Wahlen in den Malediven: «TouristInnen sollten besser wahrnehmen, was läuft»
Basel, 16.11.2013, akte/ Mit knapp 47 Prozent der Wählerstimmen hat der ehemalige Präsident des Inselstaates der Malediven, Mohamed Nasheed, das absolute Mehr im ersten Wahlgang der Präsidentschaftswahlen nur knapp verpasst. Sein Gegner Abdulla Yameen, Halbbruder des früheren Diktators Maumoon Abdul Gayoom, gewann knapp dreissig Prozent der Stimmen. Drittplatziert ist Gasim Ibrahim. Der wohlhabende Besitzer eines Tourismusresorts und ehemalige Minister unter dem frühren Diktator Gayoom fällt mit nur gut 23 Prozent aus dem Rennen.
Kafkaeske Winkelzüge
Nach der Verfassung hätte gleich am nächsten Tag die zweite Wahlrunde abgehalten werden müssen, denn am Montag, 11. November, lief die Amtszeit von Präsident Mohamed Waheed ab. Doch mit geradezu kafkaesken Winkelzügen liessen die Machthaber den Termin für den zweiten Wahlgang durch das korrupte Oberste Gericht auf den 16. November verschieben, mit dem Argument, Abdulla Yameen brauche mehr Zeit für die Wahlkampagne.
Und am 10. November um 23 Uhr, eine Stunde vor Ende seiner Amtszeit, kündigte Präsident Waheed an, er gedenke bis zur Wahl seines Nachfolgers im Amt zu bleiben. Damit übergeht er den Beschluss des Parlaments, das den Parlamentssprecher zum Interimspräsidenten bis zum zweiten Wahltermin ernannte. Einige Armeeoffiziere liessen in der Folge Aufrufe zirkulieren, den jetzigen Präsidenten nach Ablauf der verfassungsmässigen Amtszeit nicht weiter zu unterstützen. Gestern, zwei Tage vor den angesetzten Nachwahlen, liess Waheed sich einen fürstlichen Betrag aus der Staatskasse zahlen und verliess das Land, "um meine Frau zu einer medizinischen Behandlung zu begleiten", wie er begründete. Für die Rückreise nannte er keinen Termin, sondern erklärte, er werde die Situation in den Malediven erst evaluieren.
Die EU warnt vor "angemessenen" Massnahmen, sollte die Stichwahl am 16.11. nicht stattfinden. Indien, die USA, Grossbritannien und der Sondergesandte des Commenwealth, David McKinnon, machten Druck, endlich die Wahlen durchzuführen, um das Land nicht weiter zu destabilisieren. Aber die Machtclique weiss, dass sie die Wahlen nicht gewinnen kann. Es ist unklar, ob die sanften Proteste aus dem Ausland reichen, um sie von weiteren Manövern abzuhalten, zumal die internationale Gemeinschaft widersprüchliche Signale sendet: Ungeachtet des Streits um die Legitimität der Regierung Waheed wurden die Malediven ohne Gegenstimmen in den UN Menschenrechtsrat gewählt – ein Gremium, dessen Mitglieder eigentlich höchste Menschenrechtsstandards einhalten müssten.
Es bleibt spannend: Wird die zweite Wahlrunde heute stattfinden? Wird sie frei und fair sein? Werden die Machthaber das Resultat respektieren?
Tiefe Gräben zwischen Progressiven und Konservativen
Für die Bevölkerung der Malediven hängt viel davon ab. Wer immer das Land regiert, wird darauf hinarbeiten müssen, die tiefen Gräben zwischen den islamistisch-konservativen und den progressiven Teilen der Bevölkerung zu überwinden und Optionen für die Bevölkerung zu schaffen, wie sie ihr Einkommen bestreiten und mit den Folgen des Klimawandels umgehen kann. Zurzeit gibt es in den Malediven eine touristische Monokultur, von der hauptsächlich ein paar reiche Familien aus der Entourage des früheren Diktators Gayoom profitieren. Mohamed Nasheed hatte während seiner Amtszeit versucht, mit ersten Massnahmen diesen Wirtschaftszweig etwas zu demokratisieren, damit auch die einfache maledivische Bevölkerung davon profitieren kann.
Über eine Million ausländische TouristInnen besuchen jährlich den Inselstaat. Meist sehen sie nicht viel mehr als den Flughafen und die von der Bevölkerung abgeschottete Touristeninsel, auf der ihr Resort liegt. "TouristInnen sollten besser wahrnehmen, was läuft", sagte Nasheed vor einem Jahr, als er gezwungen wurde, seinen Präsidentenstuhl zu räumen, "sie denken vielleicht, sie seien weit von der Male [der Hauptstadt] entfernt, aber viele der Mitarbeitenden in den Resorts sind von hier".