«Schwere Homosexualität» liegt vor, wenn die Straftat der Homosexualität an einer minderjährigen (unter 18 Jahren), älteren (über 75 Jahre), einer behinderten und/oder einer Person mit einer psychischen Erkrankung begangen wird. Ausserdem, wenn die Straftat von einer Person mit HIV/AIDS, oder mehr als einmal, begangen wird. Wer für Homosexualität wirbt, dem drohen 20 Jahre Gefängnis.

Die Feindseligkeit und Hetze gegen queere Menschen hat massiv zugenommen, nicht nur von staatlicher Seite, sondern auch in der Bevölkerung. Die Folgen des Gesetzes sind schwere Menschenrechtsverletzungen und auch ein Einbruch der für das Land so wichtigen Tourismuseinnahmen.

Doppelt betroffen ist Michael Kajubi, stolzes Mitglied der International Gay and Lesbian Travel Association (IGLTA). Er ist Gründer von McBern Tours – das erste Unternehmen, das sich offen für Vielfalt und Inklusion im Tourismus einsetzt – und der McBern Foundation, welche ältere Menschen und Jugendliche, die einer Minderheit angehören, unterstützt.

Das Herzstück von Michaels Philosophie ist sein Leitmotiv, das er mit dem Akronym TRIP zusammenfasst: Transparenz, Verantwortung, Integrität und Professionalität. Dieser Grundsatz unterstreicht sein unermüdliches Engagement für die Einhaltung höchster Standards bei all seinen Unternehmungen.

Vera Thaler: Michael, du leitest ein inklusives Reiseunternehmen, das Touren für alle Reisenden anbietet, sowohl für LGBTQIA* als auch für andere. Wie kam es dazu? 

Michael Kajubi: Dieses Vorhaben wurde von der Motivation angetrieben, ein zuverlässiges und vertrauliches Unternehmen für divers Reisende zu schaffen. Die übergreifende Vision war es, einen sicheren Zufluchtsort für unterschiedliche Reisende zu schaffen und ein Umfeld zu fördern, indem wir Besuchenden jeder Herkunft – unabhängig von Hautfarbe oder sexueller Orientierung – die Pracht Ugandas näherbringen können. Gleichzeitig wollte ich, nachdem ich selbst meinen Job wegen meiner Zugehörigkeit zur LGBTQIA*-Gemeinschaft verloren hatte, anderen LGBTQIA*, die an ihrem Arbeitsplatz diskriminiert wurden, eine Perspektive bieten. Wir es zu unserem Auftrag gemacht, ältere Menschen und Jugendliche, die einer Minderheit angehören, über die McBern Foundation zu unterstützen.

VT: Ein inklusives Reiseunternehmen für alle…nicht irgendwo, sondern in Uganda, einem Land, das vor kurzem Homosexualität kriminalisiert und, noch schlimmer, die Todesstrafe für Homosexuelle eingeführt hat. Welche Folgen hat das für Dich als Tourismusunternehmer? 

MK: Das harte Gesetz erinnert an die «Kill the Gay» -Gesetzgebung von 2014. Der Ruf als sicheres, einladendes und integratives Reiseziel hat abgenommen. Viele Unternehmen und Reisende stornieren aufgrund des Gesetzes Reisen nach Uganda – unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung.

Diese Entwicklung hat auch für uns zu einem spürbaren Rückgang der Anfragen aus dem Ausland geführt. Einige LGBTQIA*-Reisende haben ihre geplanten Reisen nach Uganda aus Sorge um ihre Sicherheit abgesagt. Darüber hinaus haben einige unserer ausländischen Partner beschlossen, Uganda von ihrer Liste potenzieller Reiseziele zu streichen, weil sie grundsätzlich gegen die Unterstützung von Ländern mit diskriminierender Gesetzgebung sind.

VT: Traurigerweise ist nicht nur Uganda auf dem Rückzug, wenn es um die Gleichstellung der Geschlechter geht, sondern auch viele andere Länder – allen voran die USA, aber auch Polen oder Indonesien – haben kürzlich strengere Gesetze eingeführt. Wie wirken sich diese Entscheidungen auf den Tourismus in diesen Ländern aus?   

MK: Die Zeit wird zeigen, wie sich diese restriktiven Entscheidungen künftig auf die Tourismus-Entwicklung in diesen Ländern auswirken werden. Ich bin zu wenig vertraut mit diesen Ländern, daher bin ich zurückhaltend mit genauen Prognosen. Allgemein ist jedoch davon auszugehen, dass Reiseziele, in denen LGBTQIA*-Reisende Sicherheits-Bedenken haben, einen Rückgang in Besucherzahlen verzeichnen werden. Das Gefühl der Sicherheit ist ein entscheidender Faktor für die Wahl des Reiseziels.

