Die UN Welttourismusorganisation soll die Klimaemissionen für den Fluverkehr so berechnen lassen, wie es nach neusten wissenschaftlichen Erkenntnissen richtig gemacht wird – und nicht so, wie es der Luftfahrtbranche am besten passt. Das fordern internationale Umweltorganisationen und tourismuskritische Organisationen, darunter auch der arbeitskreis tourismus & entwicklung, in einem offenen Brief an Francesco Frangialli, dem Generalsekretär der UN Welttourismusorganisation.

Basel, 11.07.2008, akte/ Am diesjährigen „Tag der Umwelt“ am 5. Juni gab die UN Welttourismusorganisation UNWTO ihre Zusammenarbeit mit der internationalen Zivilluftfahrt-Organisation (ICAO), bekannt. Deren Emissionsrechner lobt die UNWTO als „unvoreingenommenes und transparentes Instrument des Klimaschutzes“. Reisebranche und Reisende werden aufgefordert, bei ihren Flügen diesen Rechner als Grundlage für freiwillige CO2-Kompensationszahlungen zu nutzen. Den gleichen Rechner lobt aber auch die Dachorganisation der Fluggesellschaften, die IATA. Was doch stutzig macht.

Naturfreunde Internationale, der Dachverband der nationalen Naturfreunde-Vereine, hat genauer hingeschaut und gesehen, was diesen Rechner für die Flugbranche attraktiv macht: Er berechnet das emittierte Treibhausgas so, wie wenn es auf der Strasse ausgestossen würde. Heute gilt aber als unbestritten, dass bei den Flugemissionen der Faktor Flughöhe mitberechnet werden muss. Denn dort wirken Treibhausgase viel stärker Klima erwärmend.

„Radiative Forcing Index“  – RFI
Betrachtet man die Summe der menschlichen Aktivitäten weltweit, so ist der CO2-Ausstoß die Hauptursache für den Mensch gemachten Treibhauseffekt. Es gibt jedoch weitere Treibhausgase, deren Erwärmungswirkung höher ausfällt, wenn sie in mehreren Kilometern Höhe ausgestoßen werden. Berücksichtigt man neben dem CO2 auch die anderen Treibhausgasemissionen des Flugverkehrs wie z.B. Wasserdampf und Stickoxide, so ergibt sich für die Flugverkehrsemissionen im Durchschnitt eine rund 2,7 mal so große Erwärmungswirkung wie die des CO2-Anteils alleine (die Wirkung auf die Erderwärmung wird mit dem "Radiative Forcing Index", kurz RFI, gemessen). Bezüglich des genauen Werts des RFI der Flugverkehrs-Emissionen bestehen noch wissenschaftliche Unsicherheiten, aber es gilt als sicher, dass er im Vergleich zum CO2-Anteil um das Zwei- bis Vierfache höher liegt. Gerade beim Flugverkehr ist es daher wichtig, nicht den CO2-Ausstoß als Messgröße für die Erwärmungswirkung heranzuziehen, sondern den RFI.

Die Deutsche Regierung, die Kompensationsorganisation Atmosfair, der WWF – sie alle berechnen den Treibhauseffekt mit dem RFI 3. Nach ihrer Rechnung werden bei einem Flug von Frankfurt nach New York 2000 kg Treibhausgas ausgestossen. Der ICAO-Rechner kommt auf 416 kg.

Tourismuswachstum versus Klimaschutz und Armutsbekämpfung
Vor kurzem haben wiran dieser Stelle den fundierten Bericht der UN Welttourismusorganisation UNWTO zu Klimawandel und Tourismus zur Kenntnis genommen. Allerdings fragten wir uns, wie wohl die UNWTO Tourismuswachstum und den forcierten Ausbau von neuen „nachhaltigen“ Tourismusstrukturen mit der Armutsbekämpfung und den Massnahmen gegen Klimaerwärmung unter einen Hut zu bringen gedenke. Damit das Engagement der UN Welttourismusorganisation ernst genommen werden kann, so fordern die Unterzeichneten im offenen Brief, soll sie ihre Berechnung der Treibhausgasemissionen auf den neusten Stand der Wissenschaften bringen, die ICAO, dazu bringen, dasselbe zu tun und davon absehen, Rechner zu empfehlen, welche den RFI nicht berücksichtigen.
Quellen: Naturfreunde Internationale, Germanwatch, eigene Recherchen, Foto: www.unep.org, offizielles Motto zum diesjährigen Welt-Umwelttages

Offener Brief (pdf)
Der Brief wird in Kürze bei Naturfreunde Internationale zur Mitunterzeichnung aufgeschaltet