«Wir finden einen Weg, die Arbeit zu vermenschlichen.»
Im Interview erzählt uns Vania Arana von der Arbeit der «Las Kellys», die in Spanien versuchen die Arbeitsbedingungen für Reinigungskräfte zu verbessern. Sie ist die Vorsitzende und Sprecherin der Gewerkschaft in Katalonien.
Antonia Merz: Vania, wofür setzen sich Las Kellys ein?
Vania Arana : Las Kellys ist die einzige Zimmermädchen-Gewerkschaft in Spanien. Wir haben viele Kolleg*innen, die in Hotels arbeiten und als Zweitjob in Privathäusern tätig sind. Andere Kolleg*innen haben den Hotelsektor verlassen und arbeiten jetzt im Gastgewerbe. Wir kämpfen darum, unsere Arbeit sichtbar zu machen. Diese Arbeit wird sehr schlecht bezahlt und vom Rest der Bevölkerung oft unterschätzt.
AM: Und haben die Hotels Probleme Personal zu finden?
VA: Ja, im Moment ist es nicht möglich, qualifizierte Arbeitskräfte zu finden. Das liegt auch daran, dass viele Kolleg*innen gegangen sind. Viele spanischen Frauen, die als Zimmermädchen arbeiteten, sind alleinstehend. Jetzt arbeiten sie woanders. Sie sind zum Beispiel nach London oder nach Schottland gegangen. Es geht ihnen dort besser. Das einzige Problem ist Englisch, aber nach und nach werden sie es lernen. Natürlich ist es in vielen Ländern besser als bei uns. Während der Pandemie sind auch viele unserer Kolleginnen in den Krankenhaussektor oder in ein Pflegeheim gegangen. Dort muss man nicht neun oder elf Stunden arbeiten. Dort haben Sie eine Stunde Zeit, dann können Sie rausgehen. Du verdienst nicht viel, aber naja… du musst deine Gesundheit nicht ruinieren.
Unsere Arbeit kann nicht von jede*m erledigt werden, der putzen kann. Das macht natürlich eine Menge Ärger, weil ungelernte Kräfte länger brauchen und dann nicht dafür bezahlt werden, weil der Preis durch die Hotels vorgegeben ist.
AM: Was bedeutet das, dass die Preise durch die Hotels vorgegeben sind?
VA: Die Preise für die Arbeit sind zu niedrig, so dass die Beschäftigten mit dieser Arbeit nicht überleben können. Viele Arbeitnehmer*innen, die seit langem in diesem Sektor tätig sind, müssen zwei Jobs ausüben. Sie arbeiten mehr als acht Stunden in einem Hotel, und wenn sie fertig sind, gehen sie nach Hause und arbeiten nachts an einem anderen Ort. Es ist sehr anstrengend.
Auch ist die Vergabe von Unteraufträgen an Dienstleistungsunternehmen, die mit eigenen Verträgen arbeiten, sehr verbreitet. Sie bezahlen nicht so, wie bezahlt werden sollte. Sie behalten zum Beispiel vierzig Prozent des Gehalts ihrer Beschäftigten. Deshalb bekommen die Beschäftigten Probleme in ihren Familien, weil sie noch mehr Stunden bei der Arbeit verbringen müssen und nicht daheim sein können.
AM: Das sind wirklich schlimme Bedingungen.
VA: Ja, die Menschlichkeit bleibt oft auf der Strecke. Die Frauen fühlen sich, als ob sie ein Ding wären. Sie dürfen nicht krank sein, sie haben aber auch nicht genügend Zeit, um die Zimmer zu reinigen. Hinzu kommt, dass man, wenn man bei einem Subunternehmen arbeitet, nicht sagen kann, dass man müde ist. Moderne Sklaverei. Wir kämpfen dafür, dass man in einem solchen Fall zum Arzt gehen und sich krank schreiben lassen kann. Denn wenn die Beschäftigten einmal «Nein» sagen und die Stelle aufgeben, werden sie nie wieder einen Auftrag bekommen. Es schliessen sich nicht nur die Türen des einen Hotels, sondern die Türen vieler Hotels.
AM: Aber das sind doch Menschen- und Arbeitsrechte!
VA: Deshalb kämpfen Las Kellys für diese Rechte. Wir wollen der Arbeit die Menschlichkeit zurückgeben. Zur Zeit gibt es zum Beispiel einen Kampf in verschiedenen Hotelketten, weil sie den weiblichen Reinigungskräften nicht erlauben, Wasser zu trinken. Las Kellys prangerten als eine der Ersten diese Verhältnisse an. Wir haben in den Hotels gestreikt und die Unternehmen aufgefordert, uns unsere Rechte widerzugeben. Wir haben gewonnen, da hatten wir Glück. Wir sind alle Angestellte, ja, aber uns stehen einige grundlegende Rechte wie Menschenrechte und Arbeitnehmerrechte zu.
