Wie geht man im Alltag und auf Reisen mit Bettelnden um?
Wir alle haben eine persönliche Strategie entwickelt, wie wir zuhause auf der Strasse mit BettlerInnen umgehen. Dabei gibt es wenige klare Regeln zu beachten:
Wegschauen ist keine Lösung und deshalb falsch.
Nicht vorschnell urteilen: Wir wissen nicht, warum der Mensch uns gegenüber um Geld oder Sachspenden bittet oder auf der Strasse gelandet ist.
Dem Gegenüber mit Respekt und auf Augenhöhe begegnen.
Lieber direkt nachfragen und Interesse zeigen, als achtlos vorbeigehen.
Wem das Spenden kleiner Geldbeträge an Individuen auf der Strasse gerade nicht angenehm ist, spendet ein Lächeln oder ein paar nette Worte.
Unterstützen Sie lokale Nichtregierungsorganisationen, die sich für Bedürftige einsetzen.
Auf Reisen
Dasselbe gilt auch im Ausland. Gerade in Ländern mit schwachen oder inexistenten Sozialsystemen sind noch mehr Menschen auf direkte Hilfe von anderen angewiesen. Betteln ist deshalb für viele die einzige Möglichkeit, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten.
Oft verhindert auf Reisen die Sprach- und Kulturbarriere, dass wir unser Gegenüber direkt verbal ansprechen können. Und da wir unser Reiseland meist weniger gut kennen als unser Zuhause, können wir hier noch seltener beurteilen, wie und warum jemand zum Betteln gezwungen ist. Gleichzeitig befinden wir uns als verhältnismässig wohlhabende, gebildete und in der Mehrheit der Fälle weisse Reisende den Bettelnden gegenüber in einer mehrfach privilegierten Lage: Wir haben es uns freiwillig ausgesucht hier zu sein und wir können jederzeit wieder gehen.
Wenn wir uns also die Frage stellen, was und wem wir etwas geben wollen, kann es ratsam sein, sich an den Einheimischen zu orientieren. Beispielsweise gehört in vielen Religionen das Almosengeben zu einer festen Institution. BettlerInnen finden sich daher häufig in der Nähe religiöser Einrichtungen, wo sie von der einheimischen Bevölkerung toleriert, gern gesehen und mit Spenden bedacht werden.
Immer ein bisschen Kleingeld in der Tasche zu haben, kann also nicht schaden. Weniger ratsam ist, das ganze Portemonnaie zu zücken. Dies kann Begehrlichkeiten wecken und im Einzelfall auch als unangemessen oder unangenehm empfunden werden.
Kinder
Besonders schwierig ist der Umgang mit bettelnden Kindern. Unter dem Motto „let parents earn and children learn“ raten viele internationale Organisationen davon ab, bettelnden Kindern Geld zu geben oder ihnen kleine Dinge wie Taschentücher oder Kaugummi abzukaufen. Kindern und Eltern würde so vermittelt, es sei lohnender, die Kinder zum Betteln auf die Strasse zu schicken, anstatt ihnen eine Schulbildung zukommen zu lassen – ein Teufelskreis aus fehlender Bildung und Armut entstünde.
Obwohl diese Argumentation nicht falsch ist, greift sie jedoch etwas zu kurz: Schliesslich führt der Verlust eines Bettelverdienstes nicht automatisch zum Schulbesuch. Mancherorts können sich die Eltern schlicht das Schulgeld, die erforderliche Uniform oder die Materialkosten nicht leisten, anderenorts verbietet der Staat bestimmten Bevölkerungsgruppen (wie beispielsweise illegalen Einwanderern) den Schulbesuch. Bettelnde Kinder landen also nicht automatisch in der Schule, sobald sie kein Geld mehr von Reisenden erhalten.
Aktiv werden
Damit kein Kind zum Betteln gezwungen ist, bedarf es grösserer Anstrengungen, die auf lokaler und internationaler Ebene ernsthaften politischen Willen zur Armutsbekämpfung und zum Schutz der Menschenrechte voraussetzen, den Sie als Reisende schon bei der Buchung mit beeinflussen können: Achten Sie darauf, dass Ihr Reiseveranstalter und sämtliche Anbieter vor Ort die Rechte von Kindern schützen und ihre Angestellten fair entlöhnen, so dass diese sich den Schulbesuch ihrer Kinder leisten und entsprechend dafür einsetzen können.
Kein Kind sucht es sich aus, seinen Unterhalt bettelnd auf der Strasse zu erwirtschaften. Bettelnde Kinder sind in multiplen Abhängigkeiten gefangen und können meist nicht selbst entscheiden. Ein Kind, welches auf diese Weise für seinen Lebensunterhalt arbeitet, verdient deshalb in erster Linie Respekt und aufrichtiges Interesse. Erkundigen Sie sich vor der Reise nach lokalen Organisationen, die sich für Bedürftige und speziell Kinder einsetzen. Möglicherweise hilft eine gezielte Spende an eine entsprechende Organisation mehr als ein paar verteilte Münzen.
Vor Ort erworbene Sachspenden können zudem eine Alternative zu Geld darstellen. Aber Achtung: direkt an Kinder verteilt, werden diese womöglich gegen Geld weiterverkauft. Besser überlässt man solcherlei Material Organisationen oder Einrichtungen, die sich mit den Gegebenheiten im Land besser auskennen.