USA-Frankreich: Mickey im Gegenwind
Der zähe Widerstand von KritikerInnen aus Kultur- und Umweltkreisen hat die mächtige Walt Disney Company in die Knie gezwungen: Der bereits bewilligte 650 Millionen schwere historische Themenpark wird nicht wie vorgesehen beim Schlachtfeld Manassas im US-Bundesstaat Virginia gebaut werden. Auf dem 1200 Hektaren umfassenden geschichtsträchtigen Gelände sollte ursprünglich die amerikanische Vergangenheit von den Meistern des Faches zu einem Disneyland aufbereitet werden, garniert mit Hotels, Wohnungen, Büros, Shopping-Centers und – natürlich – einem Golfplatz. BesucherInnen sollten im Park «authentisch» spüren können, was es hiess, Sklave zu sein, oder Weltkriegs-Luftkämpfer – ein Vorhaben, das auf energischen Protest bei amerikanischen HistorikerInnen stiess. Zu Fall brachte das Projekt schliesslich die massive Kritik der UmweltschützerInnen, die vor der Mehrbelastung der prognostizierten 77’000 zusätzlichen Autofahrten pro Tag warnten. Nun muss sich Walt Disney Co. nach einem neuen Standort umsehen, ein harter Schlag für Mickey, nachdem sich bereits das Finanzgenie Donald – «Onc› Picsou», wie er sinnigerweise in Frankreich heisst – mit dem Eurodisney in beträchtliche Nöte gestürzt hat.
Für die vielen geprellten Kleinaktionäre in Frankreich kommt allerdings das Lehrstück des Widerstandes reichlich spät. Begeistert hatten sie 1989 die neuen Mickey-Aktien zu 36 Francs erworben, die bei der Eröffnung von Eurodisney ihren Wert quasi verdoppelten. Im vergangenen August jedoch fiel der Kurs auf den historischen Tiefstand von 7,55 Francs pro Aktie, zwei Drittel des Einsatzes der Kleinsparer hat sich also bereits in Rauch aufgelöst. Und der Finanzexperte Nigel Reed schätzt den realen Wert der Aktie gerade noch auf 1,60 Francs.
ATP-Meldung 29.9.94; Basler Zeitung 30.9.94; Le Canard enchaîné‚ 7.9.94; Le Monde 31.8.94/cp