VT: Was empfiehlst Du  LGTBQIA*-Reisenden?  

MK: Für LGBTQIA* Reisende ist es sicherheitsrelevant, die Gesetzgebung in dem Reiseland, das sie besuchen wollen, zu verstehen. Dabei helfen kann es, eine Kontaktperson vor Ort ausfindig zu machen, sei es eine sachkundige Reiseleiterin, ein gastfreundlicher Gastgeber oder eine engagierte Aktivistin. Wichtig ist, dass diese Person mit den vorherrschenden Bedingungen vertraut ist und über das nötige Fachwissen verfügt, um sich am Reiseziel sicher zurechtzufinden.

Verantwortungsvolles Unterwegssein bedeutet auch für LGBTQIA* Reisende, die kulturellen Normen, lokale Regeln und Vorschriften der Gastländer zu achten und einzuhalten. Diese sensible Haltung der Kultur gegenüber gewährleistet die Sicherheit von LGBTQIA*-Reisenden und trägt dazu bei, ein harmonisches Zusammenleben mit den lokalen Gemeinschaften zu fördern.

VT: Und speziell für Uganda: Was ist Deine Empfehlung? Ist eine Reise die Risiken wert, denen homosexuelle Reisende ausgesetzt sind? 

MK: Im Grunde wird die Entscheidung, Uganda zu erkunden, zu einer Abwägung von Risiko und Nutzen. Während die persönliche Sicherheit und das Wohlbefinden immer Vorrang haben sollten, ist Ugandas Anziehungskraft unbestreitbar: von der Quelle des Nils, der längste Fluss der Welt, bis hin zu seiner reichen Tierwelt mit den berühmten Big Five – Löwen, Nashörner, Elefanten, Leoparden und Büffel – und 54% der Weltpopulation der Berggorillas.

Der Schlüssel, um diese beiden Gegensätze in Einklang zu bringen, liegt in der Fähigkeit eines Reisenden, sich auf die kulturellen Nuancen und rechtlichen Rahmenbedingungen Ugandas einzulassen. Gleichgeschlechtliche Reisende können die einzigarten Schätze der «Perle Afrikas» geniessen, ohne ihr Wohlergehen zu gefährden, vorausgesetzt, sie haben ein kulturelles Bewusstsein und verzichten dementsprechend zum Beispiel auf die öffentliche Zurschaustellung ihrer Zuneigung.

VT: Und was ist mit anderen Reisenden: Sollte Uganda als Reiseziel – oder generell Länder, die grundlegende Menschenrechte verletzen – von Reisebüros, Fluggesellschaften und Reisenden als internationales Zeichen des Protests gemieden werden? Oder schadet die Abwesenheit von Ausländer*innen nur unschuldigen Menschen, die von den Einkünften aus dem Tourismus abhängen, ohne tatsächlich Einfluss auf die politische Entscheidungsfindung zu haben?  

MK: Sicherlich sind Proteste ein wertvolles Instrument, das bei den Gesetzgebenden Anklang findet. Das zeigt zum Beispiel die jüngste wirkungsvolle Erklärung der Weltbank, die wegen des Gesetzes keine neuen Darlehen mehr an Uganda vergeben.

Der Ansatz, bei dem Reisebüros, Fluggesellschaften und Reisende von Uganda fernbleiben, könnte Uganda zwar weltweit isolieren, hat aber erhebliche Auswirkungen auf die lokale Bevölkerung, die ihre Arbeitsplätze verlieren würden. Anstatt Uganda gänzlich zu boykottieren, ist es daher sinnvoll, Partnerschaften zwischen Reisebüros, Reiseveranstaltern und lokalen Reiseunternehmen und Unterkünften aufzubauen, die sich der Unterstützung der LGBTQIA* Community verschrieben haben. Wichtig ist, dass das Geld an die Menschen vor Ort geht.

Das Thema Inklusives Reisen ist nicht nur für Reisende, sondern auch für Reisebüros und -veranstalter von grosser Bedeutung.  

Jara Schreiber (vom Roundtable Human Rights in Tourism): Wie sollten sich Reiseveranstalter gegenüber potenziellen Kund*innen verhalten, wenn diese eine Reise nach Uganda buchen möchten? 

MK: Reiseveranstalter tragen eine grosse Verantwortung, wenn es darum geht, potenzielle Kunden mit umfassenden Informationen zu versorgen. Im Zusammenhang mit Uganda plädiere ich nachdrücklich dafür, dass Reiseveranstalter ausführliche Reisehinweise anbieten, einschliesslich klarer Handlungsempfehlungen in Bezug auf das Anti-Homosexualitätsgesetz. Durch diesen proaktiven Ansatz wird sichergestellt, dass die Kund*innen gut über die rechtliche Situation ihres Reiselands informiert sind.

