Wann und wo ist Trinkgeld angebracht?
Trinkgeld ist eine seltsame Geschichte und bedarf grosser Sorgfalt. An manchen Orten ist es Pflicht und wird sogar von offizieller Seite als Bestandteil des Lohnes gerechnet; den einen gilt es als nette Geste der Anerkennung, anderen als Affront. Für viele Angestellte im Gastgewerbe ist es zwar eine willkommene Aufbesserung ihres spärlichen Einkommens, gleichzeitig zementiert das Trinkgeldgeben die ungerechten Arbeitsbedingungen weiter. Zudem bekommen meist nicht alle was davon ab. Es gilt also genau hinzuschauen und sich stets gut zu erkundigen, was wo üblich ist und wer davon profitiert.
Erkundigen Sie sich nach den üblichen Summen
Während die Höhe des Lohnes von Angestellten im US-amerikanischen Gastgewerbe massiv vom Trinkgeld abhängt, ist an vielen anderen Orten der Welt der kleine Obolus eher eine freiwillige Angelegenheit und in gewissen Regionen gar unüblich. In Japan und China zum Beispiel kann ein Trinkgeld als Beleidigung aufgefasst werden.
Um die vor Ort üblichen Summen für Trinkgelder herauszubekommen, konsultieren Sie am besten einen guten Reiseführer, die Reiseleitung, die Hotelrezeption oder direkt das Personal selbst. Auch unabhängige Websites wie tippingaroundtheworld.com bieten eine gewisse Orientierung. Wichtig ist, Trinkgeld mit Respekt und auf Augenhöhe zu geben. Trinkgeld ist nicht dazu da, den eigenen Wohlstand zu präsentieren oder das Gegenüber väterlich zu belohnen. Trinkgeld ist das Dankeschön für diejenigen, die Ihnen mit ihrer Arbeit persönlich einen Dienst erwiesen haben – vom Taxifahrer über die Kofferträgerin, den Bartender bis hin zum Spa Personal und den Reinigungskräften. Dies gilt übrigens auch für Dienste, die man Ihnen im Alltag zuhause bietet. Zum Anstand beim Trinkgeldgeben gehört im Übrigen auch, keine grossen Scheine von mittellosem Personal wechseln zu lassen.
Ausdruck ungerechter Arbeitsbedingungen
Studien haben zudem gezeigt, dass die Höhe der Gabe weniger von der Qualität des Services als von der Freundlichkeit und Attraktivität des Personals sowie der Geberlaune des Kunden abhängt. Hiervon gilt es sich freizumachen. Denn jeder Arbeitende, der Ihnen das Ferienerlebnis versüsst, hat dafür eine angemessene Entlohnung verdient, unabhängig von Sympathien oder Äusserlichkeiten. Auch und gerade unsichtbares Personal wie Putzequipen und Tellerwäscher haben eine Aufbesserung ihres geringen Einkommens nötig. Hierfür sollten jedoch nicht die Reisenden zuständig sein, sondern die jeweiligen ArbeitgeberInnen. Das System des Trinkgeldgebens verleitet die Tourismusunternehmen nämlich dazu, auf die Extras der TouristInnen zu setzen, statt ihre ArbeiterInnen fair zu entlöhnen. Deshalb als Reisende kein Trinkgeld zu geben, ändert allerdings nicht automatisch die ungerechten Arbeitsbedingungen, unter denen viele Angestellte im Gastgewerbe leiden. Im Gegenteil, es verschärft ihre Lage noch zusätzlich. Bedenken Sie: schlechter Service ist selten Ausdruck schlechter Arbeitsmoral, sondern meist ein Zeichen untragbarer Arbeitsbedingungen.
Setzen Sie sich für eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Angestellten im Gastgewerbe ein
Statt sich also zu ärgern, werden Sie besser aktiv und setzen sich für die Durchsetzung gerechter Arbeitsbedingungen und fairer Löhne ein. Schliesslich gilt es zu bedenken, dass auch nach internationalen Standards „fair“ entlöhnte Angestellte meist nicht mehr als den jeweiligen Mindestlohn bekommen und dieser oft kein „Living Wage“ ist, also kaum zum Überleben reicht. Daher liegen Sie meist auch bei zertifizierten Unternehmen mit einem Extra für das Servicepersonal richtig.