Sie hat es nur gut gemeint, die Europäische Union, als sie nach vielen Klima-Verhandlungsjahren beschloss, den Flugverkehr ab dem 1. Januar 2012 in den Europäischen Emissionshandel (EU-ETS) aufzunehmen. So soll nun das Weltklima durch die Regulierung der Flugemissionen entlastet werden, denn für den rasant zunehmenden Flugverkehr konnte international bislang kein bindendes Regime zur Emissionsreduktion vereinbart werden. Doch der Widerstand ist gewaltig.
Nach 17 Jahren UN-Klimaverhandlungen ist zum Flugverkehr weiterhin keine Einigung in Sicht. Während beim Weltklimagipfel 2010 in Cancún die Flugemissionen, gemeinsam mit den Schiffsemissionen sogar aus dem Abschlussdokument gefallen waren, haben sie es beim letzten Gipfel im Dezember 2011 in Durban gerade so geschafft, auf der Agenda zu bleiben. Man konnte sich nicht einigen und ohne Aussicht auf Ergebnisse werden die Flug- und Schiffsemissionen nun unberührt am äussersten Rand des Verhandlungstisches geparkt. Die Flugemissionen wären wahrscheinlich schon längst unter den Tisch gefallen, wenn die EU sie nicht immer wieder zum Verhandlungsthema gemacht hätte. Und mal ehrlich: Das Mass an Verzögerungstaktiken ist voll!

EU im Alleingang

Für frustrierte Klimaschützer ist daher der mutige Alleingang der EU ein Lichtblick. Alle Fluggesellschaften, die in Europa starten und landen, sind ab Januar 2012 in den EU-Emissionshandel einbezogen. Die EU-Richtlinie gilt auch für nicht-europäische Airlines. Das System ist revolutionär, da es weltweit das erste ist, das sich den Flugemissionen annimmt. 85 Prozent der Emissionshandelszertifikate werden kostenlos verteilt, 15 Prozent versteigert. Das Ziel zur Reduktion der Emissionen ist auf Basis der Emissionen der Jahre 2004-2006 berechnet: In der ersten Periode (2012) drei Prozent, in der zweiten Periode (ab 2013) fünf Prozent Emissionsreduktion.
Obwohl diese Klimaschutzziele wenig ambitioniert sind und zunächst nur zu einer Einpendelung der Flugemissionen auf hohem Niveau führen, hat sich das System weltweit keine Freunde gemacht. Die USA, China, Indien und weitere rund 40 Länder haben sich öffentlich gegen die Einbeziehung der Flugemissionen in den EU-Emissionshandel ausgesprochen. Sie sind nicht gewillt, sich daran zu beteiligen, da sie mit Belastungen in Millionenhöhe rechnen. Ihren Unmut tun sie mit massivsten Drohungen kund: Die EU könne mit härtesten Konsequenzen rechnen, sollte sie von dem System nicht ablassen.

Widerstand gegen "Wettbewerbsverzerrungen"

Während des letzten Weltklimagipfels 2011 in Durban droschen diese Länder unaufhörlich auf die EU ein, damit sie von diesen "wettbewerbsverzerrenden Massnahmen" Abstand nimmt. Amerikanische Airlines haben den Fall vor den Europäischen Gerichtshof gebracht und verloren. Indien drohte, die Welthandelsorganisation einzuschalten und initiierte zudem eine Resolution gegen die EU-Richtlinie bei der Luftfahrtorganisation der Vereinten Nationen (ICAO). Zudem hatte die Anti-Truppe diesen Februar ein Treffen vereinbart, um weitere Schritte gegen die Klimaschutzmassnahmen der EU einzuleiten. Selbst Hillary Clinton, Aussenministerin der USA, hat sich von Gegnern des europäischen Wegs vor den Karren spannen lassen und einen Drohbrief an die EU geschrieben, in dem sie Gegenmassnahmen androht, sollte die EU an ihren Klimaschutzplänen festhalten.
Der Verband der grössten chinesischen Airlines (China Air Transport Association) verweigert komplett und kündigte jetzt schon mal an, dass seine Airlines keine europäischen CO2-Zertifikate kaufen werden. Wird also kein chinesisches Flugzeug mehr in Europa landen, wenn die Chinesen ihr Verschmutzungskontingent aufgebraucht haben oder lassen sie es darauf ankommen, Strafe zu zahlen?
Sind denn nun plötzlich alle verrückt geworden, das einzige weltweite Klimaschutzsystem massiv  auf allen Ebenen zu bekriegen und das auch so öffentlich und schamlos, fragten Klimaschützer in Durban die Vertreter von ICAO, International Air Transport Association (IATA), USA, China und Indien. Die Antworten waren ernüchternd: Man wolle kein "unilaterales Handelshemmnis" und dass alle beim EU-ETS mitmachen komme nicht in Frage.

