Wilfredo Quenevo: Als Reiseleiter auf neuen Wegen
Früher war Wilfredo Quenevos Einkommen Glückssache. Als Taglöhner in den Goldminen von Tipuani und Mapiri richtete sich sein Lohn nach der Menge Gold, die er fand. "Ich hatte kein festes Einkommen, und in der Mine konnte an jedem Tag ein Erdrutsch oder sonst ein Unglück passieren", erinnert er sich.
In der Stadt Rurrenabaque, beliebt bei Rucksacktouristen für Exkursionen in den Amazonas-Urwald und in die Feuchtebene der Pampas, fand Quenevo Arbeit als Bootsfahrer und Koch eines Reiseunternehmens. So oft es ging, begleitete er die Touristenführer auf ihren Ausflügen mit den Gästen. Nach der Hälfte des Weges eilte er zurück in seine Küche und widmete sich dem Essen. So schnappte er auf, was die Guides den Gästen erklärten, und wie man eine Reisegruppe führt. Nach sechs Monaten sagte er seinem Chef, dass er als Reiseführer arbeiten wolle. Er erhielt seine Chance und machte seine Sache immer besser. Als er erfuhr, dass in der Gegend Kurse für Reiseführer angeboten würden, lieh er sich Geld von seinem Chef, um teilnehmen zu können. Den Verdienstausfall hätte er sich nicht leisten können.
Die Namen der Pflanzen und Tiere seiner Heimat kannte Wilfredo Quenevo bereits. In den von Swisscontact mitgestalteten Kursen lernte er die ökologischen Zusammenhänge kennen und wie er sie den Gästen spannend erklären kann. Mittlerweile arbeitet er nur noch als Tour Guide, ausgelernt hat er nicht. "Ich will alles lernen, was man über die Biodiversität wissen muss, und ein besserer Guide sein als die vielen anderen hier in der Gegend", erklärt er.
Wilfredo Quenevos Zeit ist knapp. Um seine Familie zu ernähren, ist er auch auf die Erträge seines Yucca- und Bananenhains angewiesen, zudem engagiert er sich bei kulturellen Anlässen in seinem Wohnviertel. Seine Kinder haben den direkten Weg in den Tourismus gewählt. Sein 27-jähriger Sohn hat sein Studium der Touristik abgeschlossen und arbeitet für die Gemeindeverwaltung von Rurrenabaque. Die 18-jährige Tochter steht kurz vor dem Abschluss desselben Studiengangs. "Meine Frau kocht gelegentlich für Reisegruppen. So hat sich meine ganze Familie dem Tourismus verschrieben."
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Nachhaltiger Tourismus in Bolivien
Der Tourismus ermöglicht der Bevölkerung abgelegener Regionen, ihr Einkommen aus eigener Kraft zu erhöhen. Swisscontact unterstützt sie mit Weiterbildung, Beratung und Vernetzung.
Mit zwei Projekten unterstützt Swisscontact in Bolivien den nachhaltigen Tourismus zugunsten einkommensschwacher Gemeinden auf dem Land. Ein grosser Teil der Begünstigten sind Ureinwohnerinnen und Ureinwohner. Zusammen mit lokalen Partnern bietet Swisscontact Weiterbildungskurse in der Hotellerie und Reiseleitung an. Dazu fördert sie die Vernetzung verschiedener öffentlicher und privater Akteure eines Gebiets mit dem Ziel, dass diese ihre Region gemeinsam vermarkten. Vier Tourismusdestinationen sind so entstanden, eine von ihnen ist jene von La Paz-Beni, in der auch Wilfredo Quenevo arbeitet. Im Jahr 2008 entstanden im Tourismussektor der vier Regionen rund 350 Arbeitsplätze.