Walter Kahlenborn, Michael Kraack, Alexander Carius: Tourismus- und Umweltpolitik
Tourismus und Erholung gelten gemäss Bundesforschungsanstalt für Naturschutz und Landschaftsökologie als drittwichtigster Verursacherbereich für das Artensterben in der Bundesrepublik; 55 Prozent des PKW-Verkehrs entfallen auf Urlaubs- und Freizeitnutzung. Tourismus gehört zu den wenigen vielversprechenden Wachstumsbereichen der Wirtschaft, eine Zunahme der Umweltbelastungen durch den Tourismus ist demnach zu erwarten. Eine politische Beschäftigung mit dem Spannungsfeld „Tourismus und Umwelt“ ist dringend geboten, doch fehlt es heute eindeutig an einer kohärenten Tourismuspolitik, welche den vielfältigen Aufgaben im Umwelt- und Sozialbereich gerecht werden könnte. So lautet das ernüchternde Fazit der beiden Umweltexperten Walter Kahlenborn und Alexander Carius des Berliner Büros Ecologic für angewandte Umweltforschung sowie des Politologen Michael Kraack der Universität Erlangen. In ihrer Studie über Tourismus- und Umweltpolitik erstellen sie eine kritische Bestandesaufnahme der Akteure und ihrer Beziehungen im Tourismus auf lokaler, nationaler und internationaler Ebene und begutachten die breite Palette der verschiedenen Steuerinstrumente – von der Planung über die fiskalischen und ordnungsrechtlichen Instrumente bis zu der Vergabe von Fördermitteln -, die heute für den Tourismus zum Einsatz kommen bzw. bereit stehen. Klar wird dabei, dass Massnahmen im Tourismus unkoordiniert getroffen werden und die Schrittmacher einer Integration von Umwelt- und Tourismuspolitik über zu wenig wirkungsvolle Instrumente verfügen und damit nur geringe Durchsetzungskraft haben. So ist das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) an sich mit starken Kompetenzen ausgerüstet, so dass es theoretisch als Verfechter der umweltpolitischen Belange im Tourismus aktiv werden könnte; jedoch besitzt das BMU gegenüber dem Bundesministerium für Wirtschaft (BMWi) und der Tourismuswirtschaft nicht das nötige politische Gewicht, um die Instrumente effektiv zum Tragen zu bringen. So kommen nicht selbst entwickelte Instrumente wie Selbstverpflichtungen, Öko-Audit, Labeling etc. zum Einsatz. Zudem wird stark auf die freiwillige Kooperationsbereitschaft der Tourismuswirtschaft gesetzt, doch erfolgt praktisch keine Einflussnahme auf die Vergabe der umfangreichen Fördermittel im Tourismus. Die Autoren der Studie, die im Rahmen der umfangreichen Untersuchung über „Entwicklung und Folgen des Tourismus“ vom Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB) in Auftrag gegeben worden war, fordern abschliessend zu ihrem Bericht eine Grundsatzdebatte über Rolle und Ziele der Tourismuspolitik und skizzieren eine Reihe von Massnahmen zur besseren Berücksichtigung der ökologischen und sozialen Belange in der Ausgestaltung des Tourismusangebotes: Vorrangig ist die bereits vielfach eingeforderte einheitliche Konzeption für eine nachhaltige Tourismuspolitik, die den Akteuren einen verlässlichen Handlungsrahmen bieten könnte. Gefordert wird aber auch ein interministerieller Ausschuss für Tourismus auf Bundesebene oder eine zentrale Forschungsstelle zum Tourismus sowie die regelmässige Erstellung eines nationalen Tourismusberichtes. Sicherlich wünschte man sich von diesen Kennern der Materie noch konkretere Anregungen zum politischen Handeln, gerade auch auf kommunaler und Länderebene. Zu hoffen bleibt, dass ihre wertvolle Bestandesaufnahme sehr bald als Grundlage für eine breite tourismuspolitische Diskussion und die Umsetzung der vordringlichsten Massnahmen genutzt wird. Sehr wünschenswert wäre aber auch eine analoge Bestandesaufnahme für die Schweizer Tourismus- und Umweltpolitik, um hierzulande eine solide Basis für eine Trendwende zum nachhaltigen Tourismus zu schaffen.
Springer-Verlag Berlin Heidelberg 1999, 127 Seiten, CHF 81.-, DM 89.-, öS 650,
ISBN 3-540-64873-9