Isatou Foon: «Vorurteile gegen Frauen ändern sich mit jeder Erfolgsgeschichte»
Isatou Foon lebt in der Stadt Janjanbureh im zentralen Flussgebiet von Gambia – dem von Senegal umgebenen westafrikanischen Staat mit etwa einem Viertel der Fläche und einem Viertel der Einwohnerzahl der Schweiz. An der Küste hat die Regierung die Tourismusentwicklung gefördert, trotzdem bleibt die Zahl auch in Janjanbureh überschauber: es kommen nur etwa Eintausend Reisende pro Jahr. Ein Geheimtipp also. Doch diesen internationalen Gästen wollen die Frauen, die Isatou Foon und ihre Kollegen (sie ist die einzige Frau im Team) für den Community Based Tourism begeistert haben, besondere Erlebnisse und Begegnungen ermöglichen. fairunterwegs wollte von Isatou Foon wissen, ob und wie die Frauen vom Tourismus in Gambia profitieren.
Du bist 25 Jahre alt und Präsidentin der Janjanbureh Tourguide Association. Wie kam es dazu?
Nach meinem Bachelor in Computerwissenschaften studiere ich derzeit Tourismus- und Hospitality-Management an der Universität von Gambia. 2018 sass ich nur so herum und ein Kollege erzählte mir von einer Tour-Guide-Schulung. Ich beschloss spontan, mich zu bewerben und wurde zum Glück angenommen. So wurde ich zuerst zum einfachen Tour-Guide und dann zum professional Tour-Guide ausgebildet. Einige Tour-Guides arbeiten schon seit über sechs Jahren auf diesem Beruf und haben einiges an Expertise aufgebaut. 2019 beschlossen meine Tour-Guide-Kolleginnen und -Kollegen und ich, uns in einem Verein zusammenzuschliessen. Wir liessen uns registrieren und sie wählten mich zu ihrer Präsidentin. Ich weiss nicht, womit ich sie beeindruckt habe. Jedenfalls ist das eine grosse Verantwortung und ich muss hart arbeiten, damit ich ihre Erwartungen erfülle und ihr Vertrauen ehre.
In einem Interview mit den österreichischen Naturfreunden sagst du, du seist Feministin – daher die Frage: Wie ist die Situation der Frauen im gambischen Tourismus?
Der Tourismus ist eine Frauenbranche und hat viel Potenzial, gerade für Frauen wie mich. Leider gibt es Reibungen zwischen der Rolle der Frauen im Tourismus und unserer Kultur und Gesellschaft. Von Reiseleiterinnen wird erwartet, dass Sie in verschiedene Teile des Landes oder sogar ausserhalb des Landes reisen, wenn es erforderlich ist. Doch in unserer Kultur erwartetet man generell von Frauen, dass sie zu Hause bleiben. Es gehört sich für sie nicht, ausserhalb ihrer Gemeinde oder gar ihres Landes mobil zu sein. Frauen, die in der Hotellerie arbeiten, werden von der Gesellschaft gerne abgewertet. Viele denken, dass Frauen nicht dort arbeiten sollten, gerade wenn sie auch in der Nacht arbeiten müssen. Sie befürchten, dass die Frauen ihre eigene Kultur vergessen, wenn sie in Hotels und Restaurants ausländische Gäste treffen. Aber ich glaube, dass sich die Denkweise der Menschen täglich ändert, mit all den Erfolgsgeschichten, die sie täglich hören und sehen, und so hoffen wir, dass wir das in den nächsten fünf Jahren nicht mehr erklären müssen, wenn es um Frauen im Tourismus geht.
Du animierst Frauen, Angebote für den gemeindebasierten Tourismus zu schaffen. Wie funktioniert das?
Vier Männer und ich wurden zu Jugendtrainern im gemeindebasierten Tourismus weitergebildet. Wir haben mit den Frauen rund um Janjanbureh bereits Weiterbildungen in Lebensmittelhygiene, Lebensmittelsicherheit, Reiseleitung und Produktentwicklung durchgeführt. In einem zweiten Schritt konzentrierten wir uns auf zwei Dörfer, bei denen wir das grösste Potenzial für Tourismusprodukte vermuteten und fragten die Frauen, was in ihrer Gemeinde für Gäste interessant sein könnte und was sie zu teilen bereit wären. Sie kamen mit vielen Vorschlägen und wir helfen ihnen Produkte und Erlebnisse für Touristinnen und Touristen zu entwickeln. Die meisten Frauen machen Kunsthandwerk: Batik, wunderschöne Salinas (schulterfreie Kleider mit Puffärmeln), T-Shirts, Tischdecken, die Touristinnen und Touristen kaufen und bequem in den Koffer bekommen, um sie dann mit nach Hause zu nehmen.
Die zwei Dörfer heissen Tabanani und Jamali: Tabanani ist eine Mandika-Gemeinschaft, während Jamali eine Fula-Gemeinschaft ist. Die Mandika und die Fula sind zwei grössere Ethnien in Gambia. Wer diese Dörfer besucht, hat die Gelegenheit, gambische Einheimische und ihren Alltag, das Dorfleben, den kulturellen Geschmack sowie historische und moderne Artefakte kennenzulernen. Die Gäste erfahren, wie das Gemüse, das sie in der Stadt kaufen, angebaut wird. Und wir bauen Brücken zwischen der gastgebenden Gemeinde und den Besucherinnen und Besuchern.
Was brauchen Frauen, um mehr vom Tourismus profitieren zu können?
Wenn ich mit den Frauen in den Hotels spreche, denke ich, geht es vor allem um direkte Anstellungsverträge. Viele der Frauen sind in Subunternehmen angestellt und wissen nicht, ob sie in der nächsten Saison noch angestellt sind und mit wie vielen Stunden. Es fehlen ihnen die Planungssicherheit, die Jobsicherheit und die Sozialversicherungen. Das muss man sehr genau bedenken, bevor man Frauen ermutigt, weiterhin in der Tourismusbranche zu arbeiten, um ein stabiles Einkommen zu haben.
Generell brauchen Frauen Ressourcen, Freiraum und Motivation, um vom Tourismus zu profitieren. Ich hoffe unter anderem auf ausländische Unternehmen mit Antidiskriminierungs- und Frauenförderungspolicies, die neue Ideen zum Schutz der Rechte von Frauen und zur Förderung von deren Selbstbewusstsein verbreiten. Zentral für die Öffnung dieser Branche für Frauen in Gambia ist die Gesellschaft auch für die positiven Auswirkungen, die der Tourismus auf unser Leben haben kann, zu sensibilisieren.
Persönlich bin ich trotz des grossen Rückschlags im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie zuversichtlich, dass in den nächsten fünf Jahren viel mehr Frauen in Janjanbureh und allgemein in Gambia ein Einkommen im Tourismus finden werden.