London gehört zu den internationalen Top-Städtedestinationen. 65 Millionen TouristInnen besuchten die Stadt im Jahr 2015, davon gegen 18 Millionen aus dem Ausland. Über die letzten Jahre ist der Zustrom stetig angewachsen und mit der Nachfrage stiegen auch die Hotelpreise und die Profite der internationalen Hotelketten. Doch deren Angestellten profitierten davon nicht, im Gegenteil: Ihre Arbeitsbedingungen haben sich stetig verschlechtert. Wer sich dagegen wehren will, riskiert Repressalien und Rauswurf.

Es hat viele Jahre gedauert, um die Gastro- und Hotellerieangestellten gewerkschaftlich zu organisieren. Denn die Arbeitgeber verhalten sich in dieser Branche überaus gewerkschaftsfeindlich. Zudem haben sich die globalen Hotelketten ihrer Verantwortung als Besitzer und Manager entzogen, indem sie ihre Hotelgebäude verkauften und den Betrieb mit Franchisingverträgen auslagerten und sich nur noch auf die Bewerbung ihrer Marke konzentrierten. Für die Angestellten bedeutet dieses Modell die Abkehr vom traditionellen eingeschworenen "Hotelteam" und der Direktanstellung. Jetzt sind sie outgesourced, Angestellte irgendwelcher Subunternehmen oder Arbeitsvermittlungsagenturen. Damit haben sich auch ihre Arbeitsbedingungen stetig verschlechtert: Ihre Löhne sanken vom existenzsichernden Lohn zum Mindestlohn, Nullstundenverträge (ohne Mindestbeschäftigungszeit) haben sich weit verbreitet und die offene Feindseligkeit gegenüber jeglicher Form kollektiver Verhandlungen oder Regulierung sind notorisch.
Nun aber beginnen sich die Angestellten zu wehren, denn sie haben festgestellt, dass sich nichts ändert, wenn sie nichts ändern. Die Gewerkschaft UNITE, mit 1,42 Millionen Mitgliedern die grösste Gewerkschaft Englands, hat ihnen eine Plattform geliefert, um die Missstände nicht nur in Zahlen und Fakten, sondern auch mit Originalaussagen von Betroffenen zu belegen und öffentlich sichtbar zu machen. Das Dokument "Unethical London. Global hotel chains making London an unethical tourist destination through ’standard industry practice›. A report by the Unite the union Hotel Worker› branch" versteht sich denn auch nicht als wissenschaftliches Paper, sondern als Bestandesaufnahme und Zeugnis, wie der reiche und erfolgreiche Hotelsektor seine Belegschaft ausbeutet und ihr systematisch ihre grundlegendsten Menschenrechte auf Vereinigung und Kollekivverhandlung verweigert.

Ein Menschenrechtsengagement nur auf dem Papier

Besonders bedenklich bei dieser Bestandesaufnahme ist die Beobachtung, dass auch Hotels internationaler Ketten, welche die OECD-Leitlinien für Multinationale Konzerne unterzeichnet haben, diese missachten, wenn es um Gewerkschaften und das Recht auf Kollektivverhandlungen geht. Fünf dieser globalen Hotelketten, nämlich IHG, Hilton, Carlson Rezidor, Melia und Accor haben zusätzlich den Global Compact unterzeichnet und sich damit selbst verpflichtet, die Rechte der Angestellten und die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit sowie das Recht auf kollektive Verhandlungen zu fördern. Melia und Accor haben schliesslich auch das globale Abkommen über Gewerkschaftsrechte der Internationalen Union der Lebensmittel-, Landwirtschafts-, Hotel-, Restaurant-, Catering-, Tabak- und anverwandter Arbeitnehmerverbände (IUL) unterzeichnet.
Doch mit Ausnahme von IHG und Melia ist keine dieser Hotelketten in irgendeiner Form bezüglich des Zugangs der Gewerkschaften auf einen Dialog eingegangen. Bei IHG wurde in fünfjährigen Verhandlungen viel versprochen und wenig gehalten.
Hilton hat einen Ethikkodex, in dem festgehalten wird, dass der Konzern die Rechte der Mitarbeitenden auf Vereinigungsfreiheit und Kollektivverhandlung respektiert. Und dennoch behaupten sie beharrlich, Briefe, in denen die Gewerkschaft sie um Gespräche bittet, nicht erhalten zu haben.
Vor gut 170 Jahren hat Friedrich Engels mit seiner Feldforschung "Zur Lage der arbeitenden Klasse in England" die Ausbeutung der Angestellten durch einen unregulierten Kapitalismus aufgezeigt. Das Dokument hatte grosse Wirkung. Die Gewerkschaft Unite bäckt noch kleinere Brötchen, aber es ist zu hoffen, dass der Bericht "unethical London" doch Wellen wirft und dem Dialog mit den betroffenen Hotelketten und deren Managements den Weg ebnet. 
Zum Bericht "Unethical London"