Wir gehören dem Land
Für seine neueste Reportage reiste Joe Sacco nach Kanada, in die Nordwestterritorien. In zahlreichen Interviews fängt er Geschichte, Traumata, Lebensweise und Alltagsrealität, Ausblicke und Haltungen der Dene ein. Die Ausbeutung der Bodenschätze und die damit verbundene wirtschaftliche Abhängigkeit, die Beziehung zur Natur und die Bemühungen um Selbstverwaltung kommen dabei ebenso zur Sprache wie der kulturelle Genozid, abscheuliche Missbräuche und daraus entstandene neue Missbräuche und Sackgassen. Die unterschiedlichen Stimmen machen deutlich, dass die Dene durchaus keinen einheitlichen Lebensentwurf haben, sondern grundsätzlich für Teilhabe am eigenen Lebensraum kämpfen.
Der Sachcomic ist wie ein Dokumentarfilm anzuschauen – mit Joe Sacco als Kameramann. Ab und zu tritt er selbst in Erscheinung, sozusagen als Vertreter des Lesepublikums. Das Erzählen überlässt er den Menschen, denen er begegnet. Diese O-Töne gewähren einen unverstellten Blick auf schöne und schmerzliche Erinnerungen, auf Brüche, Wut, Pragmatismus, auf komplexe Abwägungen und scheinbar Unvereinbares. Und sie zeigen, wie schwierig ein konstruktiver Weg ist, den Menschen gemeinsam mit einer Regierung finden müssten, die bis anhin an ihrer Kontrolle festhält.
Saccos meisterhaft gezeichnete Dokumentation ist anspruchsvoll. Sich die Einzelheiten der schwierigen Geschichte kolonialer Unterdrückung anzuhören ist aber entscheidend für Menschen, die versuchen, ihre Identität zu retten und einen eigenständigen Weg in die Zukunft zu finden.
Joe Sacco: Wir gehören dem Land. Edition Moderne, 2020, 256 Seiten, Taschenbuch. CHF 29.80/EUR 25.00. ISBN 978-3-03731-198-1