Weltgipfel zur Nachhaltigen Entwicklung 2002 von Johannesburg: Letzter Aufruf für eine nachhaltige Tourismuspolitik der Schweiz!
Zehn Jahre nach der wegweisenden Umweltkonferenz von Rio wird die Staatengemeinschaft Ende August in Johannesburg hart darum ringen, wie eine zukunftsfähige Entwicklung gestaltet werden muss, damit auch künftige Generationen in Würde leben können. Im Gegensatz noch zu Rio wird der Tourismus integraler Bestandteil des Umsetzungsplanes von Johannesburg. Das war überfällig, ist doch der heute wichtigste Wirtschaftszweig der Welt so direkt wie kein anderer abhängig von schönen Landschaften und der Gastfreundschaft der Menschen in den Zielgebieten, von Frieden und Sicherheit weltweit. Das hätte ihn längst zum Vorreiter der nachhaltigen Entwicklung machen müssen. Die rasante Entwicklung des Tourismus über die letzten Jahre geht indessen klar auf Kosten der lokalen und globalen Umwelt und allzu oft auch zu Lasten der Bevölkerung in den Gastländern.
Zum Glück warten nicht alle Verantwortlichen des Tourismus die Ausmarchung von Johannesburg ab, um die seit langem festgehalten Anforderungen an eine nachhaltige Entwicklung des Tourismus umzusetzen: Immer mehr Tourismusanbieter in Nord und Süd bemühen sich zumindest um einen schonenderen Umgang mit der Umwelt. Die südafrikanische Regierung erarbeitet zur Zeit gemeinsam mit VertreterInnen aus Wirtschaft und Zivilgesellschaft Richtlinien für einen verantwortlichen Tourismus, die ökologische Bestrebungen mit wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit und gesellschaftlicher Solidarität im Sinne einer umfassend nachhaltigen Entwicklung in Einklang bringen sollen. Die Regierungen von Holland oder Grossbritannien haben den massiven Einbruch des Tourismus nach dem 11. September als Denkpause genutzt, um im Vorfeld des Weltgipfels verschiedene Behörden mit der Tourismusbranche und Nichtregierungsorganisationen zusammenzubringen und «nachhaltige Tourismusinitiativen» für so verschiedene Bereiche wie Ausbildung, Angebotsgestaltung, Engagement von Reisebranche und Reisenden zu lancieren, unter Einbezug des «out-bound» Tourismus, was heute im Hochkonkurrenzumfeld des globalisierten Tourismus (Billigreisen ins Ausland!) besonders wichtig ist.
Da hat die Schweiz tüchtig Aufholbedarf: Während die Nachhaltigkeitsstrategie des Bundes 2002 bloss punktuelle Massnahmen für die wirtschaftlich und gesellschaftlich so bedeutenden Tourismus- und Freizeitbereiche mit ihren ökologischen Auswirkungen vorschlägt, erscheint die Nachhaltigkeit im neuen Bericht des Volkswirtschaftsdepartementes zur Tourismusförderung des Bundes nur ganz schamhaft in einem Unterkapitel. Im Gerangel um die Tourismusförderung bleibt der Auftrag der revidierten Bundesverfassung, wonach die Nachhaltigkeit zu einer Querschnittsaufgabe jedes Politikbereiches werden soll, kurzsichtig auf der Strecke. Höchste Zeit, dass Schweizer Tourismusverantwortliche aus Behörden und Wirtschaft, statt sich weiter überfehlende Beachtung auf dem politischen Parkett zu beklagen, eine griffige Strategie für Nachhaltigkeit im wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Sinne erarbeiten, dies unter Einbezug sämtlicher für Tourismus relevanter Politikbereiche – Verkehr, Raumordnung, Natur- und Landschaftsschutz, Wirtschaftshilfe für strukturschwache Regionen, internationale Finanz- und Handelspolitik, Bildung – aber auch der verschiedensten Akteure der Zivilgesellschaft. Nur so werden die dringend benötigten Fördermassnahmen für Innovation im Schweizer Tourismus auch langfristig zum Tragen kommen.
Christine Plüss
Der Beitrag erschien in leicht gekürzter Fassung in der Hotel- und Tourismus-Revue vom 25.7.2002