Antonia Merz: Ulrich, wo kommt das Wasser auf den Hütten her?  

Ulrich Delang: Von überall dort, wo wir es möglichst in Hüttennähe finden! Nur einige wenig Hütten sind an das Leitungsnetz angeschlossen. Die Wasser-Bezugsquellen sind sehr unterschiedlich: Schmelzwasser aus Schnee und Eis, Regenwasser, Bäche und Quellen, tauender Permafrost, der als Wasser irgendwo rauskommt und wir nutzen können. Das Wasser wird gefiltert, aufbereitet und oft in Tanks gespeichert. Ideal sind Wasserquellen mit regelmässiger Schüttung, die also «immer laufen», in Trinkwasserqualität. Sie erleichtern den Betrieb erheblich, sind aber auch selten, und die Wasserqualität muss regelmässig überprüft werden.  

AM: Hattet ihr in den letzten Jahren auf einigen Hütten Probleme, die Wasserversorgung, nicht nur von Trinkwasser, sondern auch Brauchwasser sicherzustellen?  

UD: Mit der Klimaveränderung und den zunehmenden, heissen Trockenperioden ziehen sich Gletscher zurück oder verschwinden ganz, die Schneereserven sind oft bereits Mitte Sommer weggeschmolzen, es regnet weniger, Quellen und Bäche trocknen im Verlauf der Sommersaison teilweise aus. Die Wasserversorgung wird zunehmend anspruchsvoll. Brauch- und Trinkwasser durchlaufen selten getrennte Systeme.  

AM: Wie habt ihr diesen Problemen entgegengewirkt?  

UD: Wir versuchen bereits seit einigen Jahren, nachhaltige Lösungen umzusetzen. In erster Linie wollen wir den  Verbrauch reduzieren: wir bauen Trockentoiletten statt Nasstoiletten ein (mittlerweile verfügen bereits 35 Hütten über moderne Trockentoiletten, der Wasserverbrauch wurde damit halbiert), bieten Duschen nur bei reicher Wasserversorgung an, erhöhen die Wasserspeicher-Kapazität zur Überbrückung von Trockenperioden oder für den Winterbetrieb. Zudem versuchen wir, die Wasserversorgung zu sichern: mit der Hilfe von Wassergeologen klären und erschliessen wir langfristige Wasserfassungsstellen / -arten, in Einzelfällen erwägen wir sogar Snow Farming, also das Abdecken von Schnee- und Eismassen, um den Schmelzprozess zu verlangsamen und das Wasser so im Sommer zur Verfügung zu haben.  

AM: Was bedeutet das für die Hütten, wenn das Wasser knapp ist?  

UD: Ohne Wasser kein (Hütten)Leben!   

AM: Ich bin immer genervt von den Menschen, die glauben, eine Hütte auf 2000 m ü.M. sei ein Hotel. Man könne duschen – auch noch warm, erwarten, dass anstatt eines Freiluft-Plumpsklos eine weisse Schüssel im Badezimmer steht und dass sie so viel trinken können, wie sie wollen. Wie versucht ihr hier Bewusstsein für das rare Gut Wasser zu schaffen?  

UD: Generell ist der Standard in einer SAC-Hütte tiefer als in einem Hotel oder in einer Jugendherberge. Manchmal gehören Duschen zum Angebot, aber nur bei ausreichend Wasser, gegen Aufpreis und mit einer Zeitschaltuhr. Einzelzimmern mit Nassbereich kennen wir nicht. Freiluftplumpsklos entsprechen auch nicht mehr den gesetzlichen Auflagen. Die Behandlung von Fäkalien und Abwasser muss heute die gleichen Auflagen erfüllen wie in jeder Stadt. Das ist eine enorme Herausforderung, sie hilft aber auch, eine intakte Natur zu erhalten. Und dafür kommen ja die Leute in die Berge! Bei der Kommunikation sehe ich aber noch viel Potenzial. Mit der Gästesensibilisierung sind wir noch nicht dort, wo ich es mir wünsche. Gut informierte Gäste tragen Massnahmen mit!  

AM: Was kann ich als Wanderin tun, um die Hütten dabei zu unterstützen, Wasser zu sparen?  

