Winter auf Teufel komm raus?
_Landschaftliche Eingriffe Während noch vor einigen Jahren vor allem der Energie- und Wasserverbrauch der künstlichen Beschneiung im Vordergrund stand, liegt heute der Fokus immer stärker auf den teils gravierenden landschaftlichen Eingriffen, die mit der künstlichen Beschneiung verbunden sind. Im Jahr 2015 existieren in der Schweiz bereits mindestens 80 Speicherseen, welche für die künstliche Beschneiung genutzt werden, aktuell befinden sich im Minimum weitere 18 in Planung1. Die Speicherseen werden oft in alpinen Lagen gebaut, um danach den durch den Höhenunterschied entstehenden, natürlichen Wasserdruck ausnutzen zu können. Dies bedingt den Bau eines umfassenden Leitungsnetzes. Für eine möglichst effiziente Beschneiung muss der Untergrund zudem so eben wie möglich sein, was oft umfangreiche Erdarbeiten notwendig macht. In alpinen Höhenlagen können Eingriffe kaum je wieder rückgängig gemacht werden – noch unsere Kindeskinder werden die Spuren der aktuellen Bauwut sehen.
_ Wasserverbrauch Das hochgerechnete Wasservolumen der heute bereits realisierten, in der Befragung erhobenen Seen beträgt 7 Mio. m3. Die erwähnten Speicherseen werden bis zu fünf Mal pro Saison nachgefüllt. Hinzu kommen Wasserentnahmen aus Trinkwasserquellen, Bächen und anderen Quellen. Der tatsächliche Wasserverbrauch für die künstliche Beschneiung dürfte aus diesen Gründen um ein Vielfaches höher liegen als das berechnete Volumen der Speicherseen. Wird der Wasserverbrauch für die Beschneiung während des Winters 2013/2014 mit Zahlen des Schweizer Seilbahn-Verbandes2 und der Literatur3 berechnet, so wurden 6 bis 13 Mio. m3 Wasser zur künstlichen Beschneiung in Skigebieten verwendet. Dies entspricht etwa dem jährlichen Wasserverbrauch der Stadt Bern. In trockenen Gebieten wie z.B. Crans-Montana (VS) zeichnen sich bereits heute zukünftige Nutzungskonflikte ab.4
_Energieverbrauch Zwar wurden in den vergangenen Jahren deutlich effizientere Beschneiungssysteme entwickelt. Doch der Energieverbrauch für die künstliche Beschneiung ist immer noch enorm. Im Winter 2013/2014 wurden allein für die Grundbeschneiung (Unterlage von 30 cm) bis zu 554’000 MWh gebraucht – dies entspricht dem jährlichen Stromverbrauch von 188’000 Zwei-Personen-Haushalten.
_Kosten Pro beschneibaren Pistenkilometer muss mit Investitionskosten von 750’000 bis 1 Mio. CHF und jährlichen Unterhaltskosten zwischen 50’000 und 70’000 CHF gerechnet werden5. Dabei stellt sich zwingend die Frage nach der Finanzierung. Gemäss aktuellen Studien ist nur jede dritte Bergbahn in der Lage, anstehende grössere Investitionen aus eigenen Reserven zu tätigen6. Gemeinden, Kantone und der Bund müssen allzu oft einspringen: So investierte das Skigebiet Gstaad mehrere Male Millionenbeiträge aus der Gemeindekasse. Die Skigebiete Andermatt-Sedrun sowie auch Metsch (Lenk) werden mit grosszügigen Beiträgen aus dem Fonds der Neuen Regionalpolitik unterstützt – Geld, das durchaus auch in die künstliche Beschneiung investiert wird.
_Folgerungen In Anbetracht des Klimawandels und dem prognostizierten Anstieg der Schneefallgrenze wird sich der Trend zur künstlichen Beschneiung weiter intensivieren – die Problematik der künstlichen Beschneiung ist aktueller denn je. Der massive und teils subventionierte Ausbau der künstlichen Beschneiung wird aktuell damit gerechtfertigt, dass Bergbahnen eine wichtige regionalwirtschaftliche Funktion haben. Fakt ist jedoch auch, dass diese Investitionen den notwendigen Strukturwandel und damit eine Anpassung an die Herausforderungen der Zukunft behindern. Allzu oft werden öffentliche Gelder statt in die Entwicklung von tragfähigen und ganzjährigen Tourismuskonzepten in die künstliche Beschneiung gesteckt. Damit wird das Problem allerdings nur verschoben – nicht gelöst. Mountain wilderness fordert in Anbetracht dieser Entwicklung ein radikales Umdenken: Künstliche Beschneiung lediglich an exponierten Stellen, Umstellung auf einen klima- und umweltverträglicheren Tourismus und keine Subventionierung von künstlicher Beschneiung.
Hamberger, Sylvia und Doering, Axel, 2015: Der gekaufte Winter. Eine Bilanz der künstlichen Beschneiung in den Alpen.