Ungleiche Landverteilung. Der Kampf um Ressourcen in Honduras
Die honduranische Region Aguán ist schon lange geprägt von einer sehr ungleichen Landverteilung. Grundlegende Landreformen blieben aus., doch Gesetzesänderungen in den 1960er- und 1970er-Jahren machten die Regenwälder für kleine FarmerInnen zugänglich, die aus anderen Regionen des Landes migrierten. Sie rodeten den Wald und nutzten den fruchtbaren Boden für die Landwirtschaft.
Modernisierung begünstigt Grossgrundbesitz
Unter dem Druck der internationalen Finanzinstitution verabschiedete die Regierung 1994 ein Gesetz zur landwirtschaftlichen Modernisierung, das Grossgrundbesitzern erlaubte, ihre Ländereien auszuweiten. Die Folge war, dass diese sich das Land der KleinbäuerInnen aneigneten. Die geringen positiven Auswirkungen der Landreform wurden rückgängig gemacht, die Landkonzentration nahm stark zu. Massen von nunmehr Landlosen mussten unter unwürdigen Bedingungen in die Städte und in die USA emigrieren. Jenen, die geblieben sind, wird das Menschenrecht auf Nahrung auch heute noch verwehrt, denn sie haben nicht die Möglichkeit, ausreichend Nahrungsmittel anzubauen oder andere Einkommen zu erwirtschaften.
Gewinner und VerliererInnen
Vor allem seit der Jahrtausendwende leisten die KleinbäuerInnen massiven Widerstand gegen die Vertreibung. rund 3’500 bäuerliche Familien fordern in diesem Konflikt den Zugang zu Land zur Durchsetzung ihres rechts auf Nahrung.
Seit dem Putsch vom 28. Juni 2009 gegen den damaligen Präsidenten Manuel Zelaya und nach dem Zusammenbruch der verfassungsmässigen Ordnung nehmen Gewalt und Repression stetig zu. Seit September 2009 sind 45 Personen ermordet worden.
Einer von jenen, die ihre Ländereien vergrössern konnten, ist Miguel Facussé. Er besitzt mehrere Palmölplantagen und steht im Konflikt mit der Landlosenbewegung. Dinant, das Unternehmen Facussés, kann auf ein Projekt zur Verminderung der Belastung des Klimas verweisen. Früher wurde der Abfall der Aufbereitungsanlage von Palmöl in offene Gruben gepumpt, wodurch grosse Mengen an Treibhausgas entstanden. Heut wird das Gas eingefangen und zum Antrieb der Anlage verwendet. Das Projekt wurde vom UN-Regelwerk zum Klimawandels (Clean Development Mechanism CDM) als Klimaschutzprojekt anerkannt.
Das ist aus mehreren Gründen zu kritisieren, denn die Ausweitung der Palmölindustrie trägt zu massiver Abholzung des Regenwaldes in einer empfindlichen tropischen Region bei, wodurch diese Industrie per se nicht klimaschonend sein kann. auch werden die positiven Auswirkungen von Agrartreibstoffen auf das Klima von vielen Seiten in Frage gestellt. Aus menschenrechtlicher Sicht ist darauf hinzuweisen, dass das Palmöl ausschliesslich für den Export produziert wird, statt Nahrungsmittel für den lokalen Verbrauch anzubauen, während eines von vier Kindern in Honduras unter chronischer Mangelernährung leidet.**
Aber Miguel Facussé ist wegen Repression und Gewalt auf international bekannt. 2008 besetzte die MUCA, die vereinte kleinbäuerliche Bewegung von Aguán, eine der Anlagen Facussés und trat in Verhandlung mit Zelaya. Der handelte eine Vereinbarung mit Facussé aus, die Ländereien an MUCA zurückzugeben. Der Sturz Zelayas machte den Verhandlungserfolg zunichte.
