Wie Tourismusprojekte in Kambodscha die digitale Kluft überwinden
Internationale Online-Reiseagenturen (OTAs) dominieren heute die Tourismuswirtschaft. Sie alle verfügen über hochintegrierte Plattformen und investieren in grossem Stil in Online-Marketing und die Optimierung für Suchmaschinen. Hoteliers brauchen nur Beschreibungen und Fotos der Zimmer hinzufügen, sich mit ihrem Buchungssystem verbinden und Buchungen entgegennehmen. Doch für eine Dorfgemeinschaft, die eine Unterkunft betreibt, funktioniert dieser universelle Ansatz nicht.
Die überwiegende Mehrheit der von Dorfgemeinschaften betriebenen Tourismusinitiativen verfügt nicht über die nötigen Kenntnisse, Fähigkeiten und das konzeptionelle Verständnis der digitalen Revolution, die die Tourismuswirtschaft erfasst hat. Die digitale Kluft ist enorm. Es braucht ganzheitliche, innovative Lösungen, um lokale Projekte ins Netz zu bringen und sie dabei zu unterstützen, ihre Online-Präsenz zu erhalten.
Momentan besteht der gängigste Ansatz darin, mit Geber-Finanzierung Webseiten-Entwickler*innen, Texter*innen sowie Medien- und Marketing-Fachleute anzuheuern, um eine Webseite zu erstellen, ohne dass jemand in der Gemeinschaft weiß, wie man sie betreut, aktualisiert oder auf Gästeanfragen reagiert. Die Gemeinschaften verstehen vielleicht nicht einmal, warum sie eine Webseite brauchen. Nach Abschluss des ursprünglichen Projekts werden die Webseiten dann nicht weiter betreut oder aktualisiert, was zu Frustrationen bei Tourist*innen führt, die versuchen, mit veralteten Webseiten ihren Urlaub zu planen.
Die Kluft überwinden
‘Impact Explorer Cambodia‘ schließt die Lücke zwischen der digitalen Welt der Gäste aus Industrieländern und der ‘analogen’ Welt der Dorfgemeinschaften in Kambodscha. Es ist ein Online-Marktplatz, der gemeindebasierte Tourismusprojekte und Ökotourismusinitiativen ins Netz bringt und so ausländischen Gästen eine nachhaltigere Auswahl bietet.
In den letzten drei Jahren waren wir mit den Herausforderungen konfrontiert, die gemeindebasierte Tourismusprojekte überwinden müssen, um eine Internet-Präsenz aufzubauen und zu erhalten und haben schließlich mit ihnen gemeinsam Lösungen entwickelt.
Fehlende Kenntnisse im Umgang mit digitalen Medien
Obwohl die meisten Kambodschaner*innen ein Handy besitzen und auf die eine oder andere Weise Internetzugang haben, sind sie von einem umfassenden Zugang zu digitalen Informationen weit entfernt. Das Hauptproblem für sie ist es, zu verstehen, wie Informationen im Internet vorliegen und wie die Menschen damit interagieren. Für die meisten Kambodschaner*innen besteht das Internet aus Facebook. Wird Google verwendet, können viele nicht feststellen, welche Informationen für sie relevant sind und welche nicht. Deshalb verstanden die Projektteams auch nicht, wie Tourist*innen bei sich zuhause sitzen, nach Reisezielen suchen und ihren Urlaub buchen. Aktuelle und relevante Informationen sind für die meisten Menschen in Kambodscha keine Realität im Alltag. Um mit diesem Problem umzugehen, halten wir regelmäßig Kontakt zu den Gemeinschaften und fragen wesentliche neue Informationen im Rahmen unserer üblichen Gespräche ab.
Die meisten Kambodschaner*innen nutzen Facebook als wichtigstes Kommunikationsmittel über den Messenger und Sprachanrufe. Die Verwendung von Online-Buchungsformularen oder Emails ist schlichtweg nicht praktikabel. Wie sollen Personen, die kaum lesen und schreiben können, diese Nachrichten lesen? Das Risiko, dass es zu Missverständnissen kommt, ist viel zu hoch. Gute alte Telefonanrufe, Facebook-Anrufe oder aufgezeichnete Sprachnachrichten sind unsere gängigsten Wege zum Austausch von Buchungsinformationen mit den Projekten.
Unterschiedliche Perspektiven
Beim Erstellen von Online-Inhalten ist Sprache ein großes Problem, aber nicht das grösste. Gute Inhalte kann man übersetzen und hervorragende Fotos funktionieren ohne Worte. Doch einige Ideen und Konzepte sind nicht kulturübergreifend. Den meisten im Projektteam fällt es schwer, Geschichten zu identifizieren, die für internationale Gäste interessant sind, oder Fotos auszuwählen, die zum Buchen animieren. Es ist kein sprachliches Problem, sondern eine andere Sichtweise. Investiert man nicht in die Erstellung einmaliger, qualitativ hochwertiger Inhalte, hat man am Ende Texte, die eher der Gebrauchsanweisung einer Waschmaschine ähneln als überzeugenden Website-Inhalten.
Vertrauen aufbauen
Der elektronische Zahlungsverkehr ist in den meisten Entwicklungsländern ein komplexes Problem. Viele dieser Länder verfügen nicht überall über das gesamte Spektrum an Zahlungsoptionen, die es in Industrieländern gibt. Anfänglich wollten viele der Dorfbewohner*innen ihr Geld in bar erhalten, bei Ankunft der Gäste. Deshalb begannen wir mit einem Barzahlungssystem, damit die Gemeinschaft Vertrauen aufbauen konnte. Schon bald darauf gingen wir zu elektronischen Bezahlsystemen über. Sobald die Gemeinschaften das Vorgehen verstanden hatten, führten wir weitere Vorteile ein: Wir garantieren ihnen ein Einkommen selbst in Fällen, in denen die Gäste nicht auftauchten, denn die Tourist*innen zahlen mit Karte zum Zeitpunkt der Buchung.
Nach drei Jahren Erfahrung mit 45 Projekten in Kambodscha, die nun online sind und Kartenzahlung akzeptieren, muss man sagen, dass es kein leichter oder billiger Prozess ist. Die Projekte verfügen derzeit noch nicht über die Fähigkeiten und das Technologie-Verständnis für den „Sprung“ ins Netz. Die meisten Nichtregierungsorganisation oder staatlichen Tourismusbehörden haben noch nicht das tiefere Verständnis von Marketing und Online-Handel, um die Projekte zu unterstützen. Der einzige Weg, Gemeinschaften ins Netz zu bringen, ist durch Zusammenarbeit zwischen Gemeinschaften, Privatwirtschaft und Zivilgesellschaft mit Unterstützung eines visionären Geldgebers, der den Nutzen von Investitionen in Technologien und Marketing zur Dorfentwicklung versteht.
Jitka Markova ist Länderdirektorin von “Conscious Tourism Cambodia” und Mitbegründerin von “Impact Explorer Cambodia“ (impactexplorer.asia).
Übersetzung aus dem Englischen: Christina Kamp.