Corporate Social Responsibility (CSR), die gesellschaftliche Verantwortung eines Unternehmens, gehört heute zumindest für börsenkotierte Unternehmen der EU zur Pflicht. Die Meinungen darüber, was diese Verantwortung umfasst, liegen allerdings weit auseinander. Der Dachverband von 127 kleineren Reiseanbietern forum anders reisen (far) will das soziale und ökologische Engagement seiner Mitglieder mess- und ausweisbar machen und bis 2012 zertifizieren. Den Leitfaden dazu hat far zusammen mit der Kontaktstelle für Umwelt & Entwicklung (KATE) erarbeitet. Am 4. Juni 2008 in Basel stellten sich far-Geschäftsführer Roland Pfeifer und die stellvertretende Geschäftsleiterin von KATE, Angela Giraldo, kritischen Fragen rund um ihr Vorhaben, in Sachen CSR bei Reiseveranstaltern den Lead zu übernehmen.
Basel, 07.06.2008, akte/ Die Europäische Kommission definiert CSR als Konzept „das den Unternehmen als Grundlage dient, auf freiwilliger Basis soziale Belange und Umweltbelange in ihre Unternehmenstätigkeit und in die Wechselbeziehungen mit den Stakeholdern zu integrieren“. Im Tourismus beschreibt CSR gemäss Angela Giraldo, der stellvertretenden Geschäftsführerin von KATE, den Beitrag der Branche zu einer nachhaltigen Entwicklung durch die Übernahme sozialer und ökologischer Verantwortung im Kerngeschäft: „CSR-Berichte müssen messbare Auskunft über die Auswirkungen ihrer Geschäftstätigkeit geben. Es reicht nicht, ein paar wohltätige Projekte zu unterstützen.“ Das will auch die Kundschaft, bekräftigt Rolf Pfeifer, Geschäftsführer von forum anders reisen. In den letzten drei Jahren liessen sich Massenprodukte nur noch an eine schlechter verdienende Kundschaft verkaufen. Die übrigen Reisenden seien zunehmend anspruchsvoller. „Viele fragen auch, was ihre Reise der Lokalbevölkerung bringt, oder ob das Schildkrötenreservat auch wirklich artgerecht geführt wird.“

Benchmarks der Nachhaltigkeit
Was bleibt im Land, wenn die Touristen weg sind? Wie viel Emissionen verursacht eine Urlaubsreise? Seit seiner Gründung haben sich die im forum anders reisen zusammengeschlossenen Reiseveranstalter auf einen umfassenden Kriterienkatalog der Nachhaltigkeit verpflichtet. Dieser diente zusammen mit bestehenden Standards (EMAS, ISO und Global Reporting Initiative) als Grundlage für die Erarbeitung eines CSR-Prozesses für kleinere Reiseveranstalter. Der Prozess ist zum einen dazu gedacht, Wissenslücken zur Nachhaltigkeit bei den Veranstaltern zu schliessen und zu steten Verbesserungen zu führen. Zehn Bereiche werden mit Benchmarks bewertet:
• Anteil der lokalen Wertschöpfung in der Destination
• Rücklaufquote Kundenbefragung
• Zufriedenheitsindex Kunden
• Katalog-Gramm pro Reisenden
• CO2-Emissionen gesamt und pro MA
• Zufriedenheitsindex Mitarbeitende
• Erfüllungsgrad der Nachhaltigkeitsaspekte der Partneragenturen
• Erfüllungsgrad der Nachhaltigkeitsaspekte der Unterkünfte
• Erfüllungsgrad der Nachhaltigkeitsaspekte der Reiseleitung
• CO2-Emissionen pro Gast/Tag [Bei Gruppenreisen in Europa (unter 2’000 km) und weltweit (über 2’000 km)]
Das Zertifikat soll künftig erhalten, wer mindestens die Hälfte einer als Ziel gesetzten Gesamtpunktzahl erreicht. Vorerst werden jedoch Daten von Unternehmen gesammelt, auf deren Grundlage das weitere Vorgehen im Detail konzipiert werden soll.
Mutig vorangehen, Kompetenzen aufbauen
In der vom arbeitskreis tourismus & entwicklung organisierten Diskussionsrunde „Verantwortlich handeln, statt saubere Sprüche klopfen“ zum CSR der Reiseveranstalter wurde der mutige Beschluss von forum anders reisen gelobt. Kritisch wurde aber auch nachgefragt, wer denn eingrenzt, was zur Wertschöpfung gehört, und auf welcher Grundlage die Benchmarks von eins bis zehn vergeben werden. Und warum sich forum anders reisen nicht auf eine Verifizierung der Nachhaltigkeitsberichte beschränkt und auf ein weiteres Gütesiegel im Labeldschungel verzichtet. Rolf Pfeifer und Angela Giraldo diskutierten beherzt – und nahmen Anregungen aus dem Fachpublikum sehr offen entgegen. Sie unterstrichen aber auch, wie wichtig es ist, Zielsetzung und Messlatte bei diesem CSR-Einführungsprozess hoch zu halten, um effektiv beteiligte Akteure und die Lokalbevölkerung in den Zielgebieten besser am Tourismus zu beteiligen und dabei gleichzeitig die Reiseveranstalter sichtbar auszuzeichnen, die sich darum bemühen. Marc Schmid, Präsident des arbeitskreises tourismus & entwicklung, zog Bilanz zur Diskussion: „Es ist ein Prozess, ein Herantasten an die Nachhaltigkeit, eine Entwicklung, bei der viel Kompetenz auch aufgebaut wird und werden muss. Es ist eine Bildungsarbeit bei den Mitgliedern des forums anders reisen, wie wir sie auf dem Portal fairunterwegs.org den Reisenden und der Branche bieten. Und es ist ein mutiges Vorangehen der beteiligten Reiseveranstalter. Sie wollen sich behaften lassen und ausweisen, was sie in sozialer und ökologischer Nachhaltigkeit zu bieten haben.“

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