Wasserkrise in Bali: Das politische Spiel um die letzten natürlichen Ressourcen
Basel, 17.03.2014, akte/ Es liest sich ein bisschen wie ein Krimi: Auf Abmachungen folgen Rückzüge, auf Protest wird mit vordergründigem Entgegenkommen reagiert – doch was die tatsächlichen Vorgänge hinter den Kulissen sind, wird man wohl erst erfahren, wenn die Pläne vergessen oder umgesetzt worden sind.
Die Szenerie
Die Szenerie ist die malerische Landschaft von Benoa Bay, im Süden Balis. Rundum erstrecken sich über zehn Quadratkilometer Mangrovenwald – der grösste zusammenhängende Wald Balis. Es ist keine heile Welt: Teile des Mangrovenwaldes sind zu Abfalldeponien verkommen, an einem Hafen legen inzwischen auch Kreuzschiffe an, an der Küste gibt es schon einige Resorts. Doch es ist eine der wenigen verbleibenden Zonen auf Bali, wo traditioneller Fischfang betrieben wird. Das Gebiet von Benoa Bay ist nicht nur ein wichtiges Einzugsgebiet der Süsswasserströme der Insel, sondern auch die Mündung der vier wichtigsten Flüsse von Bali ins Meer. Der Mangrovenwald in der Übergangszone von Süss- zu Salzwasser ist einmalig und artenreich und für das Ökosystem der Insel von grösster Bedeutung.
Bali leidet unter einer Wasserkrise: Bereits 2009 stellte die balinesische Umweltschutzagentur (BLH) eine Versalzung des Grundwassers in bis zu 330 Metern von der Küste entfernten Gebieten fest. Als Ursache dafür nennt BLH die Übernutzung des Grundwassers, insbesondere durch Hotels. Obwohl Wasser als eine der wichtigsten und knappsten Ressourcen des Tourismus erkannt wird, ist der Wirtschaftszweig für seine Wasserverschwendung bekannt. Die Tourismuswirtschaft verbraucht 65 Prozent des auf der Insel verfügbaren Süsswassers. Gemäss Stroma Cole, Professorin für Internationale Tourismusentwicklung an der Universität von Westengland und Direktorin der NGO Equality in Tourism, hat die Wasserversorgung in vielen Tourismusdestinationen, darunter Bali, einen kritischen Punkt erreicht. Zudem habe der Tourismus massive Auswirkungen auf das hydro-ökologische System. Die Wasserkrise in Bali sei durch das Zusammenwirken verschiedener politischer und umweltbedingter Faktoren verursacht worden, die sich in unterschiedlicher Weise auf die verschiedenen gesellschaftlichen Akteure auswirken. Cole erforschte während Monaten die Ursachen und Auswirkungen der Wasserknappheit in Bali, die bereits zu ernsthaften sozialen Konflikten und Umweltproblemen geführt hat. Unter anderem müssen immer mehr Reisbauern wegen Wasserknappheit ihr Land aufgeben, was die Ernährungssouveränität des Landes gefährdet.
Das Objekt der Begierde
Das geplante Grossprojekt, das Objekt der Begierde, erstreckt sich mitten in der Benoa Bay auf einer Fläche von 838 Hektar – also mehr als viermal die Grösse des Stadtstaates Monaco – und beinhaltet den Bau von touristischen Luxusanlagen mit einem Disneyland-ähnlichen Park, Wohnungen, Hotels, Villen, Unterhaltenszentren, einem Krankenhaus und einem Universitätscampus.
Die Akteure
Die Akteure in diesem Krimi sind nicht genau zu fassen: eine Hauptrolle kommt dem balinesischen Gouverneur, Made Mangku Pastika zu. Im Dezember 2012 hiess er ein immenses Tourismusinvestitionsprojekt im Benoa Bay gut. Eines von vielen, möchte man sagen, denn in Bali besteht bereits ein Überangebot an Hotels und touristischen Infrastrukturen. Dies hat auch Auswirkungen auf die Menschen vor Ort: 80 Prozent des Einkommens von Bali stammen aus dem Tourismus. Der Gouverneur stützte seine Entscheidung auf eine unfertige und mehr als zweifelhafte Machbarkeitsstudie, die vom Hauptinvestor des Projekts in Auftrag gegeben worden war. Inzwischen ist jedoch eine neue Studie der Udayana University zum Schluss gekommen, dass die eingereichten Projektpläne nicht durchführbar sind.
Der Mann im Hintergrund ist der landesweit einflussreichste Geschäftsmann, Tommy Winata. Er ist mit seiner Firma PT Tirta Wahana Bali International (TWBI) der wichtigste Investor in diesem Projekt. Im Rahmen der ersten Übereinkünfte wurde seiner Firma das Landrecht auf mindestens 30 Jahre zugesichert – mit potentieller Erweiterung um weitere 20 Jahre.
