Es mag für Erheiterung sorgen, aber die neu lancierte WC-Putzaktion* der Association of Southeast Asian Nations (ASEAN) ist eine ernste Angelegenheit mit weitreichenden Folgen für den Tourismus in den Ländern Südostasiens. Denn bis 2015 werden bei gleichbleibendem Wachstum die internationalen Ankünfte die 100 Millionen-Marke knacken. Zählen wir die etwa fünfmal höhere Anzahl InlandstouristInnen dazu, steigt die Zahl der jährlichen Südostasienreisenden auf rund 600 Millionen – was in etwa der Gesamtbevölkerung Südostasiens entspricht. Während sich die TouristikerInnen der ASEAN-Staaten angesichts der Geschäftsaussichten die Hände reiben, werden die folgenden unmittelbaren Effekte noch zu wenig bedacht:
*ASEAN-Projekt: Standards für saubere Toiletten
"Ein Land ohne saubere WCs ist ein Land ohne Kultur", erklärte ein Beamter von Brunei an einem Workshop der ASEAN zu Standards für öffentliche Toiletten. Brunei Darussalam führt und koordiniert die Standard-Audit-Checkliste für öffentliche WCs, ein im Januar lanciertes ASEAN-Projekt mit dem Ziel, eine Richtlinie für das Design und den Unterhalt sauberer WCs in den ASEAN-Staaten vorzugeben.

  • Wie viel Wasser brauchen 600 Millionen Inland- und AuslandstouristInnen insbesondere für die WC-Spülung? Wohin gelangt das Abwasser? Hat die Region ausreichende Kapazitäten in der Abwasseraufbereitung? Wie viele Recyclinganlagen werden benötigt? Eine Neuberechnung aufgrund der Wachstumsprognosen über die nächsten fünf Jahre ist dringend notwendig – und auch über die nächsten zehn Jahre.

  • Wer wird die Putzarbeit leisten? Sicher wird der Tourismus neue Stellen für WC-PutzerInnen hervorbringen. Tatsächlich könnte dies zu einem der wichtigsten Jobs werden, wichtiger noch als der des überbezahlten Marketing-Gurus. Werden die Menschen, die diesen Job erledigen, ungeachtet ihres Bildungsstands den Respekt und die Bezahlung erhalten, die sie verdienen? Werden ihre Arbeitsbedingungen dem entsprechen, was die Internationale Arbeitsorganisation IAO als "anständige Arbeit" bezeichnet? Wenn nicht, stelle man sich vor, was passiert, wenn sie sich in Gewerkschaften organisieren und streiken!

  • In einigen südostasiatischen Ländern werden die Aborte nicht von Einheimischen, sondern von ArbeitsmigrantInnen gereinigt. Da öffnet sich ein ganz neues Problemfeld mit dem Zuzug neuer Arbeitskräfte für die Reise- und Tourismusbranche. Ist die Branche bereit damit umzugehen?

  • Ist jetzt die Zeit gekommen, die Bedeutung des Wortes "Infrastruktur" neu zu definieren? ASEAN hat über Jahre Flughäfen und Autobahnen gebaut, aber offensichtlich nicht an eine saubere WC-Infrastruktur gedacht. Warum nicht? Bewegt sich der Tourismus der ASEAN jetzt zurück zu dem, was grundlegend ist?

  • Es wäre doch eine gute Idee, Werbeflächen in den WCs zu verkaufen und den Gewinn mit den WC-Reinigungskräften zu teilen. Auf den WCs gibt es ein Publikum, das nicht anders kann, als seine Augen auf die Werbung zu richten. Ein Vorteil, der sich sagenhaft auf die Einkommensverteilung und Armutslinderung auswirken könnte.

Im Zuge des wachsenden Verkehrsnetzes und der Fördermassnahmen nimmt der Tourismus zu – und der Bedarf an sauberen WCs auch,  insbesondere für die Legionen an Menschen mit Behinderungen. Sie mögen an erstklassigen Flughäfen vorbeikommen, aber die Qualität der WCs wird ebenso ein Mass für die Beurteilung der Destination sein wie die Zeit von der Landung bis zur Gepäckausgabe.
Saubere WCs sind ein Wettbewerbsvorteil. Entlang dem Asian Highway werben viele Tankstellen mit sauberen WCs um die AutofahrerInnen. Eine WC-Pause in einer sauberen Anlage bringt neue Einnahmen mit sich, wie den Verkauf in den Minimärkten und Imbissen. 
Saubere WCs werden auch den Ruf des Landes mitprägen. Schmutzige Klos hingegen werden zu einem Anstieg an negativen Einträgen bei Trip Advisor oder in den sozialen Netzwerken führen.
Es ist höchste Zeit, dass nationale Tourismusorganisationen der ASEAN-Staaten saubere WCs als Wegmarken für Tourismusströme begreifen. Oder um das Thema auf eine allgemeinere Ebene zu bringen: Die ASEAN steht vor der gigantischen Aufgabe, das Tourismuswachstum nicht nur zu fördern, sondern auch zu managen, insbesondere die Auswirkungen bezüglich Abfall- und Abwasseraufkommen sowie dem Wasser- und Stromverbrauch.
Immer mehr werden Angkor Wat in Kambodscha, der Grand Palace in Bangkok und Destinationen wie Pattaya, Phuket und Bali überlaufen. Bisher gibt es keine Anzeichen dafür, dass die ASEAN-Staaten beabsichtigen, mit den Folgen umzugehen.
Es braucht einen grundlegenden Strategiewandel. Die Führungspersonen des ASEAN-Tourismus müssen aufhören, sich als weitsichtige Visionäre zu verstehen, und stattdessen beginnen, sich auf die Grundlagen zu konzentrieren. Es braucht ein Umdenken bei der Art und Weise, wie Tourismus angegangen wird. Die Tourismusstrategie der ASEAN wird 2015 auslaufen. Die nächste Strategie muss ganz auf Nachhaltigkeit und umsichtige Bewirtschaftung ausgerichtet sein. Die Zeit der Wachstumsförderung ist vorbei. Wachstumsmanagement ist das Gebot der Stunde. Beim Tourismus geht es nicht länger nur um die Schaffung von Arbeitsplätzen und Deviseneinkommen. Sondern um Abfallmanagement, den Verbrauch natürlicher Ressourcen und, ja, um saubere WCs.


Imtiaz Muqbil (58), ist Chefredaktor von Travel Impact Newswire, eines Fachnewsletters, der kritisch über touristische Entwicklungen berichtet. Der erfahrene Fachjournalist begann vor über 30 Jahren seine journalistische Karriere als Reporter für verschiedene auch internationale Zeitungen und Magazine. 1978 liess er sich in Bangkok nieder, seit 20 Jahren schreibt er über die Reise- und Tourismusindustrie im asiatisch-pazifischen Raum. Imtiaz Muqbils wöchentlichen Travel Impact Newswire finden Sie online auf www.travel-impact-newswire.com; er schreibt auch im Blog auf www.ttrweekly.com