Seit Jahren verhandelt die Staatengemeinschaft über Massnahmen zur Begrenzung des Klimawandels. Vor einem Jahr einigte sie sich im mexikanischen Cancún auf das Ziel, die Erderwärmung auf 2°C gegenüber der vorindustriellen Zeit zu begrenzen. Doch die Diskrepanz zwischen dem, was nötig ist, und dem worauf sich die Staaten bisher einigen konnten, ist noch immer riesig. Es ist höchste Zeit, dass endlich Taten folgen.
Im Vorfeld zu Durban gab es kleine Fortschritte, die sich Ende November fortsetzen könnten. Bewegung gibt es vor allem in den Verhandlungen über einen neuen Mechanismus für Technologietransfer, über einen ständigen Ausschuss zur Überwachung von Klimafonds für Entwicklungsländer und über ein Komitee, das Entwicklungsländer bei der Bewältigung der Folgen des Klimawandels unterstützen soll.
In Cancún versprachen die Industriestaaten, den Entwicklungsländern ab 2020 jährlich 100 Milliarden US-Dollar für Massnahmen zur Emissionsreduktion sowie zur Anpassung an den Klimawandel zur Verfügung zu stellen. Dazu beschloss die Konferenz die Gründung eines Green Climate Fund (siehe unten). Wie die Industriestaaten – auch die Schweiz – ihre Beiträge finanzieren wollen, ist aber noch unklar. Angesichts der Weltwirtschaftskrise  und der hohen Verschuldung vieler Länder ist zu befürchten, dass griffige klimapolitische Beschlüsse und die Finanzierung von Massnahmen im Süden erneut auf die lange Bank geschoben werden.
Angst vor Öko-Protektionismus
Die Entwicklungsländer wehren sich zudem gegen unilaterale Massnahmen der Industriestaaten, die sich negativ auf ihre wirtschaftliche Entwicklung auswirken könnten. In den USA und in der EU liegen Gesetzesentwürfe vor, die CO2-Abgaben auf Importe vorsehen und insbesondere Produkte aus dem Süden benachteiligen könnten. Auch der ab 2012 geplante Einbezug von Flugemissionen in den europäischen Emissionshandel träfe Fluglinien aus Entwicklungsländern. Martin Khor, der Direktor des South Centre in Genf, das Entwicklungsländer berät, fordert deshalb die Einrichtung eines Forums im Rahmen der Klimakonvention. Es hätte die Aufgabe, Auswirkungen von Emissionsminderungsmassnahmen im Norden auf ärmere Länder zu prüfen und vor deren Einführung zur Diskussion zu stellen.
Ungenügende Reduktionsversprechen
Um das 2-Grad-Ziel zu erreichen, dürfen laut der Uno-Umweltorganisation UNEP ab 2020 weltweit höchstens 44 Gigatonnen (Gt) Treibhausgase pro Jahre ausgestossen werden. Gegenüber einem Business-as-usual-Szenario bedeutet dies eine Reduktion um 12 Gt. Die im Rahmen des Kopenhagen-Akkords von verschiedenen Staaten abgegebenen, an Bedingungen geknüpften Maximalversprechen ergeben bestenfalls eine Reduktion um 7 Gt. Es bleibt also eine Lücke von mindestens 5 Gt. Glaubt man der Wissenschaft, käme es mit den versprochenen Massnahmen bis Ende des Jahrhunderts zu einem Temperaturanstieg von 2,5 bis 5°C. Bei einem linearen Temperaturanstieg könnte die 2-Grad-Grenze demnach im schlimmsten Fall bereits in 30 Jahren überschritten sein. Dabei herrscht erst noch Uneinigkeit darüber, ob nicht schon ab einer globalen Erwärmung um 1,5 °C eine unkontrollierbare Entwicklung mit verheerenden Folgen drohen würde.
Industrieländer hinken Entwicklungsländern nach
Bisher haben die Industrieländer eine Reduktion ihrer Treibhausgasemissionen von 7 bis 13 Prozent bis 2020 zugesagt (gegenüber 1990). Zum Erreichen des 2-Grad-Ziels bräuchte es laut UNEP aber mehr als das Doppelte, nämlich 25 bis 40 Prozent. Danach wäre bis 2050 eine weitere rasche Reduktion auf ein Fünftel der weltweiten Emissionen nötig.
