Bis auf wenige Ausnahmen stellt die grosse Mehrheit der Fachwelt den Klimawandel nicht infrage. Allein die Berichte des Weltklimarates (IPCC) legen allen Zweifelnden hohe Hürden für eine gegenteilige Argumentation auf. Zu ähnlichen Ergebnissen kommen seit 2009 auch das Kinderhilfswerk Unicef, die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation FAO und die Weltgesundheitsorganisation WHO. Sie berichten von steigenden Durchschnittstemperaturen, häufigeren Extremwetterereignissen wie Stürmen, Dürren oder Hitzesommern, unkalkulierbar gewordenen Wetterperioden und Vegetationsperioden in der Landwirtschaft, einem kontinuierlich ansteigenden Meeresspiegel. In jüngerer Zeit folgten Berichte, dass etwa in Westafrika der steigende Meeresspiegel ganze Küstenstreifen verschlingt, von Mauretanien bis Kamerun, und auch die Metropole Lagos (Nigeria) ist bedroht. Für Nordafrika wird prognostiziert, dass einige Regionen so heisse Temperaturen haben werden, dass sie nicht mehr bewohnbar sind. Hingegen können die Sahelstaaten voraussichtlich mit mehr Regen rechnen. In Regionen um den Äquator geht die Ernte von traditionellen Grundnahrungsmitteln und mithin die Ernährungssicherheit kleinbäuerlicher Familien messbar zurück. In ähnlicher Weise verschärfen Projekte zum Ausgleich des Klimawandels soziale Konflikte. In Honduras führt ein Palmölmühlenprojekt zugunsten der Plantagenbewirtschaftung zum Landraub bei kleinbäuerlichen Familien, in Panama enteignet die Energiegewinnung mittels Stausee Barro Blanco indigene Dorfgemeinschaften, in Kenia werden die traditionell von der Weidewirtschaft lebenden Massai zugunsten einer Geothermie-Anlage vertrieben. Von den vielen Nachrichten dieser Art kommen nur wenig in den Ländern an, in welchen die meisten Treibhausgase produziert werden. Die Auswirkungen sind für die dortige öffentliche Aufmerksamkeit oftmals nicht katastrophal genug. Darüber hinaus kaufen sich die Industrieländer von Emissionsminderungen im eigenen Land frei. Das ist billiger und wiederum weniger schlagzeilenträchtig.

Menschenrechte in Bedrängnis

Die skizzierten Folgen des Klimawandels verweisen darauf, dass Menschenrechte wie das Recht auf sauberes Trinkwasser, Nahrung, Gesundheit, auf angemessenen Lebensstandard, auf Territorialrechte indigener Völker oder auch auf die Staatsbürgerschaft direkt in Mitleidenschaft gezogen werden. Letzteres betrifft etwa Inselstaaten, die vom Verschwinden bedroht sind. Der Weltklimarat hat Studien über die Lage von Menschen an Küsten, Flussufern und in Gebirgen erstellt, die Hunderte Millionen in Indien, Bangladesch, China, in den Anden, in Lateinamerika, im südlichen Afrika oder auch in der Mittelmeerregion von Flutungen oder Dürren betroffen sehen. Der IPCC schätzt, dass die für das Jahr 2020 vorausgesagte Zahl von 50 Millionen Hungernden sich bei gleichbleibender Entwicklung auf 266 Millionen in 2080 erhöht haben wird. Mangelernährung, Ruhr und endemische Krankheiten wie Malaria oder Dengue-Fieber werden laut WHO insbesondere für Kinder desaströse Folgen haben. Im Juli 2011 stellte der Uno-Sicherheitsrat in einem Statement des Ratspräsidenten fest, dass die Folgen des Klimawandels eine weltweit auftretende Gefahr für den sozialen Frieden und die wirtschaftliche Entwicklung darstellen. Im Vergleich zu diesen Szenarien hinkt die Berücksichtigung menschenrechtlicher Standards im Klimarahmenvertrag und in den Ergebnissen der Vertragsstaatenkonferenzen (COP) weit hinterher. Selbst das bislang anspruchsvollste Dokument, das Pariser Klimaabkommen von 2015 (COP 21), spart menschenrechtliche Massstäbe zur Einordnung der Klimapolitik weitgehend aus. Die vielfältigen Eingaben des Hohen Kommissars für Menschenrechte und mehrerer Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen im Vorfeld der Pariser Konferenz schafften es lediglich als hehres Ziel in die Präambel. Die Einhaltung von Menschenrechten bei Klimaschutzprojekten wird nicht geprüft. Auch der Clean Development Mechanism (ein im Kyoto-Protokoll vorgesehener Mechanismus zur Reduktion von Treibhausgas-Emissionen) ist bislang bar jeglicher menschenrechtlicher Kriterien zur Bewertung solcher Massnahmen. 

