Werner Hörtner: Kolumbien verstehen. Geschichte und Gegenwart eines Landes
Gewalt, Drogen, Guerilla und Paramilitärs: Das ist das Kolumbien, wie es über die gängigen Medienberichte bekannt geworden ist. Ihm stellt der Journalist Werner Hörtner ein ganz anderes Bild entgegen: Die Fahrradtage in Bogotá, an denen rund zwei Millionen Menschen mit Fahrrädern, Dreirädern, Rollerblades oder zu Fuss unterwegs sind und die sonst gefährlich erscheinenden Strassen bevölkern.
Erst nach Aufzeigen dieses anderen Kolumbiens setzt er zur Erklärung für den jahrzehntelangen Krieg an, der in diesem Land tobt. Dafür greift er bis in die Zeit der ‚Entdeckung’ durch Kolumbus und die Goldsucher zurück. Er zeigt die Landkonflikte mit den Indigenen auf, führt durch die Zeiten der Sklaverei, das Aufkommen der zwei Parteien – den Konservativen und den Liberalen – hin zur Gründung von Guerillas und Paramilitärs und dem Drogenhandel.
Ein solides Geschichtsbuch also, mit einem etwas altmodischen Konzept – wären da nicht die Einsprengsel: Die Poesietage in Medellin, die Verkehrspolitik Bogotás, die vielen mutigen zivilen Initiativen zur Verbesserung der Lebensbedingungen und der Menschenrechtssituation, der Kampf der Indigenas, die Gewalt gegen Frauen und der Kampf der Frauen, die Friedensgemeinden und vieles mehr. Oder die Interviews mit dem Comandante der FARC-Guerilla oder mit dem um Frieden bemühten Präsidenten Belisario Betancur. Selbst Tipps für TouristInnen fehlen nicht, wobei Hörtner selbst einräumen muss, dass die Reisenden wohl mehr Schein als Sein erleben werden.
So schwankt das Buch zwischen geschichtlichen Erklärungen und der Differenzierung des Bildes über Kolumbien. Verstehen werden wir Kolumbien nach der Lektüre dieses Buches nicht. Aber wir werden das Land vielleicht neu schätzen lernen für die vielen Leute, die mit Kreativität und Mut für Frieden und Vielfalt eintreten.
Rotpunktverlag, Zürich 2006, 320 Seiten, Sfr. 34.-, Euro 19.80, ISBN 10 3-85869-326-x