Derzeit sind laut der Internationalen Energieagentur die OECD-Staaten für 40 Prozent aller Emissionen verantwortlich und für 25 Prozent der weltweiten Emissionszunahme. In Tonnen gemessen sind heute also die Entwicklungsländer die Hauptemittenten. Nicht aber beim Pro-Kopf-Ausstoss: Mit 10 Tonnen pro Jahr stossen die OECD-Länder pro Kopf fast fünfmal mehr aus als der Reste der Welt. Eine US-Amerikanerin emittiert im Schnitt mehr als dreimal so viel CO2 als eine Chinesin.
Obwohl die Entwicklungsländer historisch gesehen nur zu einem Viertel für den Klimawandel verantwortlich sind, haben sie laut einer Studie des Stockholm Environment Institute mehr Reduktionen versprochen als die Industrieländer. China könnte demnach bis 2020 doppelt so viel reduziere wie die USA. Alle Entwicklungsländer zusammen könnten mehr als das Dreifach der von der EU versprochenen Reduktionen erreichen. Internationale NGOs fordern daher von den Industriestaaten, in Durban ihrer Verantwortung nachzukommen und die nötigen Emissionsreduktionen bis 2020 zuzusagen. Zudem sollten sie klar aufzeigen, mit welchen Massnahmen sie die Dekarbonisierung ihrer Wirtschaft bis 2050 erreichen wollen.
Die Zukunft des Kyoto-Protokolls
Das Kyoto-Protokoll regelt nicht nur die Emissionsreduktionen für Industrieländer. Es enthält auch Mechanismen, wie die Industrieländer zur Erfüllung ihrer Verpflichtungen Klimaschutzprojekte in ärmeren Ländern unterstützen und damit CO2-Zeritifikate generieren können. Seit der Protokoll-Ratifizierung 2005 sind Hunderte von Projekten angelaufen, die über den CO2-Zertifikathandel finanziert werden. Läuft der Vertrag im kommenden Jahr ohne Nachfolgeabkommen aus, stehen auch viele Investitionen und Arbeitsplätze auf dem Spiel.
Japan, Kanada und Russland haben bereits angekündigt, ein Folgeabkommen nicht zu unterzeichnen. Die EU und die Schweiz haben die Unterzeichnung bisher an die Bedingung geknüpft, dass sich auch die grossen Schwellenländer darin zu Reduktionen verpflichten. Derzeit sieht es aber so aus, als könnte sich die EU für Durban auf eine Verlängerung es Klimavertrags bis 2018 einigen – unter der Bedingung, dass er dann durch einen neuen ersetzt wird, der alle grossen Emittenten umfasst.
Kommt es in Durban zu keiner Einigung, wären weiteren Emissionssteigerungen weltweit Tür und Tor geöffnet. Dann könnte es auf der Erdkugel noch schneller als erwartet heiss zu- und hergehen. Warm anziehen muss sich dann wohl bald niemand mehr.



Der Green Climate Fund.
An der Uno-Klimakonferenz in Cancún beschloss die Staatengemeinschaft 2010 die Schaffung eines neuen Fonds zur Unterstützung der Entwicklungsländer. Es soll Massnahmen zur Emissionsreduktion sowie zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels finanzieren. ein "Übergangskomitee" ist derzeit daran, die Details seiner Funktionsweise festzulegen. 15 Komiteemitglieder stammen aus Industriestaaten (darunter der Chef des Schweizerischen Bundesamtes für Umwelt) und 25 aus Entwicklungsländern.
Die Zivilgesellschaft ist nicht vertreten. Unklar ist, wie der Fonds finanziert und nach welchen Kriterien das Geld verteilt werden soll. Problematisch ist zudem, dass die Weltbank die finanzielle Verwaltung für die ersten drei Jahre übernimmt. Viele NGOs hatten sich wegen der widersprüchlichen Politik der Bank in Klimafragen dagegen gewehrt.
Der Beitrag von Nicole Werner, der Programmverantwortlichen für Internationale Umwelt- und Klimapolitik bei Alliance Sud, wurde Global+, dem Magazin von Alliance Sud zu Globalisierung und Nord/Süd-Politik, Nr. 43, Herbst 2011, entnommen. Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung.