Basel, 27.9.2007 akte/ Türen öffnen reicht nicht – Frauen im Tourismus wollen Gleichberechtigung, Fairness und Ermächtigung. Das ist das Fazit der Frauen aus Organisationen in Bangalore, Goa und Kerala, die sich vertieft über das Motto des diesjährigen Welttourismustag „Tourismus öffnet Türen für Frauen“ ausgetauscht haben. Sie fordern die UNWTO heraus, doch zu prüfen, wie es bisher um die Chancen und Risiken der Frauen im Tourismus steht. Nachfolgend eine gekürzte Wiedergabe ihrer gemeinsamen Erklärung „Opening Doors is not enough – EQUALITY, EQUITY and EMPOWERMENT is what Women seek in Tourism“:
Geschlechterhierarchie in der Branche
Im formellen Tourismussektor sind 46% der Beschäftigten Frauen. Das ist ein viel höherer Prozentsatz als in anderen Sparten, wo der Anteil bei 30-40 Prozent liegt. Doch auch im Tourismus spielt die Geschlechterhierarchie: Frauen arbeiten in den niederen Stellungen mit weniger Aufstiegschancen, während die Managerposten von Männern besetzt sind. Sie arbeiten als Hauspflegerinnen, am Empfang, im Restaurationsbetrieb und in der Wäscherei. Dabei unterliegen sie einem hohen Risiko der sexuellen Belästigung und Ausbeutung. Die Organisation in Vereinigungen oder Gewerkschaften wird ihnen erschwert. Für die gleiche Arbeit verdienen sie immer noch signifikant weniger als die Männer, und sie sind öfter in Teilzeit und in prekären Arbeitsverhältnissen auf Abruf angestellt.

Bessere Rahmenbedingungen für den informellen Sektor!
In den Zweidrittelländern arbeiten 60% der Frauen (ausserhalb der Landwirtschaft) im informellen Sektor. Dies oft im Tourismus: Sie vermieten Zimmer an Gäste, führen Restaurants und Bars, verkaufen Handarbeiten, Kunsthandwerk und Handwebereien, führen kleine Läden oder Strassenstände. Diese Arbeit wird entweder als selbstverständlich hingenommen oder gar nicht gesehen. Es ist Zeit, diesen wirtschaftlichen Beitrag endlich ernst zu nehmen und förderliche Bedingungen dafür zu schaffen: Zugang zu Krediten, Weiterbildung, Marktzugang, sowie Förderung der Organisation in Gewerkschaften und Kooperativen, Zugang zu Gesundheitsversorgung und Sozialvorsorge. Oft entstehen aus informellen Unternehmen Initiativen des Community based Tourism, der Frauen neue Möglichkeiten eröffnet, vom Tourismus zu profitieren.

Mangelnde Fairness bei den Ressourcen
Doch wo der Tourismus Menschen vom Land vertreibt und ihnen so ihre traditionelle Lebensweise verunmöglicht, sind Frauen besonders betroffen. Sie generieren Zusatzeinkommen mit dem Tabakanbau, der Kokosnussernte, der Fischsortierung und –verarbeitung. Unternehmen und Regierung müssen dafür sorgen, dass der Tourismus Frauen neue Möglichkeiten für Einkommen und Nebeneinkünfte schafft, aus denen sie wählen können.

Es gibt einen direkten Zusammenhang zwischen dem Raubbau an natürlichen Ressourcen durch den Tourismus und einer grösseren alltäglichen Bürde für die Frauen. Sie als Hausfrauen und Mitglieder der Gemeinschaft leiden am meisten, wenn sie plötzlich kein Brennholz im Wald mehr holen können oder die Suche nach Wasser sie täglich über Stunden beansprucht. Das Kochen und andere Alltagsgschäfte dauern dann plötzlich doppelt oder dreimal so lange.

Sexismus in der Werbung

Wo der Tourismus die Kultur vermarktet, tendiert die Branche dazu, besonders Frauen zur Ware zu degradieren. Dabei ist nicht nur der Sextourismus gemeint. Von Frauen wird erwartet, dass sie sich „attraktiv“ kleiden, hübsch (d.h. schlank, jung) aussehen und sexuelle Belästigungen tolerieren. Stereotype und sexistische Frauenbilder sind oft Bestandteil der Tourismuswerbung. Die internationale Gemeinschaft und die UNWTO sollen ein Augenmerk darauf legen, wie Frauen beim Verkauf touristischer Angebote dargestellt werden. Dieses Anliegen einer nichtsexistischen Darstellung von Frauen in der Tourismuswerbung soll in den UNWTO-Ethikkode aufgenommen werden.

Glanzfassade und Doppelmoral

Schliesslich gilt es auch in der Tourismusindustrie, bei der Verbindung zwischen Migration und Tourismus den Genderaspekt wahrzunehmen. Ebenso bei HIV/AIDS, einem Thema, das nicht nur, aber insbesondere durch den Sextourismus eine starke Genderkomponente hat. Selbst Armut in den Städten hat starke Wurzeln in der Geschlechterdiskriminierung. Mit der Tourismusentwicklung wird häufig den Armen in den Städten die Lebensgrundlage entzogen, während die Branche gleichzeitig von billigen Arbeitskräften und ausbeuterischen Verhältnissen lebt. Der Trend zur Tourismusentwicklung in Konfliktzonen ist für Frauen besonderer Anlass zur Sorge. Katastrophen und Epidemien stehen in einem unguten Zusammenhang mit dem Tourismus: Selten werden Genderaspekte bei den Hilfeleistungen und dem Wiederaufbau berücksichtigt. Stattdessen geht es um die Sicherheit der Touristen und die Wiederbelebung der touristischen Infrastruktur.

Quelle: Opening Doors is not enough – EQUALITY EQUITY and EMPOWERMENT is what Women seek in Tourism. Erklärung vom 27.9.2007Die gemeinsame Erklärung wurde von Alternatives (Goa), Council for Social Justice and Peace (Goa), EQUATIONS (Bangalore) und Sakhi Resource Centre for Women (Kerala) verfasst, die aus Anlass des Welttourismustag verschiedene Roundtables in Kerala und Goa zu Tourismus und Frauen organisiert haben.