Dank energischer Proteste aus Umweltkreisen und der Reisebranche konnte Kuonis ausgeklügelte Weihnachtsbescherung in letzter Sekunde verhindert werden. Kuonis ursprüngliche Idee, die Kinder aus dem Pestalozzi‑Dorf zu einem Gratisflug einzuladen, wäre wohl nirgends auf Widerstand gestossen. Doch das «Social Marketing» zugunsten des appenzellischen Kinderdorfes uferte aus zu einem fragwürdigen Weihnachtsspezialprogramm für die allgemeine Kundschaft: Ein anderthalbstündigen Rundflug über die Schweizer Alpen in Begleitung eitles «Samichlaus» und als Engelchen verkleideten Kuoni‑Lehrtöchtern zum einmalig «hitverdächtigen» Preis von 44. ‑ Franken für Kinder und 99. ‑ Franken für begleitende Erwachsene, inklusive heisser Schoggi, Weihnachtspäckli und garantiertem Sonnenschein. Mit diesem Weihnachtscoup hätte Kuoni auch gleich eine Bresche für künftiges «Social Marketing» geschlagen, die schlimmes ahnen lässt. Wer weiss, was sich die phantasiesprühende Tourismusindustrie für kommende Feiertage ausgedacht hätte? Vielleicht im Überschalljet auf Osternestchensuche zugunsten der Kriegswaisen aus Ruanda. Zu Fall brachten die Weihnachtsflüge letztlich die ökologischen Bedenken des Schutzverbandes der Bevölkerung um den Flughafen Zürich (SBFZ), denen sich die auf ihr Öko‑Image bedachte Swissair anschloss. Auch die Flughafenleitung Zürich‑Kloten packte die günstige Gelegenheit beim Schopf, sich für einmal ohne einschneidende Konzessionen auf die Seite der Flughafenanrainer zu stellen. Ungemein viele «Lorbeeren» von der Fachpresse erhielt der Umweltbeauftragte des SSR, Hansjörg Ruf, der mit seinem Protest sozusagen im Alleingang Kuonis Weihnachtsflop verursacht hätte: «Les écolos tirent sur le Père Noël“ titelte ‑kriegerisch ‑ die welsche Ausgabe des «Travel Inside» und spricht im Zusammenhang mit «Grünen» und der Umweltkommission des SSR von «gefährlichen Extremisten». In solch hochnotpeinlichen Situationen gilt es eben, schnell den sündigen Spielverderber auszumachen! Jedenfalls entluden sich 4rger und Empörung des düpierten Reisepublikum ‑immerhin waren über 600 Buchungen für die Rundflüge eingegangen ‑ in einem Hagel von Telefonanrufen über Ruf. Er wurde dabei nicht nur als Drahtzieher der Protestaktion bezeichnet, sondern musste recht handfeste Drohungen entgegennehmen, sein Vorgehen würde noch blutige Folgen haben und man würde ihm Weihnachten schon zu vermiesen wissen. Die Enttäuschung vieler KundInnen ist nachvollziehbar; viele brachten in ihren Anrufen aber auch zum Ausdruck, dass Mobilität eine ‑ ungelöste ‑ soziale Frage ist. «Derjenige», hiess es etwa, „der 3000 Franken für eine Malediven‑ oder Karibikreise aufwerfen kann, gelangt problemlos dahin. Wer aber kein Geld hat und für 100 Franken einmal zu einem Flug kommen könnte, der wird bestraft. » Das wäre doch ein weites Feld für künftiges «Social Marketing» der Reisebranche. Allerdings müsste sie sich dazu etwas mehr einfallen lassen, als Kinder aus dem Pestalozzi‑Dorf zur Ersatzbefriedigung auf Linienflüge zwischen Zürich und Genf zu verfrachten und unterwegs mit einem Hamburger abzuspeisen. Das mag zwar einen gewissen Nachwuchs für Vielflieger heranziehen, trägt jedoch insgesamt noch wenig zur Lösung der sozialen Frage der Mobilität bei.
Recherchen akT+E Dezember 94; Travel Inside 28.12./19.10./12.10.94; Anzeiger der Stadt Kloten 22.12.94; Tages‑Anzeiger 22.12./15.12.94; Travel Trade Gazette 17.11.94; Weltwoche 20.10.94; Blick 17.10.94/cp