Die Statisten, die um ihre Rolle im verzwickten Fall noch kämpfen, sind einerseits die Lokalbevölkerung der Benoa Bay, andererseits eine breite zivilgesellschaftliche Allianz von StudentInnen, NGOs, KünstlerInnen und vielen weiteren, die sich um Balis Umwelt sorgen. Sie alle sind der Überzeugung, dass das Projekt Teil einer unverantwortlichen Umweltgesetzgebung darstelle, die Bali zerstören werde. Dies sei der Grund, warum sich die Menschen zusammenschliessen und unter dem Namen ForBALI (Balinese Against Reclamation Forum) gegen das Projekt protestieren, sagt Jrx, Schlagzeuger der balinesischen Band "Superman Is Dead", die sich am Protest gegen das Projekt beteiligt. Gegen das Projekt hat aber auch der indonesische Verband der Tourismusunternehmen (GIPI) Stellung genommen: "Wir sind der Meinung, dass Benoa Bay am besten als Naturschutzzone belassen werden sollte". Ketut Ardana, Vorsitzender der Association of Indonesian Tour and Travel Agencies (ASITA), erklärt dazu: "Wir sind nicht dagegen, dass in Bali investiert wird, aber die Regierung soll sich dafür einsetzen, dass die Investitionen in Gebiete fliessen, die Entwicklung brauchen. Wir sollten verhindern, dass der südliche Teil der Insel noch stärker verstopft wird."
Der Plot
Der Plot ist schnell erklärt: Der balinesische Gouverneur Made Mangku Pastika annullierte sein Dekret, nachdem sich in der Bevölkerung breiter Widerstand geregt hatte. Erstaunlicherweise erliess Pastika kurze Zeit später eine neue Anordnung, die TWBI erlaubte, eine neue Durchführbarkeitsstudie zum Projekt zu lancieren, die die Ergebnisse der Udayana University widerlegen soll. "Viele Leute fühlten sich hintergangen, als der Gouverneur die neue Anordnung unterschrieb. Sie dachten, die Sache sei gestrichen worden, aber es gibt weiterhin Bestrebungen das Projekt zu realisieren", so Jrx.
Der Gouverneur argumentiert, das Projekt in Benoa Bay werde den Menschen in Bali Einkommen bringen und die Insel vor Naturkatastrophen, wie beispielsweise Tsunamis, bewahren. ExpertInnen schütteln darüber den Kopf: Sie sind der Meinung, dass das Benoa Bay Projekt in erster Linie wirtschaftlichen Interessen diene. Balis südliche Zonen seien weit weniger gefährdet durch Tsunamis als andere Regionen. Der Argumentationsstrang des Gouverneurs sei haltlos, zumal Mangrovenwälder gerade ein wichtiger Schutz gegen Tsunamis sind. Agung Suryawan Wiranatha, ein Tourismusexperte der Udayana University, erklärte an einer Tagung, es sei Sache der Lokalbevölkerung, Benoa Bay zu verwalten und zu entwickeln, und nicht die von Investoren.
Ein Ozeanologe von Conservation International Indonesia, Ketut Sarjana Putra, prophezeit als schwerwiegendste Folge einen Wellenrücklauf, also ein mit den Gezeiten von den Wassereinzugsgebieten meerwärts zurückfliessender Wasserstrom. Er würde dazu führen, dass tiefliegende Gebiete im Süden Balis, einschliesslich einiger Gebiete von Kuta und der Hauptstadt Denpasar, überschwemmt werden könnten. Der Koordinator von ForBALI, Wayan Gendo Surdana, ist der Ansicht, dass sowohl aus technischer wie auch rechtlicher Sicht das Projekt nicht weitergeführt werden dürfe. Das Aufschütten künstlicher Inseln in der Bucht würde Balis Küste und den natürlichen Dynamiken schaden.
Wayan empfiehlt den Unterstützern des Projekts zur Abschreckung den aktuellen Zustand von Seangan Island anschauen, die nur gerade 500 Meter von Benoa Bay entfernt liegt. In diesem Gebiet kam es zu tiefgreifenden Zerstörungen, nachdem es 1994 touristisch erschlossen wurde: "Die Schildkröten sind weg, die Korallenriffe zerstört, die Mangrovenwälder existieren nicht mehr und die Pflücker der Meeresalgen haben ihren Job verloren. Sie sind nun gezwungen, im Tourismus zu arbeiten. Es ist ganz offensichtlich, dass Tourismus nicht allen zu Gute kommt."
Die Auflösung des Krimis ist noch offen.