Warum Menschenrechte?

Eine menschenrechtsbasierte Klimapolitik hätte vor allem für Betroffene entscheidende Vorzüge, wenn über Massnahmen zur Anpassung oder Vermeidung, Technologietransfer, Ausstattung von Fonds und nicht zuletzt methodische Fragen beim Monitoring verhandelt und entschieden wird. Es macht einen Unterschied, ob solche Massnahmen auch mit Grundrechten oder nur mit ökologischen Erfordernissen abgeglichen werden. Menschenrechtliche Standards sind eindeutig, kommen überall mit denselben Begriffen zur Anwendung und beinhalten die unmittelbare Beteiligung der Betroffenen. Gerade im Kontext des Klimawandels ist es nicht verständlich, warum sich die lokale Bevölkerung und ganz allgemein nichtstaatliche Akteure bislang höchstens mittelbar und informell an der Ausgestaltung, Planung und Umsetzung von Klimamassnahmen beteiligen können. Die Chance, dass menschenrechtsbasierte Verhandlungen näher an der Dringlichkeit und Tragweite für die unmittelbar Betroffenen lägen, ist gross. Zweifelsohne stellt der Klimawandel ein komplexes Zusammenspiel mehrerer Faktoren dar, kausale Abläufe sind die Ausnahme. Gleichwohl kann die Verantwortung für klimaschädliches Handeln zugeordnet werden. Dies erkennen inzwischen sogar Gerichte an. Das Oberlandesgericht in der deutschen Stadt Hamm hielt im November 2017 die Klage eines Bauern aus Peru gegen den deutschen Energiekonzern RWE und dessen Mitverantwortung für den Klimawandel für schlüssig. In gleicher Weise sind menschenrechtlich basierte Pflichten eines Staates gegenüber den Opfern des Klimawandels regelbar; etwa über die Rechtsfigur der sogenannten extraterritorialen Staatenpflichten.

Drohender Gesichtsverlust

Wenn alles so naheliegend scheint, warum wird es nicht eingesetzt? Einer der wesentlichen Gründe dafür ist so simpel wie politisch abgründig: Menschenrechtliche Verpflichtungen der Staaten werden von unabhängigen Vertragsausschüssen, SonderberichterstatterInnen, dem Hochkommissariat für Menschenrechte jeweils penibel überprüft. Mängel und Verfehlungen werden ungeschminkt festgestellt. Alle Staaten, ohne Ausnahme, versuchen, einen solchen Ansehensverlust zu vermeiden. Seit dem Jahr 2008 versuchen vom Klimawandel betroffene Inselstaaten, Nichtregierungs- und Menschenrechtsorganisationen, beim Uno-Menschenrechtsrat in Genf ein Mandat zum Thema Klimawandel einzurichten. Auch westliche Länder wie Deutschland oder die Schweiz haben bis heute das ihnen Mögliche unternommen, ein solches Mandat zu verhindern. Menschenrechte als Grundlage zur Bewertung der Klimapolitik scheinen zu offensichtlich die Mankos in der Problembearbeitung zu benennen. Umso dringlicher ist es, dass wir uns für deren verbindliche Einbeziehung engagieren. 