Initiative juristisch "auf felsenfesten Füssen"

Dabei kann von "plötzlich" gar nicht die Rede sein. Karsten Sach, im Bundesumweltministerium zuständig für internationale Zusammenarbeit und Leiter der deutschen Delegation bei den UN-Klimaverhandlungen, zeigte sich gegenüber den Attacken aus dem Ausland verständnislos. Bei einer Informationsveranstaltung am 25. Januar in Berlin wies er ausdrücklich darauf hin, dass diese Diskussionen Jahrzehnte alt seien und man schon sehr früh die Botschafter informiert habe, das Anliegen der EU im Ausland zu diskutieren. Nach Jahren der erfolglosen Debatten bei den UN-Weltklimaverhandlungen und bei der ICAO müsse endlich gehandelt werden. Das sei von langer Hand sorgfältig geplant gewesen. Selbstverständlich stehe das System auf "juristisch felsenfesten Füssen" und daher könne die EU selbstbewusst zu ihrem Alleingang stehen. Natürlich sei jeder eingeladen mitzugehen, denn das System sei so konzipiert, dass jedes Land sich einklinken könne.
Und die Drohungen? Wird die EU am Ende doch einknicken, wenn ein Handelskrieg droht? Sach hält das für ausgeschlossen und ist überzeugt, dass die EU diesen "nicht neuen" Druck aushalten werde. Dies bestätigte auch Isaac Valero-Ladron, Sprecher der EU-Klimakommissarin, in einer Pressekonferenz am 5. Januar in Brüssel: "Wir werden unser Gesetz nicht ändern und wir werden nicht aufgeben". Wer in Europa operieren wolle, müsse die europäischen Gesetze respektieren.

Kunden tragen die Kosten

Warum nun so ein Aufmarsch, was wären die Auswirkungen? Zunächst gibt es gar keine Auswirkungen, da der Grossteil der Zertifikate an die Airlines verschenkt wird. Den Rest müssen sie ggf. hinzukaufen und dann werden die Kosten wahrscheinlich ohnehin an die Passagiere weitergegeben.
Der Verband der chinesischen Airlines schätzt seine zusätzlichen Kosten auf 95 Millionen Euro jährlich. Die deutsche Lufthansa geht davon aus, dass sie dieses Jahr etwa 130 Millionen Euro an ihre Kunden weitergeben wird. Sollten die Airlines alle CO2-Kosten auf ihre Kunden abwälzen, obwohl sie den Grossteil der Verschmutzungsrechte geschenkt bekommen, könnte dies ein lukratives Geschäft werden. In einer Studie des Massachusetts Institute of Technology und der Universität Münster wurde berechnet, dass bis 2020 alleine die US-Airlines einen Profit von 2,5 Milliarden Dollar durch ausserordentliche Zugewinne machen könnten. Diese Erfahrung hatte man bereits in anderen Branchen bei der Einführung des Europäischen Emissionshandels gemacht.
Nun kocht jede Airline ihr eigenes Ticketpreissüppchen. Während die Europäische Kommission davon ausgeht, dass die Ticketpreise um zwei bis zwölf Euro steigen könnten, geht das industrienahe American Aviation Institute von einer Preiserhöhung um 70 bis 90 Dollar pro Flugticket aus. Erstaunlich, dass die amerikanische Delta Air Lines für alle transatlantischen Flüge nur drei Dollar pro Passagierticket draufgeschlagen hat. Brussels Airlines dagegen will drei bis zehn Euro zusätzlich an die Kunden weitergeben. Ein guter Pegelanzeiger für zusätzliche Kosten ist die Billig-Airline Ryanair. Sie wird auf alle Tickets einen Aufschlag von sage und schreibe 0,25 Euro erheben.
Seht her – tut doch gar nicht weh. Und wenn der Kunde seine Umweltkosten selbst trägt, tut es nicht einmal der Airline weh, sie kann sogar noch von dem EU-Geschenk profitieren, wenn sie trotz der Gratis-Verschmutzungsrechte bei ihren Kunden einen CO2-Aufpreis einfordert. Dem Klima aber wird es helfen, wenn die Emissionen auf die Waage kommen und sich einer Diät unterziehen müssen.
*Sabine Minniger ist Beraterin für Tourismus und Klima des Evangelischen Entwicklungsdienstes EED, Bonn.