Zu oft hängt über Afrika der Fluch der Vorurteile. Nicht nur der Kontinent, jedes Land provoziert oberflächliche Bilder, welche die Realität verzerren. Das zeigt sich gerade am kleinen Eritrea, dessen Regime rasch mit jenem Nordkoreas gleichgesetzt wird und das uns viele junge Flüchtlinge zutreibt. Aber warum? Weil sie unterdrückt und verfolgt werden, ewig Militärdienst leisten müssen oder "nur" weil sie bei uns eine Arbeit und bessere Zukunft suchen?

In den letzten Monaten hat sich in der Schweiz das Bild über Eritrea verändert, das Land wurde genauer unter die Lupe genommen. Nicht zuletzt auch dank dem Basler Afrikakenner und Juristen Hans-Ulrich Stauffer (66). Der Mitbegründer des sich für Menschenrechte einsetzenden Afrika Komitees hat Eritrea viele Male und bereits während des Befreiungskriegs gegen Äthiopien besucht. Bei seiner Reise im letzten Jahr führte er nebenbei eine Delegation von Schweizer ParlamentarierInnen durchs Land – ungehindert. Jetzt hat Hans-Ulrich Stauffer, auch Honorarkonsul der Kap Verden, sein neustes Buch veröffentlicht, in dem er dem kleinen Land am Roten Meer gerecht zu werden versucht: "Eritrea – der zweite Blick".
Dieser Blick ist angenehm differenziert, geht gut lesbar auf Land und Leute, die Geschichte, Politik, Wirtschaft und Kultur ein. Hans-Ulrich Stauffer nennt alle fassbaren Missstände, zeigt aber auch konkret, dass die EritreerInnen mit ihrem Willen zur wirtschaftlichen Eigenständigkeit und Unabhängigkeit einen beispielhaften Weg beschreiten. Mehr noch: Eritrea steht selbst bei den Menschenrechten vielfach besser da als etwa der vom Westen gehätschelte Nachbar Äthiopien, gegen dessen Machtgelüste sich die EritreerInnen militärisch immer noch wehren müssen. Wird dieser Konflikt entschärft, übergeben die ideologisch oft versteiften Regierenden jüngeren Generationen die Macht und bemüht sich auch die internationale Gemeinschaft ernsthaft um einen "zweiten Blick" und einer Änderung ihrer Haltung, so hat Eritrea laut Hans-Ulrich Stauffer sogar das Zeug, zu einem Musterbeispiel für andere afrikanische Staaten zu werden. Eine für Afrika-Interessierte empfehlenswerte Lektüre!
Siehe auch das Interview mit Hans-Ulrich Stauffer auf www.onlinereports.ch "Die Schweiz verkennt die Leistung der eritreischen Staatsführung". Das Buch, mit einem Nachwort von Ruedi Küng: "Eritrea – der zweite Blick", Rotpunktverlag.