Die Geschichte spielt in den USA der 1960er-Jahre. Lydia, ein fünfzehnjähriges Mädchen, wird tot in einem See aufgefunden. Sie war die Tochter einer Amerikanerin und eines in den USA aufgewachsenen Chinesen. Die Eltern, der ältere Bruder Nathan und die jüngere Schwester Hannah versuchen, irgendwie mit dem Verlust umzugehen. Am Ende ist es Hannah, der es gelingt, die Familie wieder zusammenzuführen und das Leben ohne Lydia weiterzuleben.

In Rückblenden wird erzählt, wie sich die Eltern kennengelernt haben. Beide haben wenig soziale Kontakte. Die Mutter wollte unbedingt Ärztin werden und tat alles, damit sie nicht ins traditionelle Muster ihrer Mutter fiel. Der Vater, Professor für amerikanische Geschichte, fühlte sich seit seiner Kindheit fremd und nicht akzeptiert, ausgelöst durch rassistische Bemerkungen seines Umfelds. Wie viele Eltern setzen sie grosse Erwartungen in ihre Kinder, die es besser haben sollen. Und dies setzt nicht nur Lydia sondern auch Hannah und Nathan unter grossen Druck.
Der Roman ist sehr dicht geschrieben und zieht einen sofort in den Bann. Die Familiendynamik wird eindrücklich beschrieben und jede Person wirkt in ihrem Handeln und Denken authentisch. Das Gefühl des Fremdseins wird in verschiedenen Facetten dargestellt. Der ganze Roman ist davon durchtränkt und ruft eine unheimliche Schwere hervor. Beeindruckend, wie es Celeste Ng gelingt, das Thema Heimatlosigkeit am Beispiel dieser Familie zu schildern. Dieses Gefühl des Fremdseins ist offenbar unter der asiatischen Bevölkerung, die in den USA aufgewachsen ist, weit verbreitet. Die Autorin kennt diese Perspektive aus eigener Erfahrung.
Celeste Ng: Was ich euch nicht erzählte. Aus dem Englischen von Brigitte Jakobeit. Übersetzung. 286 Seiten, Deutscher Taschenbuch Verlag, München, 2016, Sfr 28.90, Euro 19,80, ISBN 978-3-423-28075-4