Seit 1. Juli 2009 leitet Michael Perler die Bundeskriminalpolizei. Diese führt die Voruntersuchungen auf den für den Bund relevanten Gebieten: organisiertes Verbrechen, Wirtschaftskriminalität, Geldwäscherei usw. Zum ersten Mal äussert sich Michael Perler über die Risiken für die Schweiz und über seine Prioritäten.

Welche Bedrohung geht für die Schweiz vom organisierten Verbrechen aus?
Die Schweiz ist ein sehr attraktiver Finanzplatz und Wirtschaftsstandort. Es besteht daher die Gefahr, dass die getätigten Investitionen oder die Vermögen, die in unserem Land angelegt werden, von illegalen Aktivitäten herrühren.

Indizien?
Wir stellen fest, dass in verschiedene touristische Grossprojekte astronomische Summen investiert worden sind oder dabei sind, investiert zu werden. Doch deren Rentabilität scheint ungewiss. Ebenso werden drei Viertel der russischen Ölexporte und der Hauptanteil der kasachischen Produktion in Genf verhandelt. Gemäss unseren Informationen haben die kriminellen Organisationen einen erheblichen Einfluss auf diesen Markt. Wir wissen auch, dass die Ndrangheta eine der in der Schweiz aktivsten italienischen Mafiaorganisationen ist, die hier in die Bau- und Immobilienbranche und in die Gastronomie investiert hat, und dies insbesondere im Wallis und im Tessin.

Gibt es Voruntersuchungen?
Ich kann darüber keine Auskunft geben. Aber alle Untersuchungen, bei denen es um Geldwäscherei geht, sind schwierig. In den meisten unserer Fälle werden die vorausgehenden Straftaten im Ausland begangen. Es braucht also Beweise für ein Ausgangsdelikt, damit die Geldwäscherei in der Schweiz strafbar wird. Anders gesagt, das Verfahren ist sehr lange und führt oft nicht zum Erfolg.

Wie beurteilen Sie die Zusammenarbeit mit ausländischen Behörden?
Nach dem Terroranschlag vom 11. September 2001 richteten sich die Hauptbemühungen auf  die Terrorbekämpfung. Heute stellen wir fest, dass wir uns wieder auf die organisierte Kriminalität konzentrieren und unsere Kontakte intensivieren müssen, um die Qualität der Informationen, die wir einholen können, zu steigern. Das ist eine unserer Prioritäten für 2010.

Haben Sie genügend Mittel, um gegen die organisierte Kriminalität zu kämpfen?
Ob mein Personalbestand um zehn, zwanzig oder dreissig Polizisten aufgestockt wird: Ich habe immer Arbeit, egal wie viele Mitarbeitende dazukommen. Die Sicherheit hängt vom Preis ab, den ein Staat zu zahlen bereit ist. Die uns zur Verfügung stehenden Mittel sind sicher ein wichtiges Element der Kampfvorkehrungen gegen diese Plage, aber man müsste auch und vordringlich die Gesetze ändern.

Das heisst?
Die Definition von organisierter Kriminalität ist im Vergleich zum Ausland zu restriktiv. Der Artikel des Strafgesetzes ist schwierig anzuwenden. Er müsste geändert werden. Einerseits um den davon erfassten Personenkreis zu erweitern. Anderseits um die Vorbereitung zur illegalen Handlung sanktionieren zu können. Die Debatte rund um diese Gesetzesnorm muss unbedingt neu lanciert werden.
Der Beitrag erschien in der Ausgabe des Bilan vom 04.11.2009, Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung. Bild: Bilan, Severin Novacki