Unternehmen und Menschenrechte: Schweiz muss umdenken
Bei Bundesrat, Verwaltung und Parlament haben Wirtschaftsinteressen eindeutig Vorrang vor Menschenrechten und Umweltschutz. Dies zeigte die Diskussion mit Vertreterinnen und Vertretern aus Verwaltung, Parlament und Zivilgesellschaft anlässlich des Symposiums "Unternehmen und Menschenrechte. Verantwortung klären" von Brot für alle, Fastenopfer und Cotmec. Ausserdem wurden konkrete Vorschläge diskutiert, wo sich die Schweiz bezüglich sozialer und ökologischer Unternehmensverantwortung aktiver verhalten könnte.
Botschafter Jean Jacques Elmiger vom Staatssekretariats für Wirtschaft stellte klar, wo das seco die Verantwortung von Unternehmen in Bezug auf Menschenrechte sieht: "Die soziale Verantwortung liegt eindeutig bei den Unternehmen selbst. Die Schweiz kann nur eine unterstützende Rolle spielen. Die internationalen Unternehmen müssen nicht die Mängel der Staaten ausgleichen, in denen sie tätig sind, aber sie müssen die Menschenrechte respektieren." Die Einhaltung der Menschenrechte dürfe aber, so Elmiger, die Konkurrenzfähigkeit der Unternehmen nicht beeinträchtigen. Er erwähnte wichtige Regelwerke, welche die Firmen bereits beachten müssen. Unter anderem die Leitlinien für eine Nachhaltige Entwicklung, wie sie der Bundesrat nach Rio festlegte oder die revidierte Beschaffungsverordnung, welche Normen der Internationalen Arbeitsorganisation ILO übernimmt.
Mehr Engagement von der Schweiz gefordert
Chantal Peyer, Verantwortliche für Entwicklungspolitik bei Brot für alle in Lausanne, hielt dem entgegen, dass sich die Schweiz bei den aktuellen Debatten im Rückstand befinde: Der Uno-Sonderbeauftragte für Menschenrechte in transnationalen Unternehmen, John Ruggie, hat einen neuen Bezugsrahmen für die Einhaltung der Menschenrechte in Unternehmen geschaffen. Gemäss seinem Bericht haben die Staaten die Pflicht, die Menschenrechte zu schützen. Damit müssen sie auf politischer und juristischer Ebene aktiv Massnahmen zu ergreifen, welche die transnationalen Unternehmen mit Sitz im eigenen Land in die Pflicht nehmen. Innerhalb der Europäischen Gemeinschaft fanden im November 2009 Gespräche über die konkrete Umsetzung der Vorgaben statt. Mehrere europäische Länder haben inzwischen eine nationale Politik dazu verabschiedet. In der Schweiz hat die offizielle Diskussion darüber noch nicht einmal begonnen.
Mehr Engagement von der offiziellen Schweiz forderte auch Franziska Teuscher, grüne Nationalrätin und Vizepräsidentin der Grünen Schweiz. "Zahlreiche Interpellationen bezüglich Menschenrechten hat der Bundesrat immer wieder mit dem gleichen Argument abgelehnt: Es dürfe kein Wettbewerbsnachteil für Schweizer Unternehmen entstehen." Deshalb, so die Nationalrätin, bleibe der öffentliche Druck notwendig, um bei Parlament und Bundesrat Bewegung in diesen Fragen zu erreichen. Wichtig sei insbesondere eine aktive Rolle der Schweiz bei der Überarbeitung der OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen.
"Es braucht eine Grundsatzdiskussion, die es ermöglicht, eine klare politische Agenda zu definieren", sagte Chantal Peyer. Auf diese gehören für Brot für alle und Fastenopfer auch die Revision des Kontaktpunktes für die OECD-Richtlinien für multinationale Unternehmen. Gefordert sind zudem juristische Massnahmen wie etwa die Verpflichtung von Unternehmen, ihre Finanzflüsse pro Land öffentlich machen und dabei anzugeben, wie viel Geld sie an die jeweiligen Regierungen der Länder bezahlen, in denen sie tätig sind (das so genannte "country by country reporting"). Und der Bundesrat muss im Rahmen der Schweizerischen Gesetzgebung nach Möglichkeiten suchen, die Sorgfaltspflicht von Unternehmensleitungen gesetzlich zu verankern, um Menschenrechtsverletzungen durch das Unternehmen oder seine Tochterfirmen zu vermeiden.
Änderung der Schweizer Gesetzgebung
Eine mögliche Pionierrolle für die Schweiz sah Franziska Teuscher hinsichtlich einer verbesserten Möglichkeit für Opfer von Menschenrechtsverletzungen durch Unternehmen, vor Schweizer Gerichten zu klagen. Carlos Lopez von der Internationalen Juristenkommission bestätigte, dass die Möglichkeit der Opfer, Beschwerde einzureichen, zentral sei und dass deshalb unbedingt Präzedenzfälle geschaffen werden müssten.
Zum Schluss bekräftigten Beat Dietschy, Zentralsekretär von Brot für alle und Antonio Hautle, Direktor von Fastenopfer die Wichtigkeit des Dialogs zwischen Staat, Nichtregierungsorganisationen und Wirtschaftsvertretern und signalisierten, dass die beiden Organisationen sich auch in Zukunft in diesen Fragen engagieren werden.
Für weitere Informationen
Jean-Claude Huot, Leiter Romandie, Fastenopfer, 079 229 18 45
Miges Baumann, Leiter Entwicklungspolitik, Brot für alle, 079 471 66 60