Auswirkungen des Klimawandels

Unwetterkatastrophen wie Stürme, Starkniederschläge und Überflutungen kosten vielen Menschen das Leben. Schäden an Ökosystemen gefährden die Ernährungssicherheit bzw. Lebensgrundlagen.
Schmelzende Gletscher und die damit verbundene langfristige Verringerung der Wassermenge in Flüssen gefährden die Landwirtschaft und die Trinkwasserversorgung. Durch das Schmelzen des Eises an den Polkappen kommt es zu einem Anstieg des Meeresspiegels.
Durch den steigenden Meeresspiegel werden tief liegende Küstenzonen und ganze Inselstaaten langfristig unbewohnbar. Böden und Grundwasser versalzen.
Steigende Temperaturen und lang anhaltende Trockenzeiten führen zu Wüstenbildung und Dürren. Sie erschweren die Landwirtschaft und verschlechtern den Zugang zu sauberem Wasser. Seuchen wie Malaria nehmen zu. Hitzewellen und Smog belasten die Gesundheit.

Die wichtigsten Menschenrechte, die vom Klimawandel bedroht sind 

  • Recht auf Leben: Extreme Wetterereignisse in der Folge des Klimawandels führen direkt zu vielen Todesfällen, dazu kommen Dürren, Hitzewellen, Krankheiten mit weiteren Opfern. Auch vorsichtige Schätzungen gehen von gegenwärtig jährlich mehr als 150’000 Toten infolge von Ereignissen aus, die auf den Klimawandel zurückzuführen sind. Verschiedene Berichte sprechen von rund 400’000 Opfern pro Jahr, eine Zahl, die bis 2030 auf 700’000 ansteigen könnte.
  • Recht auf Nahrung: Die Weltbank schätzt, dass bei einem Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur um 2 Grad Celsius zwischen 100 Millionen und 400 Millionen Menschen mehr von Hunger bedroht wären als heute. Jedes Jahr könnten über 3 Millionen zusätzliche Todesfälle durch Unterernährung verursacht werden. 
  • Recht auf Wasser und Hygiene: Dem Weltklimarat IPCC zufolge wird in den meisten trockenen Regionen der Zugang zu sauberem Trinkwasser erschwert. Durch steigende Meeresspiegel sind auch in Küstengebieten Auswirkungen auf die Wasserverfügbarkeit zu erwarten. Laut einem Bericht der Weltbank kann ein durchschnittlicher Temperaturanstieg von 2 Grad weltweit dazu führen, dass 1 bis 2 Milliarden Menschen nicht mehr genügend Wasser haben, um ihren Bedarf zu decken.
  • Recht auf Gesundheit: Laut Berichten der Weltbank werden gesundheitliche Auswirkungen z. B. durch hitzebedingten Smog verschlimmert. Überschwemmungen führen vermehrt zu Infekten wie Malaria oder Durchfall. Höhere Unterernährungsraten verschlechtern die Lage zusätzlich.
  • Recht auf Selbstbestimmung: Die Folgen des Klimawandels schränken die Wahl der Menschen und ganzer Völker ein, ihren Lebensstil und ihre Existenzgrundlage frei zu wählen. Dazu kommt die Vertreibung von ganzen Völkern z. B. durch Überflutung von Inselstaaten.
  • Recht auf Wohnraum: Das Recht auf eine angemessene Unterkunft wird in vielerlei Hinsicht bedroht. Extreme Wetterereignisse zerstören die Häuser einer Vielzahl von Menschen direkt. Dürre, Erosion, Überschwemmungen und der ansteigende Meeresspiegel machen Gebiete unbewohnbar, was zu Vertreibung und Abwanderung führen kann.

Der Klimawandel betrifft aber auch viele weitere Rechte, wie z. B. das Recht auf Entwicklung oder die Rechte indigener Völker (z. B. durch Vertreibung). Dadurch, dass die Staaten ihre Ressourcen für die Bekämpfung der Auswirkungen des Klimawandels einsetzen müssen, werden Mittel für die Umsetzung verschiedener Menschenrechte eingeschränkt, so zum Beispiel für das Recht auf Gesundheit, auf Unterkunft oder das Recht auf Bildung. Die knapper werdenden Ressourcen können Gründe für bewaffnete Konflikte sein, die wiederum das Recht auf Leben gefährden.