AM: Und was macht die Regierung?
VA:Die spanische Regierung tut nichts. Sie sind so sehr mit ihren eigenen Problemen beschäftigt, dass sie vergessen, dass wir Arbeitnehmer*innen das Recht haben, ein gutes Leben zu führen. Das ist die Realität, in der wir uns befinden.
AM: Was kann ich als Reisende tun, um euch zu unterstützen?
VA: Schau, als Reisende*r kannst du verschiedene Dinge tun. Zuerst einmal muss klar sein, dass es nicht immer dieselben Menschen sind, die den Flur oder dein Zimmer reinigen. Erkundige dich, bevor du ins Hotel gehst, ob die Zimmermädchen zum Hotel oder zu einem anderen Unternehmen gehören, ob sie ausgelagert sind und schlechte Arbeitsbedingungen haben. Wenn das Hotel behauptet, dass die Reinigungskräfte zum Hotel gehören, kannst du das einfach nachprüfen, indem du, während du an der Rezeption wartest, eine der Reinigungskräfte ansprichst und sie fragst, wie es ihr geht und ob sie Zeit hat, sich auszuruhen. Wenn die Rezeptionist*innen zugeben, dass die Mitarbeiter von einem anderen Unternehmen kommen, kannst du gleich gehen. In letzter Zeit, sagen die meisten Rezeptionist*innen, dass das Personal vom Hotel kommt. Das ist sehr leicht herauszufinden: Zum Hotel gehörendes Personal trägt Uniformen mit dem Emblem des Hotels. Wenn sie ein anderes Emblem als das des Hotels tragen, sind sie nicht vom Hotel. Das ist ein guter Weg.
AM: Wie finde ich im Vorfeld meiner Reise heraus, ob das Reinigungspersonal gut bezahlt und nicht überarbeitet ist?
VA: Das kannst du nicht wissen.
Las Kellys ist gerade dabei, eine «Reservierungszentrale» zu entwickeln, die aufdeckt, wie die Arbeitsbedingungen vor Ort sind. Wir haben sie noch nicht veröffentlicht. Wenn wir das tun, werden wir angegriffen werden. Der Sinn ist: Wenn du als Reisende*r zum Beispiel ein Zimmer brauchst, kannst du bei dieser Zentrale anrufen, und wir werden dich aufklären. Wir können dann Auskunft darüber geben, unter welchen Bedingungen die Beschäftigten arbeiten. Ja, natürlich sollten sie normalerweise gut sein, denn das ist ein Zeichen von Qualität für das Hotel.
2018 haben wir ausserdem ein regionales Siegel geschaffen, welches vom katalanischen Parlament gebilligt wurde. Es zeichnet Hotels mit menschenwürdigen Arbeitsbedinungen aus. Vor kurzem haben wir ein sehr kleines Boutique-Hotel gefunden, das in gutem Zustand zu sein scheint und den Anforderungen genügen könnte. Wir haben gesagt, wenn alles gut läuft, könnten wir mit diesem einen anfangen. Eins ist eins! Wir wollen nicht mit Hotels zusammenarbeiten, die kein menschliches Gewissen haben. Wir finden einen Weg, die Arbeit zu vermenschlichen. Viele Hotels haben sich trotz unserer Forderungen nicht weiterentwickelt.
V: Wir werden nicht aufhören für Lösungen zu kämpfen, denn wir arbeiten jeden Tag in dieser Situation. Jeden Mittwoch sind wir hier auf der Straße mit Trillerpfeifen und Flöten. Wir haben hier in Barcelona keine Fernsehanstalt gefunden, die mit uns zusammenarbeiten will, um eine Reportage über die Missstände zu machen. Denn auch ihre Arbeitsbedingungen sind sehr schlecht und sie wollen nicht noch mehr Probleme.
AM: Ist der Reinigungssektor komplett weiblich?
V: 90 Prozent der Beschäftigten sind Frauen. Es ist ein fast ausschließlich weiblicher Sektor. Viele sind eingewanderte Frauen, farbige Frauen, aus dem Senegal, aus Afrika, die kein Spanisch sprechen. Viele kommen hierher und die Kinder und der Ehemann sind in Afrika. Sie sagen niemals «nein». Unglaublich. Sie sind super müde, sie arbeiten den ganzen Tag und machen noch ein Zimmer mehr. Und wenn man sie fragt, warum, sagen sie: «Wenn ich es nicht tue, werfen sie mich raus und ich kann kein Geld für meine Kinder schicken. Und mein Ehemann wird mich kritisieren oder verlassen.»