JS: Inwieweit können sich internationale Reiseveranstalter in Uganda nach dem neuen Gesetz weiterhin als «LGBTQIA* freundlich» bezeichnen oder sogar damit beginnen? 

MK: Ich empfehle Reiseveranstaltern dringend, eine Sprache zu verwenden, die ein breites Spektrum von Minderheitengruppen umfasst und über die LGBTQIA*-Inklusivität hinausgeht. Durch die Übernahme einer Terminologie, die Vielfalt umfasst, positionieren sich Reiseveranstalter als Unternehmen, die sich für die Einhaltung von Grundsätzen der Gleichberechtigung und Inklusion einsetzen.

Dieser Ansatz fördert nicht nur eine weitreichendere und umfassendere Inklusivität, sondern unterstreicht auch das Engagement des Reiseveranstalters, ein einladendes und respektvolles Umfeld für alle Reisenden zu schaffen, unabhängig von ihrem Hintergrund. Ein solches proaktives Engagement für die Vielfalt fügt sich nahtlos in die heutigen Werte der sozialen Verantwortung ein und findet bei einer zunehmend anspruchsvollen und vielfältigen Kundschaft grossen Anklang.

JS: Welchen Einfluss haben deiner Meinung nach internationale Reiseveranstalter in Uganda, sowohl einzeln als auch als Branche? Wie sollten sie sich vor Ort gegenüber den lokalen Behörden und Anbietern verhalten? 

MK: Reiseveranstalter haben die Pflicht, die Gesetze und Regeln der Länder, die sie besuchen, zu respektieren. In diesem Zusammenhang möchte ich auf die wichtige Aufgabe hinweisen, Anbieter sorgfältig auszuwählen, die nach wie vor Inklusion und Vielfalt fördern. Noch wichtiger ist, dass sie der Sicherheit und dem Wohlergehen ihrer LGBTQIA*-Kunden Priorität einräumen müssen. Sie müssen sich voll und ganz dafür einsetzen, dass sie während ihrer gesamten Reise sicher sind. Anbieter und Reiseveranstalter müssen immer für sie da sein, ihnen ständige Unterstützung bieten und sicherstellen, dass sie sich bei jedem Schritt ihrer Reise sicher fühlen.

JS: Was würdest du dir von Reiseveranstaltern wünschen, die Reisen nach Uganda anbieten? 

MK: Partnerschaften mit lokalen Unternehmen und zivilgesellschaftlichen Organisationen, die sich mit Initiativen zur Verbesserung der Gemeinschaft engagieren und dadurch positive Veränderungen im Leben der marginalisierten Bevölkerung bewirken.

«Erheben Sie Ihre Stimme und nutzen Sie Ihr Unternehmen als Verhandlungsinstrument im Rahmen Ihrer Möglichkeiten. Schreiben Sie zum Beispiel Erklärungsschreiben an Ministerien, Botschaften und Ihre Regierungen zu diesem Thema – Druck und Kürzung der finanziellen Unterstützung durch andere Länder würden helfen.» 

VT: Gibt es noch etwas, was Du mit der Reisegemeinschaft teilen möchtest?  

MK: Der heilige Augustinus hat einmal gesagt: «Die Welt ist ein Buch, und wer nicht reist, liest nur eine Seite». Ich weiss um die Macht, die Reisende ausüben können, nicht nur auf die Menschen, sondern auch auf die Orte, die sie besuchen. Reisende haben einen grossen Einfluss auf die Gesellschaft, die sie wissentlich oder unwissentlich besuchen.

VT: Vielen Dank für das Gespräch und deinen unermüdlichen Einsatz für eine gerechtere und inklusivere Reisebranche. 

Michael Kajubi

Gründer von McBern Tours and Travel

Michael Kajubi ist der Gründer von McBern Tours and Travel, einem inklusiven Reiseunternehmen, das erstklassige Reiseerlebnisse in Uganda und der gesamten ostafrikanischen Region anbietet. Das 2013 gegründete Unternehmen dient einem doppelten Zweck, wobei ein grosser Teil seines Erlöses in die McBern Foundation fliesst. Diese Stiftung unterstützt ältere Menschen am Rande der Gesellschaft und junge Menschen, die aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität von ihrer Familie, oder ihrem Arbeitsplatz abgelehnt werden und konzentriert sich dabei auf Bildung, die Förderung von Fähigkeiten und die Unterstützung im Gesundheitswesen.