
Über ein Drittel des Weltnaturerbes ist «ernsthaft bedroht»
Alle zehn Jahre treffen sich die Mitglieder des Weltnaturschutzbundes IUCN – 90 Regierungsstellen sowie hunderte von Nichtregierungsorganisationen und weiteren Stellen – zu einem World Park Congress. Der Jüngste ist am 20. November 2014 in Sydney zu Ende gegangen. Der Weltnaturschutzbund, der auch für die so genannte rote Liste der gefährdeten Arten zuständig ist, hat zu diesem Anlass erstmals alle 228 Gebiete mit dem Status eines Weltnaturerbes analysiert.
Gut ein Fünftel dieser Gebiete ist gut geschützt, gut zwei Fünftel werden als "mit einigen Vorbehalten" gut geschützt eingestuft. Doch 29 Prozent der Gebiete geben zu ernsthafter Sorge Anlass, und weitere 8 Prozent werden als kritisch eingeschätzt. Das bedeutet, dass sie ernsthaft bedroht sind und dringende Massnahmen zur Rettung ihres natürlichen Wertes anstehen.
Der Weltnaturschutzbund berät die UNESCO – die Organisation der Vereinten Nationen für Bildung, Wissenschaft und Kultur – welche Gebiete den Status eines Weltnaturerbes verdienen. Neben dem Weltnaturerbe gibt es auch das Weltkulturerbe. Insgesamt, so der Bericht "IUCN World Heritage Outlook", wird 54 Prozent des Welterbes gut bewirtschaftet, doch bei 13 Prozent wird das Ziel, Arten und Landschaften zu schützen, weit verfehlt.
Dabei spielen eingeschleppte Arten, die Auswirkung des "Ökotourismus", Wilderei, Dämme und Abholzung eine Rolle. Als grösster Faktor könnte sich allerdings die Klimaerwärmung erweisen. "Betrachten wir die aktuellen Bedrohungen, so stehen die eingeschleppten Arten an erster Stelle, aber als potenzielle Gefahr ist der Klimawandel die grösste", sagt Elena Osipova, IUCN-Fachfrau für das Monitoring des Welterbes: "Wir sehen schon heute klimabedingte Veränderungen, und das Problem ist, dass der Klimawandel andere Bedrohungen verstärken kann."
Weltnaturerbe in kritischem Zustand
Die meisten der 19 als kritisch eingestuften Weltnaturerbe-Gebiete befinden sich in Afrika: So etwa der Virunga-Nationalpark, in dem rund die Hälfte der wenigen noch existierenden Berggorillas leben. Aber auch der Everglade Nationalpark in Florida, der sich wegen dramatisch abnehmender Wasserqualität, eingeschleppter schädlicher Arten und Klimaanfälligkeit befindet sich in kritischem Zustand.
Auch drei Schlüsselgebiete Australiens gehören dazu: Das Great Barrier Reef, Kakadu und Queenslands Regenwald. Wegen des Great Barrier Reefs liegen sich die UNESCO und die australische Regierung in den Haaren. Die Regierung hat sich kürzlich einverstanden erklärt, keinen Schutt mehr ins fragile Meeres-Ökosystem zu kippen.
Schliesslich gehören auch Machu Picchu in Peru, die Serengeti in Tansania und der Sundarban Nationalpark in Indien, Lebensraum einer gefährdeten Tigerart, zu den Weltnaturerbe-Gebieten in besorgniserregendem Zustand.
Gut bewahrt und kaum bedroht sind zum Beispiel die Lord Howe-Insel Australiens, der Ätna in Italien und die Küsten von Dorset und East Devon in England.
Cyril Kormos, Vize-Vorsitzende der Weltkommission für Naturschutzgebiete des Weltnaturschutzbundes IUCN, will die Einschätzungen des Berichts nicht als politisches Statement missverstanden haben. Er betont, es gehe darum, den Regierungen zu helfen, das Weltnaturerbe besser zu managen: "Es ist ein Anliegen von uns allen, dass der Schutz erfolgreich ist. Versagen wir beim Schutz der wertvollsten, bedeutsamsten Naturschutzgebiete dieses Planeten, so versagen wir als Schutzgemeinschaft."