Von Weihnachtskugeln und dem Leben in Containern
Eine Reise in den Gazastreifen steckt immer voller Überraschungen. Mit den Einreisebewilligungen der Israelischen sowie der Hamas-Regierung in der Tasche muss man nach dem Flughafen Ben Gurion noch weitere drei Checkpoints überwinden. Als Ausländerinnen sind wir privilegiert und können uns auf beiden Seiten relativ frei bewegen. Nach dem Gang durch einen zwei Kilometer langen Korridor durchs Niemandsland zwischen Israel und Gaza, geht es dann per Taxi Richtung Gaza-Stadt.
Während die Aufbauarbeiten nach dem Gazakrieg 2014 im kleinen Rahmen gut voranschreiten, leben nach wie vor viele Menschen in behelfsmässigen Unterkünften oder in den Ruinen ihrer Häuser. Frauen sind von diesen Zuständen am meisten betroffen. Sie müssen die fast unmögliche Aufgabe bewältigen, mit äusserst bescheidenen Mitteln für ihre Grossfamilien zu sorgen. Gleichzeitig den Kindern ein Gefühl der Geborgenheit vermitteln und selbst über ihr Trauma hinwegkommen, bringt sie an ihre psychischen und physischen Grenzen.
Beten um einen sonnigen nächsten Tag
Die Verzweiflung der Frauen schwappt mir während eines Besuchs in einem sogenannten Container-Camp förmlich entgegen. Seit bald einem Jahr hausen die Menschen in Caravans mit einer Grundfläche von acht Quadratmetern. Wegen der sich verschlechternden hygienischen Verhältnisse und des hereinbrechenden Winters breiten sich vor allem bei den Kindern allmählich Krankheiten aus. "Wir beten jeden Abend um einen sonnigen nächsten Tag", berichten sie mir, denn nur so können sich die Frauen mit ihren Kindern etwas aufwärmen.
Kurz nach dem Krieg war das Interesse und das Engagement von Hilfsorganisationen sehr gross. Nun, nach bald eineinhalb Jahren, sind die Menschen im Gazastreifen resigniert und fühlen sich im Stich gelassen. PWWSD ist eine der wenigen Organisationen, die kontinuierlich und regelmässig Unterstützung im Container-Camp leistet. Die psychosozialen Angebote für Frauen und Kinder werden rege in Anspruch genommen und sehr geschätzt. Sie verhindern, dass die Hoffnungslosigkeit und Depressionen überhandnehmen. Nach anfänglicher Zurückhaltung und Scheu möchten mich am liebsten alle zu sich zum Tee oder Kaffee in ihre bescheidenen Unterkünfte einladen. Überwältigt von der Gastfreundschaft dieser Menschen, die nicht nur ihren Besitz, sondern oft auch Familienmitglieder verloren haben, fahre ich von Khan Younis zurück nach Gaza-Stadt.
Touristengruppen haben ihre Pilgerreise storniert
In unzähligen Gesprächen mit den EinwohnerInnen erfahre ich wichtige Informationen über die aktuelle humanitäre und politische Lage. Dieser persönliche Austausch ist äusserst wichtig, da lokale und internationale Medien oft ein ungenaues und tendenziöses Bild der Situation vor Ort aufzeichnen. Meine Reise schliesse ich mit Treffen in Jerusalem und Ramallah ab. In der Jerusalemer Altstadt, wo es während der Weihnachtszeit normalerweise vor Menschen wimmelt, warten die Weihnachtskugeln vergeblich auf KäuferInnen. Nach unzähligen gewalttätigen Übergriffen meiden PalästinenserInnen und Israelis Menschenmengen, viele Touristengruppen haben ihre Pilgerreisen kurzfristig storniert. Eine politische Lösung des Konfliktes ist auch nach Jahrzehnten nicht in Sicht. Trotzdem bleibt die Hoffnung, dass das neue Jahr mehr Stabilität bringt, damit vor allem auch junge Menschen im Nahen Osten längerfristige Lebensperspektiven entwickeln können.