UD: Verständnis mitbringen und die Hüttenteams unterstützen, die eigenen Ansprüchen hinterfragen und anpassen. Auch mit wenig Wasserverbrauch ist eine gute Körperhygiene möglich. Anderseits ist aber für mich auch klar: eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr ist für uns Menschen zentral und besonders nach sportlichen Aktivitäten wichtig.

Was ich als Wanderer tun kann:

In Bezug auf Wasser: Wenig. Höchstens «nur» Tee trinken, den der wird mit dem Wasser vor Ort hergestellt.  

Wer Heliflüge vermeiden will und so das Klima schonen: den Hütten helfen, Lebensmittel und Getränke zu Fuss in die Hütte zu schleppen und den Abfall – auch von anderen – wieder mit runtertragen. Oder die Hüttenwirt*innen davon überzeugen, dass Wein in Tetrapaks auch geht. Die sind leichter und verbrauchen somit weniger Kerosin im Heli.

AM: Kann ich darauf Einfluss nehmen, ob das Wasser mit dem Heli kommt?  

UD: Ja, Tee trinken hilft! Der Hüttentee wird immer mit vor Ort gesammeltem Wasser zubereitet, Flaschengetränke hingegen werden mit dem Heli transportiert. Trinkwasser ab dem Hahn gibt es leider fast nirgends. Die Herstellung, Kontrolle und Herausgabe von Trinkwasser ist in den Bergen eine Herausforderung (Lagerung, Filterung, regelmässige bakteriologische und chemische Kontrolle durch kantonales Labor). Ein Betrieb darf nur einwandfreies und kontrolliertes Trinkwasser an Gäste abgeben. Es ist aber unser Ziel, die Prozesse zu optimieren und vereinfachen, und mehr Trinkwasser vor Ort zu produzieren.  

AM: Gibt es neben dem Wasser andere Herausforderungen für die Hütten durch den Klimawandel und die steigenden Ansprüche der Gäste?  

UD: Ja, sehr viele! Der tauende Permafrost gefährdet Wege, Hütten und Gipfelziele, weil dieses gefrorene Eis im Untergrund, den Boden zusammenhält. Wenn der Permafrost taut und loses Gestein diesen umgibt, wird es gefährlich. Dann kann es zu Steinschlag und Erdrutschen kommen. Weitere Herausforderungen sind zum Beispiel die Zunahme der Lawinengefahr für Hüttenstandorte, und ganz allgemein die in den nächsten Jahrzenten zu erwartende Landschaftsveränderung mit verschwindenden Gletschern. Das Bewusstsein einer zunehmenden Anzahl Gäste für die Zusammenhänge zwischen Ernährung und Klimaeinflüsse begrüsse ich sehr. Die Diskussion über das richtige Mass an vegetarische oder vegane Ernährung finde ich wichtig. In Bezug auf das Wassersparen auf der Hütte, sehe ich jedoch weniger Möglichkeiten seitens der Gäste, eine Optimierung der  Hütteninfrastruktur ist wirkungsvoller: Wir gehen davon aus, dass ein Übernachtungsgast in einer Hütte mit Spültoiletten 40-50 Liter Wasser pro Übernachtung und Tag verbraucht. Mit einer Trockentoilette lässt sich diese Zahl halbieren. Aber der Gast hat keinen Einfluss darauf, welche Toilette er oder sie vor Ort vorfindet. Wie gesagt, wir als SAC haben bereits 35 solcher Toiletten-Projekte umgesetzt, weitere 10-15 Hütten werden folgen und in 90% der Hütten, die renoviert werden, wird auch die Toilette ersetzt.  

Die steigenden Ansprüche der Gäste machen mir im Allgemeinen aber keine Sorgen, das Hütten- und Bergerlebnis wird einmalig bleiben. Wenn die Gäste gut empfangen und informiert werden, dann verstehen sie die Besonderheiten eines Aufenthalts an abgeschiedenen, alpinen Standorten und sind auch bereit, sich anzupassen. Aber es tut auch dem SAC gut, seine Ansprüche und seine Haltung zu hinterfragen und ggf. anzupassen.   

AM: Vielen Dank Ulrich für diese erhellenden Antworten!