Wiederaufbau nach dem Tsunami: Kein Kurswechsel für eine nachhaltige Tourismusentwicklung in Sicht
Entgegen den Versprechen, welche internationale Organisationen, die Tourismusindustrie, Branchenverbände und Behörden vor dem gigantischen Ausmass der Katastrophe abgaben, liegen wenige Wochen vor der neuen Tourismussaison in keinem der vom Tsunami betroffenen Gebieten im indischen Ozean klare Konzepte für einen umweltverträglichen und sozialverantwortlichen Wiederaufbau des Tourismus vor. Die Tourismuswirtschaft setzte im Einklang mit Behörden und der Welttourismusorganisation (WTO) alles daran, möglichst schnell wieder möglichst viele BesucherInnen anzulocken und startete dazu kostspielige Marketingoffensiven. Einzelne Tourismusunternehmen engagierten sich in Hilfsprojekten zum Wiederaufbau von Fischerdörfern. Doch wie die Tourismusangestellten überleben, die wegen dem Tsunami ihren Job verloren, bleibt weitgehend unklar. Derweil kämpfen die BewohnerInnen der zerstörten Küsten – oft genug auf verlorenem Posten gegenüber den neuen, gross angekündeten Tourismusentwicklungsvorhaben – verzweifelt um ihre Rechte auf Land und Zugang zum Meer. Gerade dieser stellt die Einkommensquelle für die Fischer und all jene dar, die sich ihren Lebensunterhalt bislang im informellen Bereich des Tourismus als Strandverkäuferinnen oder mit einfachen Beach-Kneippen und Guesthouses sicherten. Im Zuge der ersten Hilfsmassnahmen wurden ihre Wohnstätten oft ins Landesinnere verlegt. In Sri Lanka, aber auch Südindien, auf den Andamanen und Nicobaren sowie in Thailand scheinen viele vom Tsunami vertriebene Opfer nun dazu verdammt, sich in diesen Notunterkünften aus Wellblech oder blossen Zeltplanen, die den klimatischen Bedingungen nicht stand halten, längerfristig einrichten zu müssen. Denn die Landrechte in den betroffenen Küstenzonen bleiben ungeklärt. Die Not- und Wiederaufbauhilfe hat zudem dubiose Hilfswerke und Spekulanten angezogen und vielerorts die Korruption von lokalen Beamten und Unternehmen genährt.
Diese alarmierende Bilanz zogen Tourismus- und Entwicklungsorganisationen an einer Tagung im vergangenen Juli im indischen Bangalore, wo Fachleute und Augenzeugen über die Situation in den südindischen Bundesstaaten Tamil Nadu und Kerala, den Andamanen und Nicobaren, auf Sri Lanka und in Thailand berichteten. In der Folge der Tagung und aufgrund weiterer besorgniserregender Lageberichte lancierten sie einen internationalen Appell, der eindringlich zum Respekt der elementaren Rechte der betroffenen Menschen beim Wiederaufbau aufruft. Gefordert sind dabei in erster Linie die Regierungen der betroffenen Staaten, den Opfern des Tsunami effektiv nachhaltige Hilfe zu leisten und die Massnahmen entsprechend zu koordinieren. Das heisst auch, die künftige Tourismusentwicklung mit den Bedürfnissen der BewohnerInnen der Küstenregionen in Einklang zu bringen und die eklatanten Fehler der Vergangenheit, die dazu beitrugen, dass sich der Tsunami so schlimm auswirkte, jetzt zu korrigieren. Dabei sollen sie auch vermehrt auf das traditionelle Wissen der AnwohnerInnen um ökologische Zusammenhänge zurückgreifen. Vor allem aber brauchen sie die Unterstützung der Tourismusindustrie und der internationalen Branchenverbände: Diese sind aufgerufen, nun ihren in schönen Worten gefassten Tourismuskonzepten für eine nachhaltige, umwelt- und sozialgerechte Entwicklung auch konkrete Taten folgen lassen. Aufgerufen sind weiter auch die Hilfswerke, die mit den solidarisch erbrachten Spenden aus den Entsendeländern des Tourismus den Wiederaufbau in den betroffenen Gebieten vorantreiben. Wenngleich sie sich in der Regel kaum mit dem Tourismus befassen, sind sie doch angesichts der grossen touristischen Interessen, die in den meisten Tsunami-Gebieten auf dem Spiel stehen, jetzt gefordert, der betroffenen Bevölkerung zu ihren Rechten auf Land, Ressourcen und Mitsprache bei künftigen «Entwicklungsprojekten» im Tourismus zu verhelfen. /plus