Wallis: Neue Feriendörfer trotz Überkapazitäten
Die nach dem grossen Tourismuseinbruch im vergangenen Winter laut gewordenen Forderungen nach einer gänzlichen Neuorientierung des Walliser Tourismus haben wenig Wirkung gezeigt. Obwohl die heute bereits vorhandenen 230 000 Gästebetten nur ungenügend ausgelastet sind, setzen die Walliser Gemeinden weiterhin auf Wachstum, Noch die letzten Alpweiden sollen mit Ferienhäuschen übersät werden. Auf der «Chäserstatt», einer auf 1770 Metern liegenden Alp oberhalb des Gommer Dorfes Mühlebach, werden 20 Alphüttenimitationen «Typ Maiensäss» gebaut. Für 75 000 Franken ist die Alphütte im Rohbau zu haben. Der weitere Ausbau und die definitive Gestaltung ist Sache des Mieters oder der Mieterin. Heimat- oder Naturschutz können nichts ausrichten, da die Alp anfangs achtziger Jahre eingezont wurde und die Bewilligung von Bauten innerhalb der Bauzone seit einigen Jahren ausschliesslich in der Kompetenz der Gemeinde liegt. Ein ähnlicher Fall ist das auf der Lauchernalp geplante «Alpin Village». Zusammen mit gewichtigen Partnern wie Interhome/Utoring und Winterthur-Leben Versicherung will das Berner Generalbauplanungsbüro «Peter Freund und Partner» oberhalb von Wiler im Lötschental eine Feriensiedlung bauen. Das Investitionsvolumen für das in zwei Bauetappen geplante Feriendorf ‑ 80 Ferienwohnungen und ein Gemeinschaftshaus ‑ beläuft sich auf 20 Millionen Franken. Bis im Sommer 1996 sollen die ersten fünf Ferienhäuser mit 40 Drei-Zimmer‑Wohnungen bezugsbereit sein. Einige Fragen wirft vor allem auch das für den Immobilienmarkt neue und äusserst ausgeklügelte Finanzierungskonzept auf Wer 230 000 Franken für den Erwerb einer Eigentumswohnung aufwirft, darf in seiner eigenen Wohnung jährlich zwei Wochen gratis Ferien machen. Die übrige Zeit bewirtschaftet Interhome/Utoring die Appartements. Für die benötigte Eigenkapitalanlage von 75 000 Franken erhalten die KäuferInnen zudem bei der Winterthur‑Leben eine Kapital‑Lebensversicherung, die bei der Bank als Faustpfand für den Kredit hinterlegt wird. Mit den Mietzinserträgen der einzelnen Wohnungen wird u.a. die Hypothekarschuld getilgt. Nach zehn Jahren soll die Feriensiedlung weitgehend amortisiert sein. Danach steht es den BesitzerInnen frei, die Wohnung weiterhin von Interhome/Utoring verwalten zu lassen oder selber darüber zu verfügen. Es ist fraglich, ob die Rechnung für potentielle BesitzerInnen tatsächlich aufgeht. Einerseits gibt es auf dem Kapitalmarkt durchaus lukrativere und sicherere Anlagemöglichkeiten. Und andererseits trägt der/die Eigentümerln das ganze Risiko, wenn die Wohnungen einmal verkauft sind.
Walliser Bote 23.5.95; BAZ 17.8.95/gf