Nach der Ermordung von fünf KleinbäuerInnen im November 2010 bekannte Facussé in einer Presseaussendung, dass seine privaten Sicherheitskräfte dafür verantwortlich seien. Trotzdem teilte eine Mitglied des CDM-Vorstandes einem Journalisten mit: "Wir sind keine Ermittler von Verbrechen. Wir mussten innerhalb unserer Regeln beurteilen (…) es gab nicht viel Spielraum für uns, das Projekt abzulehnen." Aufgrund der Informationen von MenschenrechtsaktivistInnen haben sich verschiedene Unternehmen des globalen Nordens von Facussé distanziert. Doch der CDM-Vorstand hat das Projekt erneut anerkannt, und auch die britische Regierung unterstützt es weiterhin. Somit stärken auch in Zukunft internationale Gelder Facussés Unternehmen.
Verantwortung und Bedrohung
Bei der Versammlung in La Confianza en el Aguán im Februar des Jahres reflektierten die Frauen ihre unterschiedlichen Rollen in diesem Konflikt. Sie kümmern sich als Mütter um ihre Familien, die ständig bedroht und attackiert werden. Sie sind Ehefrauen von Ermordeten und Verschleppten. Und sie sind selbst Aktivistinnen und Anführerinnen im Widerstand, die bedroht, vergewaltigt und gefoltert werden. Sie sprachen auch über ihre Position innerhalb der Bewegung.Manche der Aktivistinnen konnten das Treffen nicht besuchen, weil ihnen ihre Männer das Reisegeld vorenthielten. Manche von ihnen finden, dass den Frauen nicht die gleichen Rechte zuzustehen, da sie nicht die "schwere Arbeit" der Männer verrichten. Die Frauen schilderten die ständige Bedrohung ausserhalb der Siedlungen durch das Militär, die Polizei und die privaten Sicherheitskräfte. Sie fürchten sich auf dem Weg zur Arbeit oder in die Schule vor den regelmässigen Überfällen und Entführungen. Bei Räumungen kommt es zu sexuellen Übergriffen. Der Journalist Giorgio Trucchi hat im Vorfeld des internationalen Treffens mit der Aktivistin Consuelo gesprochen. Sie hat sieben Jahre auf einer Palmölplantage von Facussé unter mangelhaften Arbeitsschutz gearbeitet. Als sie von einer Ärztin erfuhr, dass sie bereits Vergiftungen von Pflanzenschutzmitteln aufwies, sollte sie in Krankenstand gehen. Doch der Vorgesetzte zerriss das ärztliche Attest. Consuelo arbeitete, bis ihre Gesundheit sich massiv verschlechterte. Vor fünf Jahren kündigte sie und schloss sich der Bewegung an. Seit einigen Monaten erhalten sie und ihre Kinder Morddrohungen. Sicherheitskräfte von Facussé stellen Nachforschungen über den Aufenthalt ihrer Familie an. Doch Consuelo bleibt nichts andere übrig, als sich für eine bessere Zukunft einzusetzen. "Man sagt, dass die Frauen die Schwächeren sind. Aber in Wirklichkeit sind wir diejenigen, die an vielen Fronten kämpfen – um Land gegen Privatisierung von Bildung und Gesundheit und vieles mehr. Auch wenn wir einen Partner haben, sind es die Mütter, zu denen die Kinder sagen: ‹Mama, ich habe Hunger!› (…) Wir sind die Stützen und wir sind das erste Ziel der Gewalt."FIAN*** begleitet seit 2000 eine Besetzung eines ehemaligen Militärübungszentrums. Bäuerlichen Gemeinschaften wurde vormals Land zugesprochen, die Vereinbarungen dazu setzten die Behörden gegen die Unternehmen jedoch nicht durch. Als Teil einer internationalen Allianz trug FIAN die Forderungen nach Einstellung der Gewalt und Repression, dem Ende der Straflosigkeit der Menschenrechtsverletzungen, der Regulierung der privaten Sicherheitskräfte sowie der Erfüllung der menschenrechtlichen Verpflichtungen des honduranischen Staates auf Grundlage einer Untersuchung vor Ort im März 2011 bereits an die Regierung, die Interamerikanische Menschenrechtskommission, die UN, das Europäische Parlament, an US-amerikanische und multilaterale Banken heran. FIAN unterstützt die BäuerInnenorganisationen auf täglicher Basis für eine gerechte und nachhaltige Lösung im Konflikt um das Land.
Sophie Vessel ist Mitarbeiterin der österreichischen Sektion von FIAN, der internationalen Menschenrechtsorganisation zum Recht auf Nahrung. Sie lebt in Wien.