Seit dem 27. Dezember ist Krieg in Gaza. Die Stimmung hier in der Westbank hat sich seit diesem Tag stark verändert: Der Bäcker, von dem wir frisches Fladenbrot kaufen und der uns sonst immer überschwänglich begrüsst, schaut uns seit Tagen nur traurig an und schüttelt seinen Kopf auf die Frage, wie es im gehe. Ein Taxifahrer, der sonst immer Witze macht und laut westliche Musik für uns spielt, bringt fast kein Wort mehr über die Lippen – und wenn er spricht, dann davon, wie wütend es ihn macht, dass so etwas geschehen kann.
Die Menschen hier sind erschüttert, dass ihre Landsleute der Gewalt so hilflos ausgeliefert sind. In allen Fernsehern läuft Gaza nonstop und viele Leute können sich nicht mehr losreissen von den Bildern der Zerstörung und Gewalt.
Und häufig kommen ihre eigenen Erlebnisse aus der israelischen Invasion in 2002 an die Oberfläche. Sie wissen ganz genau, wie es ist, wenn F-14 Flugzeuge über die Stadt fliegen und Gebäude bombardieren. Sie wissen, wie es ist, wenn man nicht weiss, wer der Nächste sein wird. Die Ruine der Polizeistation neben unserem Haus ist eines der Mahnmale an diese Zeit hier in Tulkarem. Alle erinnern sich daran, wo sie gewesen waren und was sie empfunden haben, als die Bomben einschlugen und die ganze Stadt erzittern liessen. Und was in Gaza geschieht, kann auch in der Westbank wieder geschehen, sagen uns viele Leute.
Zu Beginn des Krieges in Gaza haben die Palästinenser in der Westbank ihre Läden für zwei Tage geschlossen gehalten, als Zeichen der Solidarität mit ihren Landsleuten. Fast jeden Tag gibt es Demonstrationen in verschiedenen Orten, die je nach Organisator und Teilnehmer sehr anders verlaufen können. Heute waren wir an einer sehr friedlichen Frauendemonstration, morgen gehen wir an eine (hoffentlich) stille Demonstration des Krankenhauspersonals. Andere Demonstrationen haben jedoch zu gewaltvollen Konfrontationen zwischen israelischen Soldaten und Palästinensern geführt.
Als eine Blutspendeaktion für die Opfer in Gaza in der ganzen Westbank ausgerufen wurde, drängten sich Hunderte von Leuten in den Gängen des Roten Halbmondes. Endlich konnten sie den Palästinensern in Gaza helfen. Endlich etwas tun in dieser Ohnmacht.
Die Menschen hier empfinden ihre täglichen Probleme unter der israelischen Besatzung als unvergleichbar mit der Qual der Menschen in Gaza und viele mögen unter diesen Umständen nicht mehr darüber sprechen, wie schwierig ihr Alltagsleben ist. Wie kann man sich über die schlechte Behandlung am Checkpoint beklagen, während Hunderten von Palästinensern das Leben genommen wird? Unsere Arbeit als MenschenrechtsbegleiterInnen ist anders geworden in dieser Zeit. Wir werden konfrontiert mit den verhaltenen Reaktionen unserer Heimatländer. Wir werden gefragt, was denn der Sicherheitsrat überhaupt soll, wo sich doch Israel so leicht über seine Beschlüsse hinweg setzen kann. Wir werden gefragt, warum niemand wirklich versucht, die Gewalt hier zu stoppen.
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