Basel, 27.11.2009, akte/
Du bist seit Mai dieses Jahres Geschäftsführerin von Oikocredit deutsche Schweiz. Warum zog es dich zu Oikokredit?
Faire Finanzen interessieren und beschäftigen mit seit meinem Ökonomie-Studium. Schon damals dachte ich: Es kann doch nicht sein, dass man Geld nicht auch anständig und den eigenen Wertvorstellungen entsprechend anlegen kann. Es gab natürlich einzelne Angebote, die man sich mühsam zusammensuchen musste. Seit 1990 bietet sich mit der Alternativen Bank eine Möglichkeit, solche Anlagen zu bündeln und zu fairen Konditionen weiterzugeben. So zog es mich dorthin, während vieler Jahre war ich Verwaltungsratspräsidentin der Alternativen Bank.

Oikocredit gibt es sogar schon seit 1975. Mich faszinieren diese 35-jährige Erfahrung mit Mikrofinanz und das internationale, ökumenische Netzwerk. Hier kommen spannende entwicklungspolitische Aspekte hinzu. Wie hilft man den Leuten in armen Ländern, sich selber zu helfen? Wir schicken keine Spende, sondern pflegen Geschäftsbeziehungen auf den Grundlagen des Fairen Handels.
Wie unterscheidet ihr euch von einem kommerziellen Finanzdienstleister?
Wir setzen nicht auf Gewinnmaximierung. Zwar zahlen wir der Anlegerin und dem Anleger eine Dividende, aber man kann an anderen Orten mehr Geld mit einer Anlage verdienen. Primär wollen wir Leuten in armen Ländern ermöglichen, für sich Perspektiven zu schaffen. Anders als ein gängiges Kreditinstitut sind wir demokratisch organisiert. In unseren wichtigsten Entscheidungsgremien, dem Verwaltungsrat und dem Investitionsausschuss – sitzen Delegierte von Anlage- wie von Kreditländern. Wir entscheiden gemeinsam, man kennt sich. Das ist, nebenbei bemerkt, auch gut für die Rückzahlungsquote, die ja bei Mikrokrediten generell recht hoch ist. Schliesslich unterliegen unsere Kreditentscheide sozialen und ökologischen Kriterien. Es gibt Antragsteller, die leer ausgingen, weil sie diese Kriterien nicht erfüllten. Heute haben wir Anlegerinnen und Anleger aus 69 Länder und 17,5 Millionen Menschen, die wir in ihrer Geschäftstätigkeit zur Verbesserung ihrer Lebensumstände und jener ihrer Familie und Bezugsgruppe unterstützen. Wichtig ist die Sozialbilanz, die Kontrolle, wie die Kredite sich auswirken, weil gerade auch im Bereich der Mikrofinanzdienstleistungen viele neue Anbieter auf den Markt gekommen sind, von denen nicht alle gleich seriös arbeiten. Es lohnt sich, kritisch nachzufragen: Wie werden die Kreditnehmerinnen vor Ort begleitet? Gibt es eine Schulung? Was passiert bei der ersten Geschäftsflaute?

Bei Oikocredit sitzen relativ viele Frauen in der Leitung. Entspricht das eurer Policy?
Absolut. Frauen sind die besseren und häufigeren Kreditnehmerinnen, daher ist es auch richtig, dass sie auf der Entscheidungsebene gut vertreten sind. Übrigens: Auch wenn harte Statistiken fehlen, sind vermutlich auch in Europa Frauen besser im Zurückzahlen von Krediten.

Gibt es eine Quote?
Wir haben keine feste Quote, aber die Realität zeigt, wir sind recht gut.

Wie viele Mitarbeitende sind beim Deutschschweizer Förderkreis angestellt?
Zwei Personen à 40 Prozent. Neben mir arbeitet eine Kollegin für die Abwicklung und Administration. Sie kümmert sich um die Verträge, den Geldtransfer, die Beglaubigung der Identitäten. Ich mache Oikocredit bekannter, unterstütze den Vorstand und berate die Kundschaft. Mein Vorwissen kommt uns dabei zugute: Ohne Bekanntschaft mit den Akteurinnen und Akteuren und Erfahrung mit dem Geschäft wäre es noch enger mit den 40 Prozent.

Wer ist Partner von Oikocredit: Sind es einzelne Frauen, Sparkassen, lokale Banken?
Ganz unterschiedlich. Meist arbeiten wir mit lokalen Finanzorganisationen, Kreditgenossenschaften oder anderen Zusammenschlüssen. Ein Beispiel: Ein Bekannter von mir arbeitet für eine Frauengruppe, die Karitébutter herstellt, und für die er eine Finanzierung suchte. Ich leitete ihn an den lokalen Geschäftsleiter von Oikocredit weiter. Der bat die Frauen, einen Businessplan auszuarbeiten. Aufgrund von Gesprächen und dieses Plans wird er beurteilen können, was die Frauen brauchen: Werden es direkte Partner von Oikocredit oder können wir etwas vermitteln? Brauchen sie noch Know-how? Das tolle heute ist, dass man mit e-Mail-Korrespondenz und einem guten Netzwerk schon einiges in Bewegung setzen kann. Da zeigt sich die Stärke von Oikocredit: Die Organisation hat überall Leute.
Oikocredit hat ja das Wort ökumenisch drin. Das klingt nach Kirche.
Ich selber bin näher beim Feminismus als bei der katholischen Kirche, wo ich herkomme. Aber die Ökumene engagiert sich seit langem für eine bessere Welt und ihr ist die gute Vernetzung in vielen Ländern zu verdanken. Man hat sich immer überlegt: Wie können wir zusammenarbeiten? Meine Aufgabe ist es auch, Leute ausserhalb der Kirche anzusprechen, Junge, Leute im Fairen Handel. Die solide Wertebasis von Oikocredit ist gerade in den Zeiten der Finanzkrise bedeutsam.
Kurz auf den Punkt gebracht: Weshalb sollte ich in Oikocredit investieren?
Wenn wir wollen, dass sich etwas verbessert, müssen wir etwas tun. Die Sensibilisierungsarbeit, die ihr zum Thema Reisen macht, braucht es auch beim Geld. Beim Geld haben zu viele Leute das Gefühl, sie wüssten nicht, wie sie aktiv werden können, und es funktioniere nicht. Wir müssen anfangen, nicht einfach unser Geld zur Bank zu tragen, die dann vielleicht etwas damit anstellt, das wir nicht wollen. Wir können den eigenen Werten entsprechend mit Geld umgehen.
Informationen zu Oikocredit: www.oikocredit.org