriebene Projekte untersucht, in über 300 Interviews die Motive der Freiwilligen erhoben, den Mix von Arbeit und Freizeitprogramm festgestellt und evaluiert, welches Reiseerlebnis daraus entstanden ist. Anschaulich stellen sie das Dilemma der Gäste dar, zu deren Selbstwahrnehmung gehört, kein Tourist zu sein, während die Projekte immer touristischer ausgestaltet werden. Oder der Anbieter, die einerseits den Gästen „sinnvolle“ Ferien mit einem „sinnvollen“ Projekt bieten müssen und andererseits Gewinn maximieren wollen, um sich im Wettbewerb der Anbieter durchzusetzen. Die AutorInnen stellen fest, dass zum boomenden Markt des Freiwilligentourismus noch viel Forschung vonnöten ist.
Die Hotellerie hat die Finanzkrise mitverursacht, unter der sie heute leidet
Die Immobilien- und Finanzkrise hat die internationale Tourismuswirtschaft schwer in Mitleidenschaft gezogen, die Hotels leiden unter Buchungs- und Gewinnrückgängen. Der Beitrag von Jörg Frehse, Betriebswirtschafter mit Schwerpunkt internationale Unternehmenstätigkeit an der Universität Marburg geht der Frage nach, wie weit internationale Hotelgesellschaften als Hotel-Veräusserer an der Entstehung der Finanzkrise beteiligt waren. Bis Mitte 2008 haben Hotelgesellschaften ihre Immobilien veräussert und dabei die Preise an den internationalen Märkten nach oben getrieben. „Betreiben statt besitzen“ sei das Gebot der Stunde gewesen. Für den Kauf eines Hotels finanzierten die Opportunity und Private-Equity-Fonds bis zu 95 Prozent. Aufgrund überhöhter Bewertungen konnten die Liegenschaften und Anlagen verkauft werden, bevor die effektive Wertsteigerung durch den Betriebserfolg des Hotels abgesichert war. Als Strategie zur Prävention neuer Krisen und der Lösung der jetzigen empfiehlt er das kreative Pflegen von Eigenheiten und Unterschieden und die Nutzung auch kleiner Spielräume für Verbesserungsmöglichkeiten. Dabei stelle sich allerdings die Frage, ob internationale Hotelgesellschaften eine „Rückentwicklung“ ihrer weltweit zumeist einheitlich standardisierten Wachstumsstrategien überhaupt zulassen können oder wollen – eine Frage, die nicht zuletzt für die Nachhaltigkeit von Bedeutung ist.
Die Zeitschrift für Tourismuswissenschaft sieht sich als Forum für TourismuswissenschaftlerInnen aus den unterschiedlichsten Disziplinen. Sie will die Tradition des wissenschaftlichen Diskurses zwischen und innerhalb der Disziplinen im deutschsprachigen Raum fortführen. Nebst den Hauptbeiträgen bietet tw Forschungsergebnisse, Konferenztermine und -berichte sowie Rezensionen, darunter auch Christine Plüss› Besprechung vonSiegrist/Stremloh: Landschaft Erlebnis Reisen – Naturnahmer Tourismus in Pärken und UNESCO-Gebieten, die vor einem Jahr auf fairunterwegs.org erschien.
tw. Zeitschrift für Tourismuswissenschaft, Vol 2(1), 2010. Herausgeber: Prof. Dr. Hans Hopfinger (Eichstätt), Prof. Dr. Andreas Kagermeier (Trier), Prof. Dr. Hansruedi Müller (Bern) und Prof. (FH) Dr. Roman Egger (Salzburg, Urstein); Geschäftsführender Herausgeber: Prof. Dr. Reinhard Bachleitner, Universität Salzburg; Redaktionsleitung: MMag. Dr. Wolfgang Aschauer, Universität Salzburg; Verlag Lucius & Lucius, Stuttgart 2010, 104 Seiten, ISSN 1867-9501,
http://www.luciusverlag.com/zeitschriften/ztschr_